OGH 4Ob324/99x

OGH4Ob324/99x14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei TÜV Österreich (Technischer Überwachungs-Verein Österreich), *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei TÜV Bayern Landesgesellschaft Österreich GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 29. September 1999, GZ 2 R 185/99v-15, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 25. Mai 1999, GZ 15 Cg 75/99b-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 19.845 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 3.307,50 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig erklärt, dass zur Frage, ob unter "hiezu befugten Organen des Technischen Überwachungs-Vereins" im Sinne von § 109 Abs 6 ASchG nur Organe des klagenden TÜV Österreich (Technischer Überwachungs-Verein Österreich) zu verstehen sind oder auch Organe vergleichbarer Organisationen, insbesondere anderer technischer Überwachungsvereine, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe. Diese Frage war jedoch weder für die Entscheidung des Rekursgerichts maßgebend, noch hängt davon die Entscheidung im Revisionsrekursverfahren ab.

Das Rekursgericht hat den Sicherungsantrag mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte mit der Vornahme der in § 109 Abs 6 ASchG vorgesehenen Abnahmeprüfungen nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handle. Ihre Auffassung, dazu berechtigt zu sein, sei mit guten Gründen vertretbar. Die Beklagte habe aufgrund der Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 23. 1. 1996 davon ausgehen können, dass auch ihre Organe "hiezu befugte Organe des Technischen Überwachungs-Vereines" gemäß § 109 Abs 6 ASchG seien.

Rechtliche Beurteilung

Dies bestreitet der Kläger im Revisionsrekurs. Die Verwendung des bestimmten Artikels (des Technischen Überwachungs-Vereines) zeige, dass eine ganz konkrete Institution - nämlich der Kläger - gemeint sei. Die Beklagte sei auch kein Verein und könne schon deshalb nicht zum befugten Personenkreis zählen. Auf die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese nicht nur nicht näher begründet, sondern unvertretbar sei.

Dem Kläger ist zuzustimmen, dass es bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 1 UWG grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob und welche Auskünfte Behörden erteilt haben. Maßgebend ist, ob bei unterschiedlicher Auslegung der verletzten Norm die Auffassung des Beklagten über ihre Bedeutung durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund

vertreten werden kann (stRsp SZ 56/2 = EvBl 1983/49 = ÖBl 1983, 40 -

Metro-Post; ecolex 1994, 181 = ÖBl 1994, 17 - Contact; ÖBl 1996,145 =

WBl 1996, 501 - Forstpflanzen). Trifft dies zu, so ist der Gesetzesverstoß dem Beklagten subjektiv nicht vorwerfbar; eine Beurteilung seines Verhaltens als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist in einem solchen Fall ausgeschlossen.

Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung des § 109 Abs 6 ASchG, wonach "Abnahmeprüfungen und wiederkehrende Prüfungen von Ziviltechnikern des hiefür in Betracht kommenden Fachgebiets oder von fachkundigen Personen des Technischen Überwachungs-Vereins durchzuführen" sind. Der Kläger leitet aus der Verwendung des bestimmten Artikels in Verbindung mit "Technischen Überwachungs-Vereins" ab, dass er damit gemeint sei. Der Vereinsname des Klägers lautet aber "TÜV Österreich (Technischer Überwachungs-Verein Österreich)"; der vom Kläger gezogene Schluss ist daher keineswegs zwingend.

Ebenso vertretbar erscheint die Auffassung der Beklagten, dass "Technischer Überwachungs-Verein" im materiellen Sinn zu verstehen und damit eine - in welcher Rechtsform auch immer organisierte - Institution gemeint sei, die gleich einem Technischen Überwachungs-Verein tätig wird und deren Mitarbeiter die dafür notwendige Qualifikation besitzen. Nach dem festgestellten Sachverhalt sind die Mitarbeiter der Beklagten gleich qualifiziert wie diejenigen des Klägers.

Für eine Auslegung des Begriffs "Technischer Überwachungs-Verein" in diesem Sinn spricht der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung. Nur eine Interpretation, die die Befugnis zur Vornahme von Abnahmeprüfungen nicht auf die "fachkundigen Personen" des Klägers allein beschränkt, sondern auf gleich qualifizierte Mitarbeiter anderer Institutionen erstreckt, die als technische Überwachungs-Vereine tätig sind, ist mit dem in Art 2 StGG festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit im Sinne des Art 6 StGG vereinbar (s Mayer, B-VG**2, 463ff, 488ff). Da die Auffassung der Beklagten schon aus diesem Grund vertretbar erscheint, erübrigt es sich, auf die gemeinschaftsrechtlichen Erwägungen der Revisionsrekursbeantwortung einzugehen.

Offen bleiben kann auch, welche der beiden Auslegungsvarianten tatsächlich zutrifft. Der der Beklagten angelastete Verstoß gegen § 1 UWG war schon deshalb zu verneinen, weil ihre Auffassung als mit gutem Grund vertretbar erscheint. Da das Rekursgericht demnach im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung entschieden hat, war der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hingewiesen; ihre Revisionsrekursbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Stichworte