OGH 10Ob360/99k

OGH10Ob360/99k25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Allgemeine Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erna G*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Peter Windhopp, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 372.623,- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. Oktober 1999, GZ 14 R 97/99h-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. März 1999, GZ 13 Cg 148/97y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist eine außerordentliche Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Obwohl die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedarf, wird zu den Rechtsmittelausführungen in Kürze wie folgt Stellung genommen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht vor, es sei bei der Beurteilung der Anwendbarkeit der Kriterien des "Ingerenzprinzips" und der Grundsätze der deliktischen Haftung eines Gehilfen von der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen. Jedermann, der - wenn auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schaffe, habe dafür zu sorgen, das heißt entsprechende Sorgfalt aufzuwenden, dass daraus kein Schaden entstehe. Diese Pflicht treffe auch jedermann, der eine Risikosituation übernehme, besitze oder ihre Betreuung durchführe. Die Schaffung einer Gefahr ziehe auch die Verbindlichkeit zu deren Überwachung nach sich. Die Beklagte habe einen schuldhaften Sorgfaltsverstoß zu vertreten und daher persönlich für die Folgen des Wasserschadens einzutreten.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die von der Revisionswerberin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes zitierten Entscheidungen (insbesondere auch SZ 39/170) Haftungsfälle nach § 1318 ABGB betreffen; ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Gemäß § 1318 ABGB haftet der Wohnungsinhaber für jeden Schaden, der dadurch entsteht, dass aus der Wohnung etwas hinausgeworfen oder hinausgegossen wird; unter diesem Begriff wird im Wege der erweiternden Auslegung auch das Ausfließen von Leitungswasser etwa aus einem nicht abgedrehten Ventil verstanden. Der Grund dieser Haftung liegt darin, dass der Wohnungsinhaber für die Ordnung im Haushalt verantwortlich ist und ihm auch faktisch die Möglichkeit entsprechender Einflussnahme offensteht. Haftbar ist demnach derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Wohnraum zusteht (vgl MietSlg 40.188 mwN). § 1318 ABGB setzt kein Verschulden des Wohnungsinhabers am eingetretenen Schaden voraus, es kommt lediglich darauf an, ob die Gefahr, aus der der Schaden später entstand, objektiv erkennbar war; das Fehlen subjektiver Vorwerfbarkeit auf Seiten des Rauminhabers ist nicht zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 9a und 16 zu § 1318;

Koziol, Österr. Haftpflichtrecht2 373 ff, 387 ff, 392; 10 Ob 374/98t;

RIS-Justiz RS0029761). Bei einem Wasserschaden kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, als deren Folge der Eintritt eines Wasserschadens ohne weiteres verständlich erscheint, Umstände also, die eine Gefahr in dieser Richtung bilden. So wird der Wohnungsinhaber stets für durch schlechten Verschluss des Wasserhahnes verursachte Wasserschäden zu haften haben. Nach § 1318 ABGB ist der Wohnungsinhaber nur dann nicht für den durch das aus seiner Wohnung fließende Wasser verursachten Schaden ersatzpflichtig, wenn er beweist, dass er alle objektiv erforderlichen Maßnahmen getroffen und die nach der Lebenserfahrung mit einer dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechenden Wahrscheinlichkeit berechenbaren Risken in zumutbarer Weise ausgeschaltet hat (vgl JBl 1989, 40 mwN, MietSlg 47.148). So könnte einem Wohnungsinhaber, der die Wohnung in ordnungsgemäßem Zustand verlassen hat, nicht angelastet werden, dass es während seiner Abwesenheit anderen Personen, auf deren Betreten der Wohnung und ihr Verhalten in dieser er keinen Einfluss ausüben konnte, möglich war, eine gefährliche Lage in der Wohnung zu schaffen (10 Ob 374/98t mwN).

Die allfällige Haftung der Beklagten könnte sich hingegen, wie auch die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, nur aus allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen ergeben, von denen hier nur § 1295 Abs 1 ABGB in Betracht käme. Probleme der Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 1313a ABGB) oder Besorgungsgehilfen (§ 1315 ABGB) stellen sich hier gleichfalls nicht. Die Besonderheiten des vorliegenden Falles liegen darin, dass die Beklagte, die in der Wohnung ihrer Tochter zu Besuch war, dieser beim Wäschewaschen half und die Waschmaschine auf Wunsch und Anleitung der Tochter in deren alleinigem Interesse in Betrieb setzte, den Waschvorgang noch etwa 10 Minuten beobachtete und dann das Haus verließ. Der Wasserschaden trat in der Folge deshalb ein, weil der Zuleitungsschlauch platzte (wie das Erstgericht feststellte) oder sich aus seiner Halterung löste (welche Behauptung der klagenden Partei das Berufungsgericht dahingestellt sein ließ).

Die Frage, ob der Beklagten ein schuldhaftes, zu Schadenersatz verpflichtendes Verhalten (Handeln oder Unterlassen) vorgeworfen werden kann, ist nur nach den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls zu beantworten. Fragen der Einzelfallgerechtigkeit dürfen vom Obersten Gerichtshof als erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur dann überprüft werden, wenn dem Berufungsgericht bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm ein grober Fehler unterlaufen ist, der im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden muss (vgl EvBl 1993/59). Ein solches Verkennen der Rechtslage ist aber dem Berufungsgericht darin, dass es ein Verschulden der Beklagten verneinte, im vorliegenden Einzelfall nicht anzulasten. Ob dem Schadenersatzbegehren überdies - wie das Erstgericht annahm - der Mangel eines rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten entgegensteht, braucht mangels Erheblichkeit nicht mehr geprüft zu werden.

Insgesamt erweist sich die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig.

Stichworte