OGH 4Ob290/99x

OGH4Ob290/99x14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, infolge außerordentlicher Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. September 1999, GZ 2 R 31/99i-31, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 4. Februar 1999, GZ 37 Cg 99/98g-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

2. zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr in der Tageszeitung 'Kurier' die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel und/oder deren Ankündigung zu unterlassen, wenn der Eindruck erweckt wird, dass der Erwerb des 'Kurier' zur Teilnahme am Gewinnspiel notwendig oder zumindest förderlich sei, insbesondere den 'Tipp des Tages', bei dem die ersten Anrufer Freikarten für Veranstaltungen erhalten, und durch die tägliche oder durch wiederkehrende Veröffentlichung des Gewinnspiels ein Anreiz zum Kauf des 'Kurier' dadurch ausgeübt wird, dass der Eindruck vermittelt wird, es würden auch in künftigen Ausgaben Gewinnspiele veröffentlicht, sowie das Begehren, den Kläger zu ermächtigen, den Spruch des Urteils binnen 6 Monaten nach seiner Rechtskraft auf Kosten der Beklagten in einer Ausgabe der Tageszeitung 'Kurier' im Textteil in Normallettern mit Fettdrucküberschrift und Fettdruckumrandung sowie gesperrt geschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen, werden abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 65.564,40 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 8.427,40 S USt und 15.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 60.288 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 6.073 S USt und 23.850 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein Verein, zu dessen Mitgliedern Unternehmen zählen, die periodische Druckschriften herausgeben. Vereinszweck ist die Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder, unter anderem auch durch Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Kurier". In der Wien-Ausgabe des "Kurier" vom 14., 15., 16., 17., 18., 23., 24., 25., 28., 29. und 30. 10. 1996 war jeweils im Blattinnern auf der Regionalseite ein "Tipp des Tages" veröffentlicht, mit dem für eine Veranstaltung aus dem Bereich Kleinkunst (Kabarett, Kellertheater) geworben wurde. Gleichzeitig wurde ein Gewinnspiel veranstaltet, bei dem täglich zwischen zwei und sechs Freikarten zu gewinnen waren. Gewonnen hat, wer zuerst anrief; die angegebene Telefonnummer war jeweils um 9.00 Uhr anzurufen.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr in der Tageszeitung "Kurier" die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel und/oder deren Ankündigung zu unterlassen, wenn der Eindruck erweckt wird, dass der Erwerb des "Kurier" zur Teilnahme am Gewinnspiel notwendig oder zumindest förderlich sei, insbesondere den "Tipp des Tages", bei dem die ersten Anrufer Freikarten für Veranstaltungen erhalten, und durch die tägliche oder durch wiederkehrende Veröffentlichung des Gewinnspiels ein Anreiz zum Kauf des "Kurier" dadurch ausgeübt wird, dass der Eindruck vermittelt wird, es würden auch in künftigen Ausgaben Gewinnspiele veröffentlicht. Der Kläger begehrt weiters, ihn zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen. Die Häufigkeit und Regelmäßigkeit des Gewinnspiels lasse weitere Gewinnspiele erwarten. Der Erwerb des "Kurier" sei für die Teilnahme am Gewinnspiel notwendig oder förderlich. Der Interessent erfahre erst dadurch, welche Karten zu gewinnen seien.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Eine Karte kosten zwischen 100 S und 300 S; täglich seien nicht mehr als sechs Karten zu gewinnen gewesen. Die Aktion sei nicht geeignet gewesen, Werbe- oder Lockmittel zu sein. Sie habe nur einen sehr begrenzten Personenkreis angesprochen, der gegenüber der Gesamtzahl der Leser nicht ins Gewicht falle. Pro Tag hätten weit weniger als 50 Personen angerufen. Die Teilnahme am Gewinnspiel habe einen Erwerb des "Kurier" nicht vorausgesetzt.

Im Provisorialverfahren wies das Erstgericht den mit dem Hauptunterlassungsbegehren inhaltsgleichen Sicherungsantrag ab; das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten wies der Oberste Gerichtshof mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück (4 Ob 379/97g).

Im Hauptverfahren gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hielt es fest, nicht feststellen zu können, dass die Aktion "Tipp des Tages" ungeeignet war, das angesprochene Publikum in seinem Entschluss zum Erwerb des "Kurier" zu beeinflussen. Die Menge der Personen, die in der beanstandeten Ankündigung einen Anreiz zum Kauf gefunden haben, sei im Hinblick auf die gesamte Leserschaft des "Kurier" allerdings sehr gering. Die Tageszeitung "Kurier" habe durch die Aktion jedenfalls nicht mehr als 1/10 % an Reichweite dazugewonnen. Die Aktion "Tipp des Tages" habe kulturinteressierte Personen angesprochen, die nicht zu den Stammlesern gehörten. Die Annahme, jemand hätte angerufen, ohne den "Tipp des Tages" zu kennen, sei lebensfremd. Insgesamt sei der Eindruck entstanden, dass es sich lohne, den "Kurier" zu kaufen und den "Tipp des Tages" zu lesen, da dort "immer etwas zu gewinnen ist". Manchen Lesern werde auch aufgefallen sein, dass verschiedene Telefonnummern angegeben waren. Die Preise seien durchaus attraktiv gewesen. Bei einigen der empfohlenen Veranstaltungen seien Karten am Tag der Veranstaltung nur schwer erhältlich.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Aktion sei durchaus geeignet gewesen, einen Anreiz zum Kauf des "Kurier" auszuüben. Es sei nicht anzunehmen, dass Interessenten die angegebene Telefonnummer angerufen haben, ohne zu wissen, für welche Veranstaltung Karten zu gewinnen sind.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil sich - was der Kläger übersieht - die Sachverhaltsgrundlage gegenüber dem Provisorialverfahren geändert hat und sich die Rechtsprechung bisher nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob die Ankündigung eines Gewinnspiels auch dann gegen § 9a UWG verstößt, wenn es (lediglich) dazu geeignet ist, eine nur sehr geringe Nachfrageverlagerung zu bewirken; die Revision ist auch berechtigt.

1. Zum Nichtigkeitseinwand

Nach Meinung der Beklagten sei die angefochtene Entscheidung im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig, weil sich das Berufungsgericht nicht mit ihren Einwänden gegen die Fassung des Unterlassungsbegehrens auseinandergesetzt habe.

Damit hat die Beklagte den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nicht einmal schlüssig behauptet. Nach dieser Gesetzesstelle ist eine Entscheidung nur nichtig, wenn sie gar nicht oder nur so unzureichend begründet ist, dass sie nicht überprüft werden kann (Kodek in Rechberger, ZPO § 477 Rz 12 mwN). Hat sich das Gericht - wie von der Beklagten behauptet - (bloß) mit einzelnen Einwendungen nicht auseinandergesetzt, so kann die Entscheidung trotzdem überprüft werden und ist daher auch nicht nichtig.

2. Zur Rechtsrüge

Die Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel fällt unter § 9a Abs 1 Z 1 UWG (ua ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens); die Ausnahme des § 9a Abs 2 Z 8 UWG gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken (§ 9a Abs 2 letzter Satz UWG). Nach § 9a Abs 1 Z 1 zweiter Fall UWG kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt. Die in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel bestehende Zugabe muss - wie jede Zugabe - nach ständiger Rechtsprechung mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, dass sie objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluss zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen; sie muss also Werbe- oder Lockmittel sein (ÖBl 1992, 226 - Verführerschein; ÖBl 1993, 24 - Welt des Wohnens mwN). Das setzt einerseits voraus, dass in den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck entsteht, die Teilnahme am Gewinnspiel sei vom Warenbezug abhängig, anderseits muss das Gewinnspiel attraktiv genug sein, um zum Warenkauf zu verlocken.

Der Eindruck der Abhängigkeit vom Warenbezug kann durch eine Gewinnspielankündigung auf dem Titelblatt oder dadurch entstehen, dass die Teilnahmebedingungen eines nur im Blattinnern angekündigten Gewinnspiels es nahelegen, weitere Exemplare derselben Zeitung zu kaufen. Zugaben können aber nicht nur ausdrücklich angeboten oder angekündigt werden, sondern auch schlüssig. In diesem Sinn hat die Entscheidung ÖBl 1994, 160 - Bub oder Mädel II ausgesprochen, dass das regelmäßige Wiederholen eines - auf der Titelseite nicht angekündigten - Zeitungsgewinnspiels als Verstoß gegen § 9a UWG zu werten ist, weil durch die Aufeinanderfolge von Gewinnspielen in den angesprochenen Verkehrskreisen der sichere Eindruck erweckt wird, dass auch in künftigen Ausgaben der Zeitung wieder ein (neues) Gewinnspiel enthalten sein werde oder die Gewinnspielserie fortgesetzt werden werde (s auch ÖBl 1997, 286 - Krone Aktion).

Der Qualifikation als Verstoß gegen § 9a UWG soll nach Auffassung der Beklagten entgegenstehen, dass der "sichere" Eindruck nicht absolut sicher ist und der Interessent künftige Zeitungsausgaben kauft, obwohl keine absolute Gewähr besteht, darin das ihn interessierende Gewinnspiel zu finden. Fortlaufende Gewinnspiele dienten der allgemeinen Verkaufsförderung; sie seien keine Zugaben nach § 9a UWG, weil der notwendige Zusammenhang zwischen Hauptware und Zugabe nicht nachträglich in Umkehrung der Kausalfolge hergestellt werden könne.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Interessent jedenfalls auch diejenigen Zeitungsausgaben, in denen tatsächlich wieder ein Gewinnspiel angekündigt wird, deshalb kauft, weil er an dem Gewinnspiel teilnehmen will. Dieser Zusammenhang zwischen Hauptware und Zugabe besteht schon vor dem Kauf; er wird nicht nachträglich hergestellt. Dass der Interessent nicht absolut sicher weiß, ob die Ausgabe eine Gewinnspielankündigung enthält und ihm naturgemäß auch die näheren Bestimmungen nicht bekannt sind, vermag nichts daran zu ändern, dass seine Absicht, an einem (allfälligen) Gewinnspiel teilzunehmen, ausschlaggebend für den Kauf ist. Sie führt sogar dazu, dass auch Ausgaben gekauft werden, die keine Gewinnspielankündigungen enthalten und die nicht gekauft worden wären, kündigte das Zeitungsunternehmen die Gewinnspiele nicht bloß im Blattinnern, sondern auf dem Titelblatt an. Insoweit mag die Häufung von Gewinnspielen sogar wirkungsvoller sein, als die Ankündigung eines konkreten Gewinnspiels auf der Titelseite, die nur zum Kauf der jeweiligen Ausgabe veranlasst. Durch eine Gewinnspielserie kann nämlich ein Anreiz geschaffen werden, die Zeitung ständig zu erwerben, weil die Leser damit rechnen, dass immer wieder Gewinnspiele stattfinden (ÖBl 1997, 287 - Krone Aktion).

Dass die Aufeinanderfolge von Gewinnspielen geeignet ist, den sicheren Eindruck entstehen zu lassen, auch zukünftige Ausgaben würden Gewinnspielankündigungen enthalten, ist als anspruchsbegründende Tatsache immer vom Kläger zu beweisen. Das gilt unabhängig davon, ob Gewinnspielserien nach § 1 UWG oder nach § 9a UWG beurteilt werden.

Die Beklagte meint, dass bei einer Gewinnspielserie - weil sie nach § 1 UWG zu beurteilen sei - der Kläger deren Eignung beweisen müsse, den Kaufentschluss zu beeinflussen, während diese Eignung bei einem nach § 9a UWG zu beurteilenden Gewinnspiel zu vermuten sei. Diese Differenzierung überzeugt jedoch nicht: Wenn fortlaufende Gewinnspiele den sicheren Eindruck erwecken, die Serie werde fortgesetzt, so ist ihre Eignung, den Kaufentschluss zu beeinflussen, grundsätzlich ebenso zu vermuten wie bei einem Gewinnspiel, das auf dem Titelblatt angekündigt wird. Wie jemand auf das Gewinnspiel aufmerksam geworden ist, ob durch eine Ankündigung auf dem Titelblatt oder durch die Aufeinanderfolge von Gewinnspielen, ist ohne Bedeutung, wenn es darum geht, die Eignung der (ausdrücklichen oder schlüssigen) Gewinnspielankündigung zu beurteilen, den Kaufentschluss zu beeinflussen.

Ob ein Gewinnspiel geeignet ist, den Kaufentschluss zu beeinflussen, hängt von seiner Attraktivität ab, die wiederum von verschiedenen Faktoren bestimmt wird. In erster Linie sind die ausgespielten Gewinne maßgebend; je "wertvoller" der Gewinn, desto interessanter die Teilnahme. Die Anziehungskraft des Gewinns bestimmt nicht nur dessen materieller Wert, sondern auch ein allfälliger ideeller Wert und auch das Ausmaß der Mühe, die sonst mit dem Erwerb der als Gewinn ausgespielten Sache verbunden ist. Die Größe der Gewinnchance ist demgegenüber von geringerer Bedeutung, was sich darin zeigt, dass - unabhängig von der Wahrscheinlichkeit des Gewinns - umso mehr Personen an einem Gewinnspiel teilnehmen, je wertvoller der Gewinn ist. Das Gewinnspiel ist auch umso attraktiver, je besser die ausgespielten Preise den Interessen der jeweils angesprochenen Verkehrskreise entsprechen. Eine Rolle spielt auch, wie hoch der Kaufpreis der zu erwerbenden Ware des Veranstalters ist, die Art und Verwendbarkeit dieser Ware und der mit ihrem Erwerb verbundene Aufwand (s 4 Ob 42/98z; 4 Ob 28/99t).

Hingegen ist grundsätzlich nicht von Bedeutung, wie viele Personen tatsächlich am Gewinnspiel teilgenommen haben. Die Zahl der Teilnehmer kann aber gewisse Rückschlüsse auf die Eignung des Gewinnspiels zulassen, zum Kauf der Zeitung zu verlocken. Dies lässt Schuhmacher (Anm zu WBl 1991, 362 - Luftbilderrätsel) unberücksichtigt, wenn er meint, dass es auf den tatsächlichen Erfolg des Gewinnspiels nicht ankomme, weil dieser den Gesamtcharakter des Spiels nicht ändere.

Da die Attraktivität in erster Linie von den ausgespielten Gewinnen bestimmt wird, wird ein Gewinnspiel den Kaufentschluss regelmäßig nur beeinflussen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise wissen, welche Preise sie erwarten. Bei einer Ankündigung auf dem Titelblatt wird (werden) regelmäßig der (die) Gewinn(e) herausgestrichen; wer sie liest und damit auf das Gewinnspiel aufmerksam wird, weiß daher, was er gewinnen kann. Diese Gewissheit fehlt in der Regel bei fortlaufenden Gewinnspielen, soweit es sich nicht - wie in dem der Entscheidung ÖBl 1994, 160 - Bub oder Mädel II zugrunde liegenden Fall - um eine Serie gleich gestalteter Gewinnspiele handelt. Die fehlende Gewissheit muss aber die Attraktivität nicht ausschließen, was insbesondere für den Fall gilt, dass zwar verschiedene Gewinnspiele veranstaltet werden, sie jedoch gemeinsam haben, dass durchwegs wertvolle Gewinne ausgespielt werden (s ÖBl 1997, 286 - Krone Aktion). Ist hingegen völlig offen, welche Preise bei künftigen Gewinnspielen ausgespielt werden, und kann der Teilnehmer auch nicht damit rechnen, dass der Preis für ihn jedenfalls interessant sein werde, so wird die Attraktivität des Gewinnspiels zu verneinen sein (so 4 Ob 35/97v bei einem "im Dunkeln liegenden Gewinn").

Kann aber bei einem fortlaufenden Gewinnspiel damit gerechnet werden, dass bei künftigen Gewinnspielen gleiche oder jedenfalls gleichwertige Preise ausgespielt werden, so ist - wenn die "sichere" Erwartung auch keine absolute Sicherheit bedeutet - deren Attraktivität grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als bei auf dem Titelblatt angekündigten Gewinnspielen. Die - gegenüber einer Ankündigung auf dem Titelblatt - etwas geringere Gewissheit, in der Zeitung auch tatsächlich wieder eine Gewinnspielankündigung vorzufinden, muss nicht durch eine höhere Attraktivität des ausgespielten Gewinns wettgemacht werden, weil für eine Zeitung nur ein vergleichsweise geringer Betrag aufzuwenden ist und die Alternative in der Regel nicht im Verzicht auf eine Zeitung, sondern im Erwerb einer anderen Zeitung besteht. Wer an Gewinnspielen interessiert ist, wird sich für eine Zeitung entscheiden, bei der er mit weiteren Gewinnspielankündigungen rechnen kann, auch wenn er dazwischen immer wieder Ausgaben erwirbt, in denen kein Gewinnspiel angekündigt wird.

Der Anlockeffekt braucht jedenfalls in keinem Fall übertrieben zu sein; für die Wertung als Zugabe im Sinne des § 9a Abs 1 Z 1 UWG genügt es, dass ein - wie noch ausgeführt wird, nicht ganz unerheblicher - Anlockeffekt ausgeübt wird. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung ÖBl 1990, 111 - VN-Leser-Hitparade spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Sie betrifft ein Leistungs-(Marktforschungs-)Preisausschreiben; ein solches Preisausschreiben ist grundsätzlich zulässig, wenn nicht besondere Umstände, wie übertriebenes Anlocken, hinzutreten. Aus dieser Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass ein (fortlaufendes) Gewinnspiel nur dann wettbewerbswidrig wäre, wenn es ein übertriebenes Anlocken bewirkte.

Die Frage, ob ein Gewinnspiel geeignet ist, den Kaufentschluss zu beeinflussen, ist, ebenso wie die Beurteilung der Wirkung einer Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise (ua ÖBl 1992, 114 - Prioflor) oder die Beurteilung der Verwechslungsgefahr (ÖBl 1985, 105

= RdW 1985, 108 = PBl 1985, 178 = GRURInt 1986, 132 - C & A),

regelmäßig eine Rechtsfrage (ecolex 1992, 569 = ÖBl 1992, 174 -

Kinder-Krimis). Wenn aber die Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ausreichen und dem Richter die notwendige Sachkenntnis fehlt, sind Beweise aufzunehmen. Den Parteien steht es auch immer frei - wie es hier die Beklagte getan hat (AS 117) - selbst Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen oder den Beweis der Unrichtigkeit von Erfahrungssätzen anzutreten (ÖBl 1992, 114 - Prioflor; MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitäts-Zeitung; ÖBl 1998, 41 - Inserate-Kombischaltung mwN).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, so ist zuerst festzuhalten, dass die Beklagte durch die regelmäßige Aufeinanderfolge von Gewinnspielen den sicheren Eindruck entstehen ließ, auch in Folgeausgaben des "Kurier" werde ein "Tipp des Tages" mit Gewinnmöglichkeit enthalten sein. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob das Gewinnspiel auch geeignet war, den Kaufentschluss zu beeinflussen.

Das Erstgericht hat im Hauptverfahren auf Grund des Vorbringens der Beklagten zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt und festgehalten, nicht feststellen zu können, dass die Aktion "Tipp des Tages" ungeeignet war, das angesprochene Publikum in seinem Entschluss zum Erwerb des "Kurier" zu beeinflussen. Die Zahl der Personen, die wegen des Gewinnspiels den "Kurier" gekauft haben, sei jedoch, bezogen auf die Gesamtleserzahl des "Kurier", sehr gering. Die Zeitung habe durch die Aktion jedenfalls nicht mehr als ein Zehntelprozent an Reichweite dazugewonnen.

Wie sich aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung ergibt, hat das Erstgericht mit seiner "Negativfeststellung" kein non liquet aussprechen, sondern ausdrücken wollen, dass die Aktion - entgegen der Behauptung der Beklagten - nicht ungeeignet war, den Kaufentschluss zu beeinflussen. In diesem Sinn hat das Berufungsgericht die Feststellung auch aufgefasst; der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist daher nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat demnach, ebenso wie das Berufungsgericht, angenommen, dass die Eignung eines Gewinnspiels, eine auch nur sehr geringe Nachfrageverlagerung herbeizuführen, ausreiche, um seinen Anlockeffekt zu bejahen. Gegen diese Auffassung spricht, dass die Wettbewerbswidrigkeit einer Werbung nicht völlig losgelöst davon beurteilt werden kann, in welchem Ausmaß sie den Wettbewerb beeinflusst. So ist eine Angabe nur dann irreführend im Sinne des § 2 UWG, wenn ihr ein nicht ganz unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise etwas Unrichtiges entnimmt (ÖBl 1974, 110 - ABC-Buchklub; RdW 1993, 76; s auch EuGH Slg 1992 I - 131 - Nissan, wonach die irreführende Angabe geeignet sein muss, eine "erhebliche Zahl von Verbrauchern" irrezuführen).

Auch im Bereich der Wertreklame kann es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sein, gegen jede auch noch so geringe Nachfrageverlagerung durch unsachliche Beeinflussung vorzugehen. Auch hier wird eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung vorliegen müssen, damit ein Werbe- und Lockmittel angenommen werden kann, wie es durch § 9a Abs 1 UWG verboten ist. Die Eignung zu einer nur sehr geringen Nachfrageverlagerung, wie sie das Erstgericht im vorliegenden Fall festgestellt hat und wie sie auch Gegenstand der Entscheidung ecolex 1991, 547 = ÖBl 1991, 263 = WBl 1991, 362 (Schuhmacher) - Luftbilderrätsel war, reicht daher für einen Verstoß gegen § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht aus. Daraus folgt, dass das von der Beklagten veranstaltete "Tipp des Tages"-Gewinnspiel keine unzulässige Zugabe im Sinne des § 9a Abs 1 UWG ist.

Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob - wie die Beklagte geltend macht - seit der Entscheidung des EuGH vom 26. 6. 1997 Slg I 1997/135 - Laura (MR 1997, 158 = ÖBl 1997, 229 = WBl 1997, 333) die Notwendigkeit des Zugabenverbots für die Medienvielfalt ganz allgemein zu prüfen ist, um eine Inländerdiskriminierung auszuschließen. Nicht einzugehen ist auch auf die Einwendungen der Beklagten gegen die Fassung des Unterlassungsgebots, weil das Klagebegehren ohnehin abzuweisen ist.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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