OGH 6Ob273/99m

OGH6Ob273/99m17.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Georg Freimüller, Rechtsanwalt, Alser Straße 21, 1080 Wien, als Masseverwalter im Konkurs der S*****gesellschaft mbH, ***** wegen insgesamt 4,206.454,06 S und Räumung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 1999, GZ 39 R 161/99m-23, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 11. Jänner 1999, GZ 3 C 509/98b (3 C 345/98k)-19, aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Das wegen Konkurseröffnung über das Vermögen der beklagten Partei unterbrochene Verfahren wird wieder aufgenommen.

2. Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete im Jahr 1962 der S***** mit dem Sitz in New Jersey ein Gassenlokal in einem nun der Klägerin gehörenden Haus in Wien. Der vereinbarte Nettohauptmietzins betrug 172 S monatlich, der bis Jänner 1998 zuzüglich der Umsatzsteuer und der Betriebskosten regelmäßig bezahlt wurde. Mit dem Notariatsakt vom 14. 6. 1985 brachte die S***** ihr in der österreichischen Zweigniederlassung geführtes Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven unter Anwendung des Art I StruktVG in eine neu gegründete (hier beklagte) Gesellschaft mbH ein. P 3. des Notariatsaktes lautete:

"Da die übertragende Gesellschaft der alleinige Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ist, erfolgt die Einbringung des inländischen Betriebes ohne Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft und der Reinwert des eingebrachten Betriebes laut Bilanz wird bei der übernehmenden Gesellschaft in die Rücklage eingestellt".

1986 und 1988 wurde das Stammkapital der Beklagten von 1 Mio S auf 10 Mio bzw 14,6 Mio S erhöht. Der Firmenwortlaut der Gesellschaft mbH wurde mehrfach geändert, zuletzt auf die Firma der Beklagten. Die Klägerin stellte nach Erhebungen im Firmenbuch die Unternehmensveräußerung erst im Jahr 1997 fest und forderte von der Beklagten am 26. 1. 1998 ab Februar 1998 einen erhöhten Mietzins von 1.000 S je Quadratmeter zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten.

Mit der am 29. 4. 1998 eingebrachten Klage 3 C 509/98b begehrte die Klägerin gestützt auf § 12 Abs 3 MRG alt aus dem Titel des Schadenersatzes für die Zeit von März 1985 bis Jänner 1998 den angemessenen erhöhten Mietzins von zusammen 5,149.208,95 S. Die Beklagte habe die Unternehmensveräußerung der Vermieterin nicht mitgeteilt. Bei fristgerechter Anzeige hätte die Klägerin den angemessenen Mietzins für die Vergangenheit anstelle des tatsächlich bezahlten Mietzinses verlangen können. Am 4. 9. 1998 schränkte die Klägerin dieses Begehren auf 4,139.026,54 S ein. Mit der schon am 27. 3. 1998 zu 3 C 345/98h eingebrachten Klage begehrte die Klägerin den rückständigen erhöhten Mietzins für die Monate Februar und März 1998 von zusammen 88.378,28 S (eingeschränkt am 22. 12. 1998 auf 67.427,52 S) und die Räumung des Geschäftslokals.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Klägerin sei schon 1985 über den Unternehmensübergang informiert worden. Der von ihr begehrte Mietzins sei nicht angemessen. Das Zahlungsbegehren sei verjährt.

Die Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil den Zahlungsbegehren zur Gänze statt. Neben einer näheren Beschreibung des Mietobjektes stellte das Erstgericht fest, dass weder die ursprüngliche Mieterin noch die Beklagte die Klägerin von der Unternehmensveräußerung verständigt hätten. Das Erstgericht traf ferner gestützt auf ein Sachverständigengutachten Feststellungen zur Höhe des angemessenen monatlichen Hauptmietzinses in den einzelnen Perioden von März 1985 bis März 1998. In rechtlicher Hinsicht beurteilte es den Sachverhalt dahin, dass gemäß § 12 Abs 3 MRG die Hauptmietrechte und die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses auf den Erwerber eines Unternehmens übergingen, wenn der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen veräußere und das erworbene Unternehmen im Mietgegenstand weiterführe. Der bisherige Hauptmieter sowie der Erwerber seien verpflichtet, dem Vermieter den Übergang der Hauptmietrechte unverzüglich anzuzeigen. Wenn der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins sei, so könne der Vermieter vom Erwerber des Unternehmens innerhalb von sechs Monaten nach dem Mietrechtsübergang die Erhöhung des Hauptmietzinses begehren. Die Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage in eine Gesellschaft mbH bewirke eine Einzelrechtsnachfolge und stelle eine Unternehmensveräußerung gemäß § 12 Abs 3 MRG alt dar. Nach der Novellierung des § 12 Abs 3 MRG durch das 3. WÄG sei es in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu einer abweichenden Auslegung des Veräußerungsbegriffes gekommen. § 12 Abs 3 MRG alt sei hinsichtlich des Veräußerungstatbestandes nunmehr in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen. Es komme darauf an, ob in der Gesellschaft (Mieterin) durch die Umstrukturierung ein Machtwechsel stattgefunden habe. Dieser Judikaturlinie des 1. Senates habe der 5. Senat aber widersprochen, insbesondere einer Rückwirkung des Auslegungsgrundsatzes auf die alte Rechtslage. Das Erstgericht teile die Ansicht des 5. Senates. Im Übrigen sei mit der Einbringung nach dem Strukturverbesserungsgesetz auch eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei der Mieterin verbunden gewesen. Der Mietvertrag sei von einer amerikanischen Gesellschaft mit einem Stammkapital von 10 Mio Dollar geschlossen worden. 1985 habe die Beklagte nur über ein Stammkapital von 1 Mio S verfügt. Die ehemalige Mieterin sei auch nicht Gesellschafterin der neu gegründeten Gesellschaft mbH. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Anhebung des Mietzinses auf den angemessenen Mietzins. Das auf Schadenersatzrecht gestützte Begehren sei berechtigt, weil die Beklagte es unterlassen habe, die Vermieterin von der Unternehmensveräußerung zu verständigen. Es sei von einem Verschulden der Beklagten auszugehen. Der Schaden der Klägerin bestehe in der Differenz zwischen dem Mietzins, den sie der Beklagten vorschreiben hätte können, wenn sie pflichtgemäß verständigt worden wäre und dem tatsächlich bezahlten Mietzins. Im Jahr 1985 hätte der angemessene Mietzins 570 S je Quadratmeter betragen. Vor der Entscheidung über das Räumungsbegehren müsse der Beklagten Gelegenheit gegeben werden, den Mietzinsrückstand zu begleichen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das angefochtene Teilurteil zur Verfahrensergänzung auf. Es bestünden Zweifel an der vom Sachverständigen ausgemittelten Mietzinshöhe. Es sei eine schlechte Verkehrslage festgestellt worden. Der ausgemittelte Mietzins entspreche erfahrungsgemäß nur Geschäftslokalen in sehr guten Lagen. Gemäß § 362 Abs 2 ZPO sei ein zweiter Sachverständiger beizuziehen. In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, die sich auf die Judikatur des 5. Senates stützte (5 Ob 12/96 versus 1 Ob 2388/96z). Die neue Regelung des § 12a Abs 3 MRG sei eine Missbrauchsregelung für den Fall, dass keine Vertragsübernahme im Sinne des § 12a Abs 1 MRG stattfinde. Die Auslegung des 1. Senates in wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei abzulehnen. Für eine Mietzinsanhebung käme es lediglich auf den Veräußerungstatbestand an.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass im Hinblick auf die divergierende oberstgerichtliche Judikatur der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei.

Die Klägerin beantragt mit ihrem Rekurs die Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichtes zur neuerlichen meritorischen Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des erstinstanzlichen Teilurteils.

Die Beklagte beantragt mit ihrem Rekurs die Abänderung dahin, dass die Klagebegehren abgewiesen werden.

Die Parteien beantragen jeweils mit ihren Rekursbeantwortungen, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass nach der Vorlage der Rekurse an den Obersten Gerichtshof über das Vermögen der Beklagten am 8. 11. 1999 zu 6 S 560/99s des Handelsgerichtes Wien der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Georg Freimüller zum Masseverwalter bestellt wurde. In der Prüfungstagsatzung vom 11. 1. 2000 wurden die von der Klägerin angemeldeten Forderungen von 5,814.984,54 S bestritten und zur Geltendmachung der bestrittenen Forderungen eine Frist von zwei Monaten bestimmt. Am 25. 1. 2000 beantragte die Klägerin die Wiederaufnahme des gemäß § 7 KO unterbrochenen Verfahrens. Über diesen Fortsetzungsantrag ist vom Obersten Gerichtshof zu entscheiden (Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 166 mwN).

Auf den Einbringungsvorgang ist § 12 Abs 3 MRG alt anzuwenden. Die Einbringung eines in einem Mietobjekt betriebenen Unternehmens als Sacheinlage in eine Gesellschaft mbH wurde in der oberstgerichtlichen Judikatur zunächst völlig einheitlich als eine zur Einzelrechtsnachfolge in die Mietrechte führende Unternehmensveräußerung qualifiziert, die den Vermieter zur Mietzinsanhebung berechtigte (SZ 64/127; 5 Ob 111/98d mwN). Mit dem

3. WÄG wurde im § 12a Abs 3 MRG dem Veräußerungstatbestand der Fall gleichgestellt, dass auch ohne Eintritt eines Mieterwechsels schon gesellschaftsrechtliche Veränderungen der Mietergesellschaft zu einer Mietzinsanhebung berechtigen, wenn eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft stattfanden, etwa bei einer Veräußerung der Mehrheitsanteile der Gesellschaft. Aus dieser Gesetzesstelle haben ein Teil der Lehre und zuerst der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs den Schluss gezogen, dass auch Einbringungsvorgänge mit dem Eintritt einer anderen Person als Mieter nur dann zu einer Mietzinsanhebung berechtigen, wenn ein Machtwechsel im Unternehmen vorlag. § 12a MRG habe eine Klarstellung des Veräußerungsbegriffs (§ 12 Abs 3 MRG alt; § 12a Abs 1 MRG) in diesem Sinne gebracht. Dieser Auffassung hat der andere Teil der Lehre vehement widersprochen, in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vorrangig der 5. Senat (1 Ob 591/93 und 1 Ob 2388/96z versus 5 Ob 111/98d uva). Die in der Lehre und Judikatur strittige Rechtsfrage ist für die oberstgerichtliche Rechtsprechung nunmehr mit der Entscheidung des verstärkten Senats vom 7. 4. 2000 5 Ob 267/98w im Sinne der Judikaturlinie des 5. Senats entschieden. Der erkennende Senat folgt der gegebenen ausführlichen Entscheidungsbegründung, die zu folgendem Rechtssatz führte:

"Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen an eine juristische Person oder an eine Personengesellschaft des Handelsrechts, so ist der Vermieter nach Maßgabe des § 12a Abs 1 und Abs 2 MRG auch dann zur Anhebung des Hauptmietzinses berechtigt, wenn der bisherige Mieter entscheidende rechtliche und wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten in der neuen Mieter-Gesellschaft bzw der in den Mietvertrag eingetretenen juristischen Person hat". Die vom verstärkten Senat vorgenommene Auslegung des geltenden Rechts hat auf die vorliegende Entscheidung die logische Konsequenz, dass der anzuwendende § 12 Abs 3 MRG alt nicht anders interpretiert werden kann, weil das gewichtigste Argument der mit einem wirtschaftlichen Veräußerungsbegriff operierenden Gegner des Mietzinsanhebungsrechtes weggefallen ist. Die Beklagte kann ihren Rekurs nicht mehr auf die Judikaturlinie des 1. Senates stützen. Die vor der Entscheidung 1 Ob 591/93 ergangene Judikatur ist vielmehr fortzuschreiben.

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung des Teilurteils zur Verfahrensergänzung durch Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens. Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 8 zu § 362). Wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt für noch nicht ausreichend festgestellt erachtet und dies nicht auf einer irrigen Rechtsansicht beruht, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, der Verfahrensergänzung nicht entgegentreten. Den weiteren Rekursausführungen zu dem Thema, dass hier mit der Unternehmensveräußerung im Wege einer Sacheinlage eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten verbunden gewesen sei, kommt im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des verstärkten Senats keine Bedeutung mehr zu.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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