OGH 2Ob42/00s

OGH2Ob42/00s16.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** *****krankenkasse, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei ***** L***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Georg Mittermayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 85.812,90 und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. September 1999, GZ 35 R 440/99m-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 26. Juni 1999, GZ 18 C 1287/97k-10, zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Am 12. 1. 1995 kam Martina D***** als Fahrgast einer Straßenbahngarnitur auf Grund einer stärkeren Betriebsbremsung mit einer Bremsverzögerung von 0,94 m/sec2 zu Sturz und wurde schwer verletzt. Die Betriebsbremsung war durch einen schleudernden PKW veranlasst worden.

Mit der Behauptung, die beklagte Partei sei zur Haftung nach § 5 EKHG als Betriebsunternehmer verpflichtet, begehrt die klagende Partei den Ersatz der gemäß § 332 ASVG auf sie übergegangenen Ansprüche sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Pflichtleistungen.

Die beklagte Partei wendete ein, Martina D***** treffe das Alleinverschulden, weil sie es verabsäumt habe, sich im Zug ausreichend festen Halt zu verschaffen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, es liege ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG vor, auch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr sei nicht gegeben.

Das Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass dem Leistungsbegehren im Wesentlichen Folge gegeben wurde; hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wurde die Entscheidung des Erstgerichtes mit Beschluss aufgehoben.

Das Berufungsgericht vertrat dabei die Ansicht, es liege eine außergewöhnliche Betriebsgefahr vor.

Nachdem das Berufungsgericht zunächst ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, änderte es diesen Beschluss über Antrag der beklagten Partei dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde. Es begründete diesen Beschluss damit, dass der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 50/82 ein anderer Sachverhalt zugrundeliege. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darüber, ob eine über die Intensität von 0,8 m/sec2 hinausgehende Bremsung jedenfalls eine außergewöhnliche Betriebsgefahr darstelle, fehle jedoch.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindend - nicht zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinne der §§ 9 Abs 2 und 11 Abs 1 EKHG immer dann anzunehmen, wenn durch die schon durch den Betrieb des Fahrzeuges gegebene gewöhnliche Betriebsgefahr eine besondere Gefahrenlage hervorgerufen wird (RIS-Justiz RS0058461; ZVR 1988/46); der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr ist funktionell darin zu erblicken, dass zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben waren, dass ein Fahrzeug überhaupt in Betrieb gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0058467; SZ 69/1). Die Frage, ob der Unfall unmittelbar durch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgelöst wurde, kann aber immer nur an Hand der Umstände des einzelnen Falles gelöst werden (RIS-Justiz RS0058444; RZ 1987/65). Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung ausgegangen, der Frage, ob im konkreten Fall schon eine außergewöhnliche Betriebsgefahr vorliegt, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Die Revision der beklagten Partei war sohin zurückzuweisen.

Da die klagende Partei nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Partei hingewiesen hat, hat sie die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Stichworte