OGH 2Ob307/98f

OGH2Ob307/98f16.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, und des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei Dr. Walter Holme als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** GesmbH, *****, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Hannes E*****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen Herausgabe (Streitwert S 165.000,-- s. A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 13. Juli 1998, GZ 3 R 114/98z-26, womit infolge der Berufungen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. März 1998, GZ 3 Cg 130/96i-17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.135,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.522,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die H***** GesmbH betrieb in W***** ein Autovermietungsgewerbe. Sie war befugt, Fahrzeuge, die im Fuhrpark nicht mehr benötigt wurden, zu verkaufen oder zu verleasen. Einer der Geschäftsführer des Unternehmens war Theresia H*****, die Schwester des Beklagten. Dieser hatte seit dem Jahr 1986 insgesamt 4 Fahrzeuge bei der H***** GesmbH vorher geleast und schließlich gekauft.

Diese Kaufverträge wurden ohne Probleme abgewickelt; der Beklagte erlangte in allen Fällen Eigentum.

Im Mai 1993 verkaufte die P***** GesmbH an die H***** GesmbH den PKW Audi 100, dessen Herausgabe die Klägerin nunmehr vom Beklagten in diesem Verfahren begehrt, um S 472.100,--. Wie bei den meisten Fahrzeugen des Fuhrparks der H***** GesmbH erfolgte auch hier eine Fremdfinanzierung. Die klagende Partei löste die Kaufpreisforderung ein und überwies den Rechnungsbetrag an die P***** GesmbH. Dafür ging der Eigentumsvorbehalt hinsichtlich des Fahrzeuges an sie über. Der Typenschein verblieb bei der Klägerin.

Im Juni 1993 schloß die Ehefrau des Beklagten mit der H***** GesmbH einen mündlichen Leasingvertrag über den Audi 100. Dafür wurde ihr eine monatliche Leasingrate von S 9.480,-- vorgeschrieben, die der Beklagte regelmäßig bezahlte. Der PKW ist nach wie vor (seit 4. 6. 1993) auf die Ehefrau des Beklagten zugelassen.

Im Jahr 1995 stellten sich bei der H***** GesmbH Umsatzeinbußen in der Höhe von rund 30 Millionen Schilling ein. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 2. 4. 1996 wurde über das Vermögen der H***** GesmbH der Konkurs eröffnet.

Im Dezember 1995 trat der Beklagte an seine Schwester mit dem Wunsch heran, den PKW Audi 100 zu kaufen. Am 10. 1. 1996 wurde eine Rechnung über den Verkauf des PKW an den Beklagten in Höhe von S 156.500,-- erstellt. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschluss stand der PKW noch unter Eigentumsvorbehalt der klagenden Partei. Weder diese Tatsache noch die finanziell angespannte Situation der H***** GesmbH waren dem Beklagten bekannt. Den Typenschein für dieses Fahrzeug hatte der Beklagte nie zu Gesicht bekommen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ging der Beklagte davon aus, Eigentümer des Fahrzeuges zu werden. Im Jänner 1996 überwies er den Rechnungsbetrag an die H***** GesmbH.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Herausgabe des PKW Audi

100. Von diesem Herausgabeanspruch könne sich der Beklagte durch Bezahlung von S 165.000,-- zuzüglich Zinsen befreien. Der Beklagte habe nicht gutgläubig Eigentum am Fahrzeug erwerben können. Er habe gewusst, dass es sich bei der H***** GesmbH nicht um eine Autohändlerin, sondern um eine Autoverleiherin handle und derartige Fahrzeuge sowohl von Autoverleihfirmen als auch von Autohändlern üblicherweise fremdfinanziert und unter Eigentumsvorbehalt gekauft würden. Auch die finanzielle Situation der H***** GesmbH habe dem Beklagten im Jänner 1996 bekannt sein müssen, was ihn zu besonderer Vorsicht verpflichtet hätte. Der Beklagte habe sich keine Gedanken darüber gemacht, ob das Fahrzeug im Eigentum der H***** GesmbH gestanden sei und dazu auch keine Nachweise verlangt.

Der Nebenintervenient brachte darüber hinaus vor, der Beklagte sei nie Eigentümer des PKWs geworden, weil ihm der Typenschein nie ausgefolgt worden sei. Dieser Umstand hätte ihn überdies zu weiteren Nachforschungen verpflichtet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe gutgläubig Eigentum erworben und keine Kenntnis davon gehabt, dass die H***** GesmbH den PKW mit einem Kredit finanziert habe und der PKW unter Eigentumsvorbehalt gestanden sei. Unmittelbar vor Ablauf der Leasingdauer sei ihm von der H***** GesmbH bekanntgegeben worden, dass er bei Bezahlung des Bruttokaufpreises von S 156.500,-- inklusive Nova und USt Eigentum an dem geleasten PKW erwerben könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 366 HGB schütze bereits den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, wenn dieser die Sache im Betrieb seines Handelsgewerbes veräußere. Der Beklagte sei "mit seiner Schwester" jahrelang in ständiger Geschäftsbeziehung gestanden und habe problemlos Autokäufe getätigt. Es habe deshalb kein Grund für Zweifel dahin bestanden, dass es diesmal nicht so sein sollte. Aufgrund des Vertrauensverhältnisses habe der Beklagte keine Zweifel an der Verfügungsbefugnis der Verkäuferin haben müssen. Viemehr habe er davon ausgehen können, dass ihm "seine Schwester" völlig risikolos ein Auto verkaufen werde. Es könne daher nicht als auffallende Sorglosigkeit beurteilt werden, wenn der Beklagte keine Einsicht in den Typenschein genommen habe. Für den Beklagten hätten keine Indizien vorgelegen, welche ihn zu besonderer Umsicht und zu Nachforschungen verpflichtet hätten. Auch habe den Beklagten in seiner Meinung, die H***** GesmbH sei über das Fahrzeug jedenfalls verfügungsberechtigt, der Vermerk auf der Rechnung bestärkt, wonach bis zur vollständigen Bezahlung das Fahrzeug Eigentum der H***** GesmbH bleibe. Die Übergabe des Typenscheins sei für den Eigentumserwerb ohne Belang.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,-- aber nicht S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei und führte weiters aus, dass der beklagte Käufer des PKWs als Letztabnehmer zwar nicht einen Neuwagen oder Vorführwagen gekauft, das Fahrzeug aber zuvor geleast und alle Leasingraten und einen Restkaufpreis im vollen Umfang bezahlt habe. Dieser Sachverhalt sei jenen in der Judikatur behandelten Fällen gleichzustellen, in welchen ein Neuwagen oder ein Vorführwagen bar bezahlt werde. Auch im vorliegenden Fall handle es sich nicht um den Gebrauchtwagen eines Dritten. Der Beklagte habe annehmen können, dass die H***** GesmbH die vereinnahmten Beträge an den Vorbehaltsverkäufer oder die finanzierende Bank weiterleiten werde und letztere auch damit einverstanden sei, dass mit der vollständigen Kaufpreiszahlung durch den Letztverbraucher an diesen unbeschränktes Eigentum übergehe. Demnach habe der Beklagte nicht grob fahrlässig gehandelt, wenn er es verabsäumt habe in den Typenschein oder sonstige Urkunden Einsicht zu nehmen, es sei denn, es hätten besondere Verdachtsmomente vorgelegen, welche an der Verfügungsermächtigung der H***** GesmbH, ihm Eigentum zu verschaffen, zweifeln ließen. Der Klägerin sei daher der ihr obliegende Beweis, dass der Beklagte beim Erwerb grob fahrlässig gehandelt habe, nicht gelungen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage, ob der Käufer eines PKWs auch dann nicht zur Einsichtnahme in den Typenschein und andere Urkunden verpflichtet sei, wenn er das zuvor geleaste Fahrzeug endgültig erwerbe, eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes noch nicht ergangen sei.

Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Revision macht im Wesentlichen geltend, dass im vorliegenden Fall die Judikatur zum Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen und somit die diesbezüglich erforderlichen hohen Sorgfaltsanforderungen angewandt werden müssten. Der Beklagte habe nicht einen Neuwagen, sondern einen 2 1/2 Jahre alten Gebrauchtwagen gekauft. Er hätte im Hinblick auf die übliche Fremdfinanzierung nicht davon ausgehen dürfen, dass die H***** GesmbH als Autovermieterin auch zum Verkauf von Fahrzeugen berechtigt sei. Die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbes nach § 366 Abs 1 HGB lägen daher nicht vor. Die Annahme des Berufungsgerichtes, dass der Beklagte das Fahrzeug vor dem Ankauf geleast gehabt habe, sei aktenwidrig.

Diese Ausführungen sind im Ergebnis nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache, so wird gemäß § 366 Abs 1 HGB das Eigentum oder Pfandrecht auch dann erworben, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass der Erwerber beim Erwerb nicht im guten Glauben ist; der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache dem Veräußerer oder Verpfänder nicht gehört oder dass der Veräußerer oder der Verpfänder nicht befugt ist, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen. In diesem Fall wird aber - anders als nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu § 367 ABGB - nicht nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers geschützt, sondern auch der gute Glaube an dessen Verfügungsbefugnis, also auch die Befugnis zur Verfügung über die Sache im eigenen Namen. Die Redlichkeit des Erwerbers ist im Zweifel zu vermuten. Dass der Erwerber nicht im guten Glauben gehandelt hat, muss der die Herausgabe der Sache begehrende Kläger beweisen (4 Ob 536/92 = JBl 1993, 183; 10 Ob 84/97v; Schuhmacher in Straube, HGB2 Rz 8 zu § 366).

Beim Erwerb von Sachen, die üblicherweise im vorbehaltenen Eigentum stehen, hat der Erwerber damit zu rechnen, dass der Veräußerer bloß Vorbehaltskäufer und folglich (noch) nicht Eigentümer ist. Es wird daher in diesen Fällen grundsätzlich ein strengerer Sorgfaltsmaßstab angelegt. Kraftfahrzeuge gehören zur Gruppe der üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt gehandelten Waren, sodass schon deshalb ein strengerer Sorgfaltsmaßstab anzulegen wäre. Das Nachforschungsgebot bezieht sich hier auf den Typenschein, Rechnungen und ähnliche Unterlagen über den Erwerb. Der Erwerber darf sich in diesen Fällen nicht mit den Erklärungen seines Vertragspartners begnügen, da die weite Verbreitung des Eigentumsvorbehaltes, der immer häufiger vorkommende Abschluss von Leasingverträgen über Kraftfahrzeuge und auch die Möglichkeit von Diebstählen verschärfte Anforderungen rechtfertigen (3 Ob 501/89 = ÖBA 1990/140). Dieser strengen Rechtsprechung (SZ 68/196; JBl 1986, 234 und 235; HS 10758/19; HS 10.755; HS 9349/12; HS 7255/41; HS 5281/10 ua) lagen stets Fälle zugrunde, in denen die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen von Kaufleuten im Betrieb ihres Handelsgewerbes erworben, Banken zur Sicherung von Kreditforderungen übereignet oder verpfändet oder vom Vorbehaltskäufer nicht in seinem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb veräußert worden waren.

Das Unterlassen derartiger besonderer Nachforschungen steht einem Gutglaubenserwerb allerdings dann nicht entgegen, wenn ein Neu- oder Vorführwagen beim autorisierten Händler von einem Letztabnehmer gegen Barzahlung erworben wird (SZ 60/120; 4 Ob 536/92 = JBl 1993, 183; 6 Ob 517/81; 7 Ob 551/87 ua), ist es doch verkehrsüblich, dass der Vorbehaltsverkäufer den Vorbehaltskäufer, der die Ware zum Zweck der Weiterveräußerung erwirbt, zur Veräußerung der Vorbehaltsware im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb ermächtigt, damit der Vorbehaltskäufer in die Lage versetzt wird, sich jene Mittel zu beschaffen, mit denen er den Vorbehaltsverkäufer befriedigen kann.

Anders liegt der Fall, wenn der Veräußerer die Ware nicht erkennbar zum Zwecke der Weiterveräußerung, sondern für seinen eigenen Bedarf als Letztabnehmer (z. B. als Anlagegut) erworben hat; in solchen Fällen besteht für den Lieferanten keine Veranlassung, dem Käufer die Ermächtigung zur Weiterveräußerung zu erteilen; diese ist dann ebensowenig verkehrsüblich wie in bestimmten Sparten, in denen die Weiterveräußerung üblicherweise nur mit Zustimmung des Vorbehaltsverkäufers erfolgen darf (SZ 60/120 und die dort angeführte Literatur; vgl auch 9 Ob 359/97b).

Im vorliegenden Fall ist es zweifelhaft, ob die H***** GesmbH der dem Beklagten veräußerten PKW zur Weiterveräußerung oder als Anlagegut erworben hat. Auch steht nicht fest, welche Kenntnisse der Beklagte beim Ankauf davon hatte. Diese Umstände müssen jedoch hier nicht geprüft werden, weil die Gutgläubigkeit des Beklagten beim Erwerb aus anderen Gründen, als sie der zuvor wiedergegebenen Rechtsprechung zugrunde gelegen sind, anzunehmen ist. Der Beklagte hatte schon zuvor seit dem Jahr 1986 von der H***** GesmbH 4 Fahrzeuge erworben, wobei jedem dieser Kaufverträge jeweils ein Leasingvertrag vorangegangen war. In jedem dieser Fälle erlangte der Beklagte problemlos Eigentum an den Kraftfahrzeugen. Der Beklagte durfte daher auch hier annehmen, dass der Kaufvertrag - ungeachtet einer Fremdfinanzierung des Erwerbs durch die H***** GesmbH - in gleicher Weise abgewickelt und der Erlös (teilweise) zur Tilgung der Forderung des Vorbehaltseigentümers verwendet werde. Unter diesen Umständen war er mangels Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten der H***** GesmbH sowie mangels Vorliegens weiterer konkreter Verdachtsmomente nicht verpflichtet, in den Typenschein oder sonstige Urkunden Einsicht zu nehmen. Diese Unterlassung ist ihm zumindest nicht als grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Er hat daher gemäß § 366 Abs 1 HGB gutgläubig Eigentum erworben.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, Abs 2 und 50 ZPO.

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