OGH 1Ob284/99t

OGH1Ob284/99t14.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Wasilios S***** Gesellschaft m. b. H. und 2) Wasilios S*****, beide vertreten durch Dr. Robert Fluck, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) A***** Gesellschaft m. b. H. und 2) Josef N*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der zweitklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Juli 1999, GZ 39 R 141/99w-16, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 1. Dezember 1998, GZ 25 C 205/97k-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die gerichtliche Aufkündigung der klagenden Parteien, die der Sache nach auf den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG gestützt, beim Erstgericht am 11. März 1997 eingebracht und am 13. März 1997 durch die Erlassung des Auftrags nach § 562 Abs 1 ZPO gerichtlich erledigt wurde, enthält einleitend folgenden Wortlaut:

"Wir kündigen der Gegenseite das im Hause in ... gemietete Lokal Nr. 5 gegen vierteljährl. Kündigung für den letzten Tag des Monates Juni 1997 *) aus den umseits angeführten Kündigungründen gerichtlich auf und beantragen, der Gegenseite aufzutragen, den Bestandsgegenstand samt Zubehör binnen 14 Tagen nach Ablauf der oben angeführten Bestandszeit bei Exekution von den nicht in Bestand gegebenen Gegenständen geräumt zu übergeben oder gegen die Aufkündigung Einwendungen anzubringen.

*) für den Fall der nicht rechtzeitigen Zustellung jedoch für den 30. 9. 1997"

Die Zustellung dieser Aufkündigung an die beklagten Parteien erfolgte am 3. April 1997 durch postamtliche Hinterlegung.

Die beklagten Parteien wendeten u. a. "Einbringung der Kündigung zu einem unrichtigen Termin" und "mangelnde Bestimmtheit des Kündigungsvorbringens" ein.

Das Erstgericht erklärte seine Aufkündigung vom 13. März 1997 im Verhältnis der zweitklagenden zur erstbeklagten Partei für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren insofern statt. Im Übrigen - also im Verhältnis der erstklagenden zu beiden beklagten Parteien und im Verhältnis des Zweitklägers zum Zweitbeklagten - hob es die Aufkündigung auf. Es begründete den klagestattgebenden Teil seiner Entscheidung u. a. damit, der Kündigungstermin sei in der Klage angegeben. Die gesetzliche Kündigungsfrist eines Vierteljahres sei gewahrt, weil die Aufkündigung am 3. April 1997 zugestellt und für den Fall nicht rechtzeitiger Zustellung vor dem 30. Juni 1997 als erstgenanntem Kündigungstermin der 30. September 1997 als Ersatztermin genannt worden sei.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung insgesamt als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, § 562 ZPO bestimme Form und Inhalt des Antrags, der einer gerichtlichen Aufkündigung als Grundlage diene. Außer diesen Sondervorschriften seien auch die allgemeinen Prozessvorschriften über Schriftsätze maßgebend. Zwingender Mindestinhalt jeder Aufkündigung sei die Angabe des Zeitpunkts, zu dem das Bestandverhältnis erlöschen solle. Die klagenden Parteien hätten "nicht nur zwei Kündigungstermine zur Auswahl" gestellt, sondern der Aufkündigung auch noch eine Bedingung ("für den Fall der nicht rechtzeitigen Zustellung") als Voraussetzung der Wirksamkeit des Kündigungstermins 30. September 1997 beigefügt. Eine bedingte Kündigung sei unzulässig. Das erkläre sich aus ihrem "doppelfunktionalem Charakter", sei sie doch einerseits ein materiellrechtlicher "Gestaltungsakt" und andererseits eine verfahrenseinleitende Prozesshandlung. Bedingungen "bei einseitig gestalteten Rechtsgeschäften" - so auch eine Aufkündigung zufolge der Gestaltungswirkung der einseitigen Kündigungserklärung - seien bedingungsfeindlich. Eine Bedingung wäre aber auch in prozessualer Hinsicht nur zulässig, wenn der Verfahrensabschnitt, in dem sie wirken solle, bereits eingeleitet und sie "an in diesem Verfahrensabschnitt eintretende innerprozessuale Tatsachen oder Vorgänge geknüpft" sei. Die Verfahrenseinleitung selbst dürfe dagegen nicht bedingt erfolgen. Das bedeute in Anwendung auf den Anlassfall, dass "die gerichtliche Aufkündigung als verfahrenseinleitende Prozesshandlung jedenfalls bedingungsfeindlich" sei. Es dürfe ferner nicht übersehen werden, dass eine gerichtliche Aufkündigung, in der zwei Kündigungstermine - einer davon bedingt - angeführt seien, die Bestimmtheitserfordernisse einer "formstrengen Kündigung" nicht erfülle. Das hätten die beklagten Parteien auch geltend gemacht, sei doch die "Einbringung der Kündigung zu einem unrichtigen Termin ausdrücklich eingewendet" worden. Diese Einwendung umfasse auch die "Bestreitung der bedingten Kündigung durch Angabe zweier Kündigungstermine". Die gerichtliche Aufkündigung sei daher wegen "der beigesetzten Bedingung in Form eines zusätzlichen Kündigungstermines" als rechtsunwirksam aufzuheben und demgemäß das Räumungsbegehren abzuweisen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, "weil unzweifelhaft der Aufkündigung eine Bedingung beigesetzt" worden und das Berufungsgericht in "der Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Bedingung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung" gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Zweitklägers ist in Ermangelung einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Rechtsfolgen alternativer Kündigungstermine in einer gerichtlichen Aufkündigung zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die Einleitung eines Verfahrens kann nicht bedingt erfolgen. Nach nunmehr herrschender Ansicht sind jedoch innerprozessuale Bedingungen insofern zulässig, als der Verfahrensabschnitt, in dem die Prozesshandlung wirken soll, bereits eingeleitet und eine solche Bedingung an Tatsachen oder Vorgänge geknüpft ist, die in diesem Verfahrensabschnitt eintreten können (SZ 68/31; Fasching, LB2 Rz 758 je mwN).

2. Der erkennende Senat befasste sich in der Entscheidung 1 Ob 217/98p (= immolex 1999, 238) ausführlich mit der Rechtsnatur einer gerichtlichen Aufkündigung gemäß § 562 Abs 1 ZPO. Danach bezeichnet dieser Begriff nicht nur den verfahrenseinleitenden Schriftsatz des Kündigenden, sondern auch das auf Grund einer solchen Prozesshandlung erlassene Mandat des Gerichts. In ihrer materiellrechtlichen Funktion beendet die Aufkündigung als rechtsgestaltende Erklärung das Bestandverhältnis; in ihrer prozessualen Funktion ist sie ein verfahrenseinleitender Akt, der dem Aufkündigenden schließlich einen Exekutionstitel nach § 1 Z 4 EO für die Übernahme bzw Übergabe des (ehemaligen) Bestandobjekts verschaffen soll. Weil sich die gerichtliche Aufkündigung im Falle der Unterlassung von Einwendungen im Exekutionsverfahren zu bewähren hat, gilt sie als formstrenge Prozesshandlung, besteht doch kein Bedarf an nicht umsetzbaren Exekutionstiteln. Um aber einer Vollstreckung durch zwangsweise Räumung unbeweglicher Sachen nach § 349 EO als taugliche Grundlage dienen zu können, muss das Vollstreckungsorgan dem Exekutionstitel die zu erzwingende Leistung - unter Anlegung eines strengen Maßstabs - eindeutig entnehmen können, ohne dass es weiterer Erhebungen oder Nachweise bedürfte. Im Kündigungsstreit ist über die Rechtswirksamkeit der Aufkündigung, also über die Wirkung zu entscheiden, die die Rechtsgestaltungserklärung des Aufkündigenden im Zeitpunkt ihres Zugangs an den Aufkündigungsgegner herbeiführte, wobei die Termine und Fristen des § 560 ZPO gesetzliche (§ 570 ZPO), auch den Kündigenden bindende Notfristen sind.

3. Wäre die gerichtliche Aufkündigung nur als verfahrenseinleitende Prozesshandlung zu qualifizieren, so wäre aus der unter 1. dargestellten Rechtslage abzuleiten, dass die bedingte Berufung auf einen zweiten Kündigungstermin zulässig wäre, wenn die Aufkündigung mangels rechtzeitiger Zustellung an den Kündigungsgegner die unter 2. erläuterte Beendigungswirkung nicht schon zum ersten Kündigungstermin entfaltet hätte, wäre doch eine solche Berufung auf einen zweiten Kündigungstermin eine bedingte Prozesshandlung, deren Wirksamkeit hier nur von einem Zustellakt als innerprozessuale Bedingung im bereits (unbedingt) eingeleiteten Verfahrensabschnitt abhinge. Konstitutive Parteiwillenserklärungen - also sogenannte Bewirkungshandlungen -, die gegenüber dem Gericht und dem Kündigungsgegner unmittelbare Rechtswirkungen hervorrufen sollen, sind aber generell bedingungsfeindlich (Fasching aaO). Zufolge der unter 2. erörterten Funktionen der gerichtlichen Aufkündigung ist sie aber eine Bewirkungshandlung, die einerseits unmittelbar zur Erlassung des gerichtlichen Mandats nach § 562 Abs 1 ZPO führen und andererseits als materiellrechtlicher Gestaltungsakt gegenüber dem Kündigungsgegner die Beendigung des Bestandverhältnisses bewirken soll. Darin und in der für einen Exekutionstitel gebotenen Formstrenge ist der dogmatische Hintergrund der herrschenden Ansicht zu erblicken, dass der in der Aufkündigung angeführte Kündigungstermin einer nachträglichen Ergänzung oder Berichtigung grundsätzlich nicht zugänglich ist (RZ 1999/38; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 11 zu § 1116; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 10 zu § 33 MRG), es sei denn, es wäre bloß ein - dogmatische Grundsätze naturgemäß nicht berührender - offenkundiger "Ausdrucks- oder Schreibfehler" zu beheben (RZ 1999/38; 4 Ob 2239/96k; Würth aaO).

4. Durch all diese Erwägungen erweist sich die Ansicht des Revisionswerbers als widerlegt, in die gerichtliche Aufkündigung dürfe ein alternativer Kündigungstermin, dessen Wirksamkeit durch einen bestimmten Zustellzeitpunkt bedingt ist, aufgenommen werden. Der Sache nach sind infolge eines solchen Kündigungswortlauts sogar beide Kündigungstermine bedingt, weil je nach dem Zeitpunkt des Eintretens eines bestimmten, bei Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung ungewissen innerprozessualen Ereignisses materiellrechtlich entweder der eine oder der andere Kündigungstermin gelten soll, sodass eine auf einen bestimmten Kündigungstermin bezogene Auflösungserklärung im Zeitpunkt deren gerichtlichen Einbringung gar nicht vorliegt.

Die Ansicht des Zweitklägers, das "Titelgericht als Bewilligungsgericht" könnte "durch Einblick in den Zustellnachweis leicht feststellen ..., dass die Aufkündigung erst am 3. 4. 1997 zugestellt" worden sei, "weshalb die Beklagten erst binnen 14 Tagen nach dem 30. 9. 1997 zur Räumung verpflichtet gewesen wären", widerlegt die Untauglichkeit einer solchen Aufkündigung als Exekutionstitel nicht. Eine solche Vorgangsweise kommt unter exekutionsrechtlichen Gesichtspunkten deshalb nicht in Betracht, weil der gerichtlichen Aufkündigung als Exekutionstitel - wie bereits zu 2. erläutert - die zu erzwingende Leistung unter Anlegung eines strengen Maßstabs eindeutig entnehmbar sein muss, ohne dass es weiterer Erhebungen oder Nachweise bedürfte. Das wäre jedoch dann nicht der Fall, wenn nicht schon aus dem Exekutionstitel selbst ableitbar wäre, zu welchem Termin die Beendigung des Bestandverhältnisses eintrat und ab wann daher die vollstreckbare Räumungs- bzw Übernahmeverpflichtung nach dem erlassenen Gerichtsauftrag wirksam geworden ist. Ein solcher Exekutionstitel wäre jedenfalls im Zeitraum zwischen den beiden Kündigungsterminen mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar, ließe sich doch die Bedingung, dass nur derjenige der alternativen Kündigungstermine wirksam sein solle, dem eine rechtzeitige Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung vorausging, nicht an Hand des Exekutionstitels selbst klären. Die Schaffung eines insofern unbestimmten Exekutionstitels ist aber von Vornherein zu vermeiden. Daran kann § 394 Abs 2 Geo nichts ändern. Nach dieser Bestimmung hat das Exekutionsgericht zwar den Antrag auf zwangsweise Räumung einer unbeweglichen Sache auf Grund eines von ihm stammenden Titels aktenmäßig als Fortsetzung desjenigen Verfahrens zu behandeln, in dem der Titel erwirkt wurde, von Bedeutung ist jedoch nicht, was das Exekutionsgericht als Voraussetzung der inhaltlichen Bestimmbarkeit eines Titels in einfacher Weise aus dem Akt ermitteln kann, maßgebend ist vielmehr nur, was der Titel selbst aussagt.

5. Eine nach § 563 Abs 1 ZPO rechtzeitig eingebrachte gerichtliche Aufkündigung ist zu bewilligen. Ihre verspätete Zustellung, die eine Verkürzung der Kündigungsfrist bewirkt, ist zufolge § 564 Abs 2 ZPO nur dann ein Hindernis für deren Wirksamkeit, wenn der Beklagte rechtzeitig Einwendungen erhebt. Dafür ist eine ausdrückliche Einwendung, also eine Rüge der Verletzung der Kündigungsfrist, erforderlich (4 Ob 25/97y = RdW 1997, 531; 6 Ob 47/97y = MietSlg 49.698).

Im Anlassfall wurde die gerichtliche Aufkündigung rechtzeitig vor dem ersten der alternativen Kündigungstermine bei Gericht eingebracht. Ein verspäteter Zustellakt bewirkte allerdings eine Verkürzung der Kündigungsfrist in Bezug auf den ersten Termin. Das wendete die erstbeklagte Partei ausdrücklich ein, rügte sie doch die "Kündigung zu einem unrichtigen Termin", was die Behauptung einer Verletzung der zu beachtenden Kündigungsfrist einschließt. Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage erstreckt sich diese Einwendung aber - entgegen der Ansicht des Zweitklägers - auch auf den zweiten Termin. Im Falle einer - wenngleich nicht in der Verfahrenseinleitung, aber doch im Kündigungstermin - unzulässig bedingten Aufkündigung, die nach den Erwägungen unter 1. bis 3. die Auflösung eines Bestandverhältnisses gar nicht bewirken und somit deren materiellrechtliche Funktion nicht erfüllen kann, ist im Sinne der Ausführungen zu 4. keiner der Alternativtermine wirksam. Es ist also nicht nur die unzulässige Bedingung als nicht beigesetzt anzusehen, sondern eine solche Aufkündigung kann zufolge der generellen Bedingungsfeindlichkeit einer Parteihandlung nach § 562 Abs 1 ZPO insgesamt keine materiellrechtliche Gestaltungswirkung gegen den Kündigungsgegner entfalten. Auf Grund der erhobenen Einwendung wäre daher die gerichtliche Aufkündigung im Anlassfall selbst dann für rechtsunwirksam zu erklären gewesen, wenn deren Zustellung noch rechtzeitig vor dem ersten der alternativen Kündigungstermine erfolgt wäre.

6. Der Revision ist daher mangels eines Rechtsirrtums des Berufungsgerichts in der streitentscheidenden Kernfrage nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO.

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