OGH 8ObA306/99d

OGH8ObA306/99d22.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und Dipl.-Ing. Hans Sailer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei "D***** GmbH", *****, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alexandra R*****, Buchmacherin, ***** vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zur Entlassung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. August 1999, GZ 7 Ra 140/99f-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Dezember 1998, GZ 15 Cga 51/98y-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit 1. 1. 1998 bei der klagenden Partei, die mehrere Wettbüros betreibt, beschäftigt. Im Feber 1998 teilte sie der klagenden Partei ihre Schwangerschaft mit und legte am 20. 2. 1998 eine ärztliche Bescheinigung darüber vor.

Nachdem die Beklagte bis dahin in einer Filiale der klagenden Partei im 5. Wiener Gemeindebezirk tätig gewesen war, wechselte sie mit 2. 3. 1998 in eine Filiale im 20. Bezirk. Leiter dieser Filiale ist der Geschäftsführer der klagenden Partei Walter J*****. Am 4. 3. 1998 wurde die Beklagte, nachdem sie an den beiden vorangegangenen Tagen um 3 bzw 3 1/2 Stunden und an diesem Tag um eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit erschienen war, durch den Geschäftsführer schriftlich verwarnt. Die Beklagte pflegte auch wiederholt ihren Hund, einen etwa halbe Kniehöhe erreichenden Mischling von wenig furchterregender Statur, in die Arbeit mitzunehmen. Bereits in die Filiale im 5. Bezirk hatte die Beklagte den Hund mitgebracht. Dort wurde dies von der Filialleitung hingenommen, weil von Anfang an klar war, dass die Beklagte ihren Hund mitbringen würde. Der Geschäftsführer J***** war jedoch der Ansicht, dass der Hund in seiner Filiale Kundschaft verschrecke und dementsprechend teilte er der Beklagten bei den Gesprächen zur Versetzung in den 20. Bezirk mit, dass sie den Hund nicht mitnehmen könne. Die Beklagte meinte dazu, sie werde sich bemühen, eine Möglichkeit zu finden, den Hund während ihrer Arbeitszeit anderswo unterzubringen, nahm ihn jedoch auch dann wieder in die Filiale im 20. Bezirk zur Arbeit mit. Im Geschäftslokal hielt sich der Hund dabei hinter einem Pult auf. Es kam vor, dass er bellte, wenn Kundschaft hereinkam. Am 5. 3. 1998 kam die Beklagte wiederum in Begleitung ihres Hundes zur Arbeit. Der Geschäftsführer erteilte ihr daraufhin umgehend eine schriftliche Verwarnung. Dieser Vorgang wiederholte sich am 6. 3. 1998. Es kam noch am selben Tag zu einer weiteren schriftlichen Verwarnung. Überdies sagte der Geschäftsführer, die Beklagte sei gekündigt, sie sei dienstfrei gestellt und könne nach Hause gehen. Den Rest werde er mit dem Steuerberater klären. Die Dienstfreistellung gewährte er, weil er der Meinung war, dass die Arbeitsleistung der Beklagten so mangelhaft sei, dass es keinen Sinn habe, wenn sie für die nächste Zeit noch zur Arbeit käme. Er sagte gegenüber der Beklagten nicht, dass er während der Dienstfreistellung Fragen bezüglich einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses klären wolle. Auf die Frage, wielange die Dienstfreistellung währen solle, antwortete der Geschäftsführer, das könne er nicht sagen, weil nicht wisse, bis wann der Steuerberater die Sache geklärt habe. Noch am selben Tag setzte sich der Geschäftsführer mit dem Steuerberater in Verbindung. Am 16. 3. 1998 wurde die Klage durch den Klagevertreter verfasst und am selben Tag zur Post gegeben.

Die klagende Partei begehrte die Erteilung der Zustimmung zur Entlassung der Beklagten mit dem Vorbringen, die beklagte Partei sei wiederholt ihren arbeitsbezogenen Aufgaben nicht nachgekommen. Sie sei fortwährend und ohne entsprechende Begründung unpünktlich zur Arbeit erschienen. Mit ihrer Zustimmung sei die Beklagte von einer Filiale der klagenden Partei in Wien 5 in eine andere Filiale in Wien 20 versetzt worden. Dort sei sie am 2., 3. und 4. 3. 1998 bis zu drei Stunden verspätet zum Dienst erschienen. Außerdem habe sie ständig ihren Hund mit zur Arbeit gebracht. Auf Grund der Statur des Hundes und seines Verhaltens seien zum beträchtlichen Schaden der klagenden Partei Kunden abgeschreckt worden. Am 4. 3. 1998 sei die beklagte Partei wegen ihres Zuspätkommens schriftlich verwarnt worden, am 5. 3. 1998, als sie wiederum ihren Hund mit zur Arbeit gebracht hatte, sei sie aus diesem Grund schriftlich verwarnt worden. Am 6. 3. 1998 habe die Beklagte abermals den Hund mit zur Arbeit gebracht. Um den Hund unverzüglich aus den Geschäftsräumen zu bringen, sei die Beklagte dienstfrei gestellt worden; gleichzeitig sei die fristlose Entlassung ausgesprochen worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, das Zuspätkommen sei toleriert worden, es sei ihr die Mitnahme des Hundes gestattet worden. Überdies sei die Klage verspätet eingebracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Klage sei verspätet überreicht worden, nämlich erst 10 Tage nach dem (letzten) Vorfall; überdies habe die Beklagte von einer Kündigung ausgehen müssen, sodass sie annehmen konnte, ihr Fehlverhalten werde nicht als Entlassungsgrund geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 18. 3. 1999, 8 ObA 240/98x ausgesprochen, dass selbst unter Berücksichtigung der Unverzüglichkeit der Entlassung bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit stets den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen Rechnung zu tragen sei. Jedenfalls sei die Klage auf Zustimmung ehebaldigst einzubringen. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit sei eine Aufgriffsobliegenheit, deren Verletzung zum Untergang des Entlassungsrechtes führe, wobei jedoch der Grundsatz der Unverzüglichkeit nicht überspannt werden dürfe. Bei einem für den Betriebsinhaber bedeutsamen Schritt, wie der Entlassung eines besonders geschützten Arbeitnehmers, müsse dem Arbeitgeber entsprechende Zeit zur Einholung eines rechtlichen Rates zugebilligt werden. Bedenke man, dass - wie so oft in der Praxis - der Steuerberater und dann erst der Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei, berücksichtige man weiters die Dienstfreistellung der Arbeitnehmerin, wobei diese bereits habe erkennen können, dass der Arbeitgeber entsprechende Konsequenzen zu ziehen beabsichtige, dann sei ein Zeitraum von 10 Tagen noch nicht zu lang und sei die Klage auf Zustimmung jedenfalls rechtzeitig eingebracht worden. Eine Verspätung sei vom Obersten Gerichtshof erst bei einem Zeitraum von 14 Tagen angenommen worden (vgl 8 ObA 78/99z), sodass die vom Erstgericht angenommene Verspätung nicht vorliege. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisation und dessen Chancen beeinträchtige, insbesondere alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeitgebers zu gefährden geeignet sei (Verschrecken der Kunden durch den Hund in der Filiale). Die beharrliche Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 12 Abs 2 Z 1 MSchG müsse sich auf solche Pflichten beziehen, die mit der Ausübung des Dienstes verbunden seien. Die beharrliche Vernachlässigung der Pflichten könne sich sowohl auf die Erfüllung der der Arbeitnehmerin obliegenden Arbeitspflicht, als auch auf die Verpflichtung, den Weisungen Folge zu leisten, beziehen. Dieser Entlassungsgrund setze sohin pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der Arbeitnehmerin voraus, das überdies auch noch beharrlich sein müsse. Von einer solchen beharrlichen Pflichtverletzung könne nur gesprochen werden, wenn diese wiederholt begangen wurde, wobei auch die vorangegangene Ermahnung bzw Verwarnung vorliege; das Mitnehmen des Hundes trotz dieser Ermahnung erfülle das Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Ermahnung bzw Verwarnung der Beklagten, ihren Hund nicht mehr in das Geschäftslokal mitzunehmen, erfolgte ohne ausdrücklichen Hinweis auf eine im Fall des Zuwiderhandelns auszusprechende Entlassung. Nachdem die Mitnahme des Hundes vorher geduldet worden war und die Beklagte ihre Bereitschaft erklärte, sich um eine anderweitige Unterbringung des Hundes während der Arbeitszeit zu kümmern, wäre ein ausdrücklicher Hinweis auf die Entlassung erforderlich gewesen, um bereits bei einem erstmaligen weiteren Zuwiderhandeln die Entlassung unter dem Gesichtspunkt der Beharrlichkeit aussprechen zu können.

Auch aus einem zweiten Grund erweist sich die Entlassung als nicht berechtigt: Das Zuwarten von 10 Tagen mit dem Überreichen der Klage ohne einen besonderen Grund für die Rechtfertigung dieses Zuwartens - die Besprechung zunächst mit dem Steuerberater und erst danach mit dem Klagevertreter kann diesen Zeitraum nicht rechtfertigen - anzuführen, führt zur Verfristung der Klage auf Zustimmung zur Entlassung. Die Klage ist nach der Rechtsprechung ehebaldigst einzubringen (Art 10.785; 8 ObA 78/99z = DRdA 1999, 492). Im Falle der Entscheidung 8 ObA 240/98x wurden die Weihnachtsfeiertage als Behinderung für den Informationsfluss als Erklärung für das Verstreichenlassen einer Frist von 10 Tagen als noch gerechtfertigt angesehen (ähnlich 9 ObA 228/90). Floretta (in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4, 395) bezeichnet im vergleichbaren Fall der Entlassung eines besonders kündigungsgeschützten Betriebsratsmitgliedes das Verstreichenlassen einer Frist von 9, 10 bzw 15 Tagen nach Kenntnis des Entlassungsgrundes als verspätet (siehe auch Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG, 834).

Mangels Beharrlichkeit und zufolge der verspäteten Überreichung der Klage erweist sich das Klagebegehren als nicht berechtigt, weshalb die Entscheidung der ersten Instanz wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 2 Abs 1 und 58 Abs 1 ASGG.

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