OGH 4Ob302/99m

OGH4Ob302/99m14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Franz Johann K*****, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 330.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. August 1999, GZ 6 R 54/99d-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Jänner 1999, GZ 29 Cg 208/97s-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, a) die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb einer Tankstelle mit angeschlossenem Tankstellen-Shop zu unterlassen, Tabakwaren, insbesondere Zigaretten und/oder Zigarillos, im Kleinhandel an Verbraucher abzugeben, solange nicht eine Bestellung zum Tabaktrafikanten gemäß dem Tabakmonopolgesetz - TabMG 1996, BGBl 1995/830 idgF vorliegt oder nicht die Voraussetzungen des § 40 TabMG 1996, BGBl 1995/830 idgF, über den Verkauf von Tabakerzeugnissen in Gaststätten eingehalten werden, insbesondere Zigaretten und/oder Zigarillos im unmittelbaren Kassenbereich des Tankstellen-Shops zu verkaufen, ohne zum Tabaktrafikanten bestellt zu sein;

b) der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den stattgebenden Teil des gesamten Urteilsspruchs und den Urteilskopf, samt vorangehender Überschrift "Im Namen der Republik" auf Kosten der beklagten Partei in einer Samstagsausgabe der Zeitschriften "Kleine Zeitung" und "Neue Kronen Zeitung", Ausgabe Kärnten, im Textteil, mit Normallettern, wie für redaktionelle Artikel verwendet, mit Fettumrandung, Fettdrucküberschrift und fett gedruckten Prozessparteien veröffentlichen zu lassen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 49.682,40 S (darin 8.280,40 S USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 60.288 S (darin 6.073 S USt und 23.850 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte führt in Klagenfurt eine E*****-Tankstelle mit angeschlossenem Tankstellen-Shop. Neben einer auf "Tankstellen" (iSd § 124 Z 21 GewO 1994) lautenden Gewerbeberechtigung besitzt der Beklagte auch eine auf Kleinhandel sowie "Verabreichung von Speisen- und Getränken im Umfange des § 143 Z 7 GewO 1994" eingeschränkte weitere Gewerbeberechtigung, in deren Rahmen er gelegentlich auch Tabakerzeugnisse verkauft; eine Bestellung des Beklagten zum Tabaktrafikanten iSd Tabakmonopolgesetzes 1996, BGBl 1995/830 (TabMG) ist hingegen nie erfolgt.

Dem klagenden Verband, dessen Zweck im Rahmen der Wahrung wirtschaftlicher Unternehmensinteressen auch der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gilt, gehören rund 400 Gremien, Innungen und Fachgruppen aller Wirtschaftsbranchen der Wirtschaftskammer, insbesondere auch das Landesgremium der Tabaktrafikanten der Wirtschaftskammer Kärnten an.

Der Kläger stellt - neben einem Begehren auf Urteilsveröffentlichung - folgendes Unterlassungsbegehren: Der Beklagte ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb einer Tankstelle mit angeschlossenem Tankstellen-Shop zu unterlassen, Tabakwaren, insbesondere Zigaretten und/oder Zigarillos, im Kleinhandel an Verbraucher abzugeben, solange nicht eine Bestellung zum Tabaktrafikanten gemäß dem Tabakmonopolgesetz - TabMG 1996, BGBl 1995/830 idgF vorliegt oder nicht die Voraussetzungen des § 40 TabMG 1996, BGBl 1995/830 idgF, über den Verkauf von Tabakerzeugnissen in Gaststätten eingehalten werden, insbesondere Zigaretten und/oder Zigarillos im unmittelbaren Kassenbereich des Tankstellen-Shops zu verkaufen, ohne zum Tabaktrafikanten bestellt zu sein. Der Beklagte sei weder zum Tabaktrafikanten bestellt, noch lägen die Voraussetzungen des § 40 TabMG (Verkauf von Tabakerzeugnissen in Gaststätten) vor, weil der vom Beklagten betriebene Tankstellenshop nicht den Charakter eines Gastgewerbebetriebs aufweise und der Beklagte Tabakerzeugnisse auch an Personen verkaufe, die nicht als Gäste iS dieser Norm zu beurteilen seien. Der Beklagte verstoße damit gegen gewerberechtliche Vorschriften und handle sittenwidrig gem § 1

UWG.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung wendet er ein, er verkaufe Tabakerzeugnisse nur innerhalb seiner Betriebsräume, die den Charakter eines Gastgewerbebetriebs in der Betriebsart "Tankstellenbuffet" aufwiesen, ausschließlich an Gäste; ein Verstoß gegen § 40 TabMG liege nicht vor. Diese Vorschrift sei im übrigen verfassungswidrig, weil sie das Recht auf Erwerbsfreiheit, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie - infolge ihrer unklaren Regelung - das Bestimmtheitsgebot verletze. Die vom Beklagten vertretene Auslegung dieser Bestimmung sei durch das Gesetz soweit gedeckt, dass sie mit gutem Grund vertreten werden könne; ihr stehe weder ein klarer Gesetzeswortlaut noch eine Rechtsprechung entgegen, weshalb dem Beklagten eine subjektiv vorwerfbare Missachtung der Rechtslage nicht vorzuwerfen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus: In Kärnten gibt es rund 80 selbständige Trafikanten, also Tabakfachgeschäfte, die ausschließlich Tabakwaren, Zeitungen und Glücksspiele (wie Brieflose) sowie Nebenartikel vertreiben. "Verbundene Tabakverkaufsstellen", also solche, die entweder mit einem Gastgewerbebetrieb oder einem Lebensmittelhandel, in wenigen Fällen auch mit einer Tankstelle, verbunden sind, gibt es in Kärnten etwa 720, und zwar zumeist in ländlichen Gebieten, in denen Volltrafikanten für sich alleine nicht bestehen können. In Kärnten gibt es weniger als zehn Tankstellen, die - ohne einen regulären (größeren) Gastwirtschaftsbetrieb angeschlossen zu haben - Tabakwaren als bestellte Tabaktrafikanten vertreiben dürfen; zu diesen zählt der Beklagte nicht. Der der Tankstelle des Beklagten angeschlossene Mini-Supermarkt ist ca 140 m2 groß; er ist mit Vitrinen und Regalen eingerichtet, in denen hauptsächlich Zeitungen und Lebensmittel angeboten werden. In einem etwa 4 x 3 m großen Eck dieses Raums befindet sich ein mit einem ladenartigen Unterbau versehenes massives Stehpult, welches Kunden der Tankstelle - sei es nach einem Tankvorgang, sei es ohne Zusammenhang mit einem solchen - zum Abstellen von im Geschäft des Beklagten erworbenen Waren (insbesondere Getränken und Speisen) dient. Dieses Stehpult wird zeitweise durch ein leichtes und mobiles Stehpult ergänzt, das teils im beschriebenen Eckbereich, teils auch vor dem Tankstellen-Shop im eigentlichen Tankbereich aufgestellt wird, wenn dort verschiedene Tankstellenaktionen laufen. Am massiven Stehpult ist ein Zeichen für "Rauchen verboten" angebracht. Der Beklagte verkauft warmen Leberkäse, heiße Würstchen sowie vorgefertigte Wurstsemmeln und Süßspeisen. Warme Getränke (Tee und Kaffee) werden als Automatengetränke abgegeben, im Geschäft sind darüber hinaus auch Bier und verschiedene alkoholfreie Getränke erhältlich. Im Bereich der Tankstellen-Kassa bietet der Beklagte vitrinenartig Tabakwaren an, die er an alle Interessenten verkauft, ohne danach zu unterscheiden, ob der Kunde auch Treibstoff erworben oder eine ausschließlich mit dem Tanken verbundene Nebentätigkeit (Luftdruckmessen, Scheibenwaschen, Ölkontrolle uä) durchgeführt hat oder ob er den Tankstellen-Shop nur zum Einkaufen oder zur Konsumation aufgesucht hat. Dem Beklagten ist dabei auch bewusst, dass mitunter Kunden, die ausschließlich tanken, den Laden betreten und Tabakwaren beziehen, ohne sich sonst im Schankbereich aufzuhalten und dort andere Waren des Beklagten zu konsumieren; der Beklagte läßt auch zu, dass Leute nur und ausschließlich des Zigarettenkaufs wegen seinen Betrieb aufsuchen. Sämtliche Waren, also sowohl Speisen und Getränke, als Treibstoffe und alle Waren aus dem Tankstellen-Shop inklusive Tabakwaren, werden an einer einzigen Kassa bezahlt. Die Tabakerzeugnisse bezieht der Beklagte von Trafikanten aus der Umgebung, von denen er abwechselnd die Waren telefonisch bestellt und tags darauf abholt. Nahezu sämtliche größere Tankstellen der Umgebung verkaufen ebenso wie der Beklagte in gleicher Weise Tabakwaren. Will ein Gast im Supermarktbereich rauchen, so untersagt ihm dies der Beklagte nicht generell; der Beklagte ist aber angesichts der angebotenen Speisen bestrebt, dass seine Kunden zum Rauchen tunlichst ins Freie gehen und fordert sie dazu mitunter auch ausdrücklich auf. Mit Schreiben vom 29. 5. 1996 hat der Kläger den Beklagten zum Unterlassen des uneingeschränkten Tabakwarenverkaufs aufgefordert, welches Ansinnen der Beklagte durch seinen Rechtsvertreter zurückgewiesen hat.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass beim Betrieb des Beklagten die im TabMG festgelegten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Abgabe von Tabakwaren nicht vorlägen. Die vom Beklagten vertretene Auslegung, sein Tankstellen-Shop habe den Charakter eines Buffetbetriebs, auch Personen, die reine Tankstellenleistungen in Anspruch nähmen, seien als "Gäste" zu beurteilen, finde im Gesetz keine ausreichende Stütze; sein Rechtsbruch sei ihm auch subjektiv vorwerfbar.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Berechtigung des Verkaufs von Tabakwaren im Rahmen der Ausübung der Nebenrechte des freien Gastgewerbes gem § 143 Z 7 GewO durch einen Tankstellenbetreiber fehle. § 40 TabMG regle zwar die Beschränkungen eines Zusatznebenrechts bei der Ausübung des Gastgewerbes, nicht aber den Antritt zur Gastgewerbetätigkeit selbst. Der Zugang zur Bestellung zum Tabaktrafikanten stehe grundsätzlich offen, wenngleich auch nur nach den Bestimmungen des TabMG. Bei Regelungen, die die (bloße) Gewerbeausübung beträfen, besäße der Gesetzgeber grundsätzlich einen größeren Gestaltungsspielraum als bei der Regelung des Antritts einer Erwerbstätigkeit. Der Grundsatz der Erwerbsfreiheit verpflichte den Staat nicht, jedem Staatsbürger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines von ihm (zusätzlich) gewünschten Erwerbszweigs zu schaffen; er normiere auch keinen Grundsatz der unbeschränkten "freien Marktwirtschaft". Es sei auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers, die Individualinteressen der Betreiber von Tankstellenbuffets zu fördern. Die Beschränkung des Einzelhandels mit Tabakerzeugnissen (Bestellungssystem zum Tabaktrafikanten) liege ebenso wie die nur unter eingeschränkten Auflagen zulässige Durchbrechung dieses Grundsatzes im Gastgewerbe auch im öffentlichen Interesse. Ein Konkurrenzschutz könne im Hinblick auf ein bestimmtes relevantes öffentliches Interesse durchaus ein adäquates und taugliches Mittel zur Zielerreichung sein. Die Regelung des § 40 Abs 3 TabMG (die Verpflichtung, im Rahmen des Gaststättennebengewerbes Tabakwaren zu Preisen zu verkaufen, die um 10 % über dem Trafikantenkleinverkaufspreis liegen, zuzüglich des im Gastgewerbebetrieb üblichen Bedienungszuschlages) könne den in § 24 TabMG normierten Gebietsschutz und die Sicherung des notwendigen Umsatzes der bestellten Tabaktrafikanten nicht gewährleisten. Andernfalls würde die zu erwartende zentrale Einkaufspolitik aller Tankstellen eines bestimmten Unternehmens möglicherweise den Manipulationsaufwand der Tankstelle, nicht aber jenen der Tabaktrafiken reduzieren, gleichzeitig aber zu erheblichen Verschiebungen der Marktverhältnisse und zu existenzgefährdenden Einstürzen der Umsätze der Tabaktrafiken im Einzugsgebiet der Tankstellen führen, ohne dass es zu einem Ausgleich des durch den zentralen Einkauf verzerrten Umsatzes komme. Eine allgemeine parallele Zigarettenvertriebsschiene über Tankstellen, soweit diese nicht auch im Bestellungssystem des TabMG integriert seien, beeinträchtige im hohen Maße das Gebietsschutzsystem. Das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsausübung zwinge den Gesetzgeber somit weder dazu, den Verkauf von gesundheitlich bedenklichen Produkten rund um die Uhr an Tankstellen zu ermöglichen, noch dazu, Tabaktrafikanten zu verpflichten, Raucher vom Kauf der Tabakerzeugnisse abzuhalten. § 40 TabMG habe ausschließlich den Sinn, Gästen eines Gastgewerbebetriebs die Möglichkeit zu eröffnen, während des Essens oder im Anschluss daran Tabakwaren zu konsumieren, um so dem gastrokulturellen Verhaltensmuster von Gästen entgegenzukommen. Dass keinesfalls an eine allgemeine zweite (subsidiäre) Vertriebsschiene für Tabakwaren bei Vorliegen einer Gastgewerbeberechtigung gedacht gewesen sei, zeige die Beschränkung des § 40 Abs 1 TabMG auf Inhaber bestimmter Gastgewerbeberechtigungen nach §§ 142 Abs 1 (gebundenes Gastgewerbe), 143 Z 6 (Schutzhütten), Z 7 (Würstelstände) und Z 8 GewO (Frühstückspensionen), bei diesen wiederum beschränkt auf die Einhaltung bestimmter Auflagen. Es könne dem Gesetzgeber nicht ernsthaft unterstellt werden, er habe eine parallele Vertriebsschiene für die Monopolwaren über Schutzhütten, Würstelstände und Frühstückspensionen einrichten wollen, wo die Voraussetzungen für tabaktrafikähnliche Sortimentierung, Bevorratung und Geschäftsräumlichkeiten nicht vorlägen. Ein Gast des Gastgewerbebetriebs sei (nur) eine Person, die den Gastgewerbebetrieb zum Zwecke der Konsumation der dort verabreichten Speisen und Getränke aufsuche, nicht aber jemand, der allgemein konsumbereit sei oder der den Supermarktbereich eines Tankstellen-Shops zum Zwecke des Einkaufs im Shop betrete. Die verschiedenen Betriebsformen eines Gastgewerbes wiesen bestimmte Charakterzüge auf. Gerade die weiteren in § 40 Abs 1 TabMG genannten Gastgewerbeberechtigungen belegten, dass an einen echten Gastgewerbebetrieb gedacht sei, wo die Betriebsräume, in denen gastgewerbliche Dienstleistungen erbracht würden, zweifellos den Charakter eines Gastgewerbebetriebes aufwiesen. Keinesfalls reiche es aus, bloß an die formelle Existenz einer bestimmten Gastgewerbeberechtigung anzuknüpfen. Die in offenbarer Umgehungsabsicht des Gesetzeszweckes versuchte Auslegung der grundsätzlich restriktiv zu beurteilenden Ausnahmebestimmung des § 40 TabMG durch den Beklagten könne somit nicht mit gutem Grund vertreten werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten unrichtig beurteilt haben; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Der Beklagte vertritt den Standpunkt, § 40 TabMG greife in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit und auf Gleichheit vor dem Gesetz ein. Der durch die Bestimmungen des TabMG geschaffene Gebiets- und Existenzschutz für Tabaktrafikanten wäre nur durch besonders wichtige öffentliche Interessen gerechtfertigt, welche zwar im Zusammenhang mit Vorsorgeleistungen für die Gesundheit durch Apotheken und mit medizinischen Leistungen, nicht aber bei der Versorgung der Bevölkerung mit Tabakwaren vorlägen. Ein im Tatsächlichen begründeter Unterschied zwischen Tabaktrafikanten und "verbundenen Tabakverkaufsstellen" einerseits und Tankstellenbuffet-Betreibern andererseits sei nicht ersichtlich, es sei daher unsachlich, letzterer Gruppe den Verkauf von Tabakwaren zu verbieten. Den Charakter einer Würstelbude weise das Tankstellenbuffet des Beklagten noch allemal auf; als "Gast" sei jede Person zu beurteilen, die das gemischt genutzte Lokal des Beklagten betrete, selbst wenn sie dort keine Speisen und Getränke konsumiere. Die Auslegung des § 40 TabMG durch den Beklagten sei zumindest vertretbar, weil sie weder dem Wortlaut des Gesetzes widerspreche, durch die von anderen Tankstellenbuffet-Betreiber und die von der Behörde (dem Bundesministerium für Finanzen) gehandhabte Praxis gedeckt sei und höchstgerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage nicht vorlägen. Dazu ist zu erwägen:

Sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handelt, wer als Mitbewerber bewusst in den gesetzlichen Vorbehaltsbereich einer fremden Gewerbeberechtigung eingreift, um so im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (stRsp ua ÖBl 1990, 7 - Rupertitag; ÖBl 1991, 67 - Bankfeiertag; ÖBl 1992, 120 - Plakatkampagne; ÖBl 1994, 17 - Contact; ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten). Nur eine auch subjektiv vorwerfbare Missachtung der Vorschriften der Gewerbeordnung würde es aber rechtfertigen, über die bloße Verantwortlichkeit nach der übertretenen Verwaltungsvorschrift hinaus auch eine unlautere, gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung iSd § 1 UWG anzunehmen. Dieser Grundsatz muß vor allem dort gelten, wo es um eine unterschiedliche Auslegung der angeblich verletzten Rechtsvorschrift geht. Bei der Prüfung der Frage, ob die Verletzung einer Vorschrift gegen § 1 UWG verstößt, kommt es vor allem darauf an, ob die Auffassung über den Umfang der Befugnisse durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Ist dies der Fall, so kann eine auf dieser Auslegung beruhende Tätigkeit nicht mehr als eine gegen das Anstandsgefühl der betroffenen Verkehrskreise

verstoßende Handlung angesehen werden (stRsp ua SZ 56/2 = EvBl

1983/49 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; WBl 1993, 264; ecolex 1994, 181 = ÖBl 1994, 17 - Contact; ÖBl 1996, 118 - Gleitschirmschule; WBl 1997, 260 - Ungarischer Zahnarzt). Zu prüfen ist demnach, ob die Rechtsauffassung des Beklagten im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung steht (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 33 Rz 94 mN in FN 292).

§ 40 Abs 1 und 2 TabMG lautet: (1) Inhaber einer Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gastgewerbes gemäß § 142 Abs 1 der Gewerbeordnung 1994 oder zur Ausübung der Tätigkeit gemäß § 143 Z 6, 7 oder 8 der Gewerbeordnung 1994, die keine mit diesen Gewerben in Verbindung stehende Tabaktrafik führen, sind berechtigt, Tabakerzeugnisse, die sie in einer Tabaktrafik zu den Kleinverkaufspreisen eingekauft haben, innerhalb ihrer Betriebsräume, einschließlich der Gastgärten, an ihre Gäste zu verkaufen; für den Verkauf können auch Automaten verwendet werden. Das gleiche gilt für die zur Ausübung des Buschenschankes im Sinne der Begriffsbestimmungen des § 2 Abs 9 der Gewerbeordnung 1994 Berechtigten für die Dauer des Ausschankes.

(2) Wird eine der im Abs 1 angeführten gastgewerblichen Tätigkeiten am selben Standort neben anderen Gewerben ausgeübt, so gilt Abs 1 nur, wenn die Betriebsräume, in denen die gastgewerblichen Dienstleistungen erbracht werden, den Charakter eines Gastgewerbebetriebes aufweisen.

§ 143 GewO lautet auszugsweise: Kein gebundenes Gewerbe gemäß § 124 Z 8 ist (...) 7. die Verabreichung von gebratenen, gegrillten oder gesottenen Würsten, gebratenem oder gegrilltem Fleisch (ausgenommen Innereien) von Rindern und Schweinen, gegrilltem Geflügel und Fisch, Pommes frites, Fleisch und Wurstsalaten, Fleisch und Wurstmayonnaisesalaten, Brotaufstrichen, belegten Brötchen, üblichen kalten Beigaben, wie Essiggemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck, in einfacher Art, und von vorverpackt angeliefertem Speiseeis sowie der Ausschank von Milchmischgetränken, anderen nichtalkoholischen kalten Getränken und Flaschenbier, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuß von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden. Die Beschränkung auf die Bereitstellung von nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen gilt nicht, wenn die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken in dem in dieser Ziffer festgelegten Umfang im Zusammenhang mit der Ausübung des Buschenschankes (§ 2 Abs 9) erfolgt (...).

Bei dieser Rechtslage widerspricht die Auffassung des Beklagten, er betreibe neben einer Tankstelle auch ein Tankstellen-Buffet, das den Charakter eines Gastgewerbebetriebs aufweise und ihn dazu berechtige, seinen Kunden auch Tabakwaren zu verkaufen, weder dem Wortlaut des Gesetzes noch einer offenkundigen Absicht des Gesetzgebers, zumal in der Rsp (Nachweise bei Kobzina/Hrdlicka, GewO3 § 145 E 5) das Tankstellenbuffet als eigene Betriebsform eines Gastgewerbebetriebs anerkannt ist. Höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 40 TabMG besteht nicht. Gerade der Vergleich zwischen einem Würstelstand, dessen Tätigkeit auszuüben dem Beklagten nach seiner Gewerbeberechtigung offensteht, und dem Betrieb des Beklagten läßt dessen Verständnis vom Umfang der ihm zustehenden Befugnisse durchaus vertretbar erscheinen: Auch ein Würstelstand verfügt regelmäßig über keine Sitzplätze, und seine Verkaufsfläche ist auf engsten Raum beschränkt. Berücksichtigt man, dass der Beklagte die gastgewerblichen Befugnisse des § 143 Z 7 GewO nur als Nebenrechte zu einem anderen Gewerbe ausübt, ist seine Auffassung, jede Person, die Leistungen seiner Tankstelle und/oder des angeschlossenen Tankstellen-Shops in Anspruch nehme, sei als "Gast" iSd § 40 Abs 2 TabMG zu beurteilen, jedenfalls soweit vom Gesetz gedeckt, dass daraus ein Unlauterkeitsvorwurf nicht abgeleitet werden kann.

Dazu kommt noch, dass der Beklagte ohnehin nur solche Tabakwaren verkauft, die er zuvor in einer Tabaktrafik zu den Kleinverkaufspreisen eingekauft hat; eine parallele Vertriebsschiene des Beklagten für Tabakwaren unter Umgehung der vom Kläger vertretenen Tabakeinzelhändler liegt insoweit nicht vor. Für die Tabaktrafikanten macht es aber keinen Unterschied, ob sie dieselbe Menge Tabakwaren zum selben Preis direkt an Letztverbraucher oder an den Beklagten (der die Tabakwaren in der Folge an Letztverbraucher weiterverkauft) abgeben; der behauptete Gesetzesverstoß ist somit in Ansehung der Umsätze des Tabakeinzelhandels wettbewerbsrechtlich neutral. Der Beklagte verschafft sich durch das beanstandete Handeln demnach auch keinen sittenwidrigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Tabaktrafikanten. Der Revision war deshalb Folge zu geben und das Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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