OGH 2Ob74/00x

OGH2Ob74/00x30.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Eckert & Fries, Rechtsanwälte GmbH in Baden, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Braunegg, Hofmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 866.789,09 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 1999, GZ 20 R 35/99d-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 18. Mai 1999, GZ 5 C 3313/98-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.374,-- (darin S 3.729,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO, § 528a ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat die Zulässigkeit des Revisionsrekurses damit begründet, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Umfang der Behauptungs- und Beweispflicht des Klägers insbesondere zu den Zuständigkeitstatbeständen des Art 6 Z 3 und des Art 17 LGVÜ und zum Umfang der Prüfungspflicht des Gerichtes nach Art 20 LGVÜ nicht vorliege.

Die Anwendbarkeit des LGVÜ ist im vorliegenden Fall unbestritten (vgl zur Geltung des EuGVÜ im Verhältnis zu Deutschland erst mit 1. 1. 1999 Mayr in Rechberger2, nach § 27a JN Rz 1 aE mwN). Nach der in Art 2 LGVÜ enthaltenen Grundregel wäre die Beklagte, die ihren Sitz in Deutschland hat, vor deutschen Gerichten zu klagen, sofern sich aus Art 5 bis 18 des Übereinkommens nichts anderes ergibt. Die Klägerin will die besondere Zuständigkeit für Widerklagen in Anspruch nehmen (auf andere Gerichtsstände kommt sie im drittinstanzlichen Verfahren nicht mehr zurück). Voraussetzung dafür ist gemäß Art 6 Z 3 LGVÜ, dass es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird; § 96 JN wird durch Art 6 Z 3 LGVÜ in dessen Anwendungsbereich verdrängt (4 Ob 34/98y = RdW 1998, 615 = ZfRV 1998, 160). Die Klägerin behauptet nun, ihre mit Widerklage geltend gemachten Ansprüche würden auf demselben Vertretungsvertrag beruhen, der auch Grundlage für die Klagsforderung der hier beklagten Partei gegen sie sei. Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin hiezu in erster Instanz ein ausreichendes Vorbringen erstattet hat oder dass sie - weil sie sich in ihrer Klage noch auf § 96 JN bezog - hiezu anzuleiten gewesen wäre, folgt hieraus keine für sie günstigere Beurteilung. Der betreffende Vertretungsvertrag enthält nämlich eine Gerichtsstandklausel, aus der sich die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts ergibt.

Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen können somit unerörtert bleiben.

Auch im Revisionsrekurs wird keine (sonstige) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt:

Schon in 2 Ob 96/99b = RZ 1999/72 = ZfRV 1999, 191 hat der erkennende Senat dargelegt, dass eine Gerichtsstandvereinbarung gemäß Art 17 LGVÜ zu einer ausschließlichen Zuständigkeit führt, welche unter anderem auch die Zuständigkeitsregel des Art 6 LGVÜ ausschließt (vgl auch Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Art 6 Rz 16 und Art 17 Rz 61, 70 mwN; Mayr in Rechberger2 § 104 JN Rz 19 aE). Für eine Wahlmöglichkeit sprechende Umstände (vgl Czernich/Tiefenthaler aaO, Art 17 Rz 62) wurden nicht vorgebracht. Der zeitliche Anwendungsbereich des LGVÜ (damit auch dessen Art 17) hängt gemäß Art 54 Abs 1 vom Zeitpunkt der Klagserhebung ab (vgl Czernich/Tiefenthaler Art 17 Rz 16, Art 54 Rz 1, 3, 4 mwN; Mayr in Rechberger2, nach § 27a JN Rz 14 mwN) und nicht vom Zeitpunkt des Abschlusses des (die Gerichtsstandklausel enthaltenden) Vertretungsvertrages. Auf die Zulässigkeit der Einbringung einer Widerklage trotz Fällung eines Versäumungsurteiles (gegen das Widerspruch erhoben wurde) im Vorverfahren kommt es im Hinblick auf die hier gegebene Sach- und Rechtslage nicht an.

Da es somit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) nicht bedurfte, war der Revisionsrekurs - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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