OGH 5Ob292/99y

OGH5Ob292/99y7.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin M***** Ges. m. b. H., ***** vertreten durch Dr. Alfred Strommer, Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Dr. Georg Karasek, Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Herma S*****, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Brigitte V*****, vertreten durch Dr. Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12 Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 1999, GZ 39 R 157/99y-14, womit der Teil-Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 1. Februar 1999, GZ 16 Msch 154/98b-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Teil-Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Mietrechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist seit 1988 Hauptmieterin eines Geschäftslokals im Haus *****, das den Antragsgegnerinnen gehört. Am 24. 4. 1998 beantragte sie bei der Schlichtungsstelle für den 15. und 16. Bezirk der Stadt Wien die Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses sowie der ihr verrechneten Betriebskosten; das Verfahren ist dann gemäß § 40 Abs 2 MRG gerichtsanhängig geworden.

Das beiderseitige Sachvorbringen ist hier nur insoweit von Belang, als die Antragsgegnerinnen die Verjährung des Mietzinsüberprüfungsanspruches einwendeten.

Das Erstgericht entschied vorerst nur über das Mietzinsüberprüfungsbegehren und wies dieses mit Teilsachbeschluss ab. Gemäß § 16 Abs 8 MRG hätte nämlich der Überprüfungsantrag spätestens am 23. 2. 1997 bei der Schlichtungsstelle eingebracht werden müssen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Hinweis auf die einschlägige Judikatur. Der Oberste Gerichtshof habe bereits wiederholt ausgesprochen, dass durch Art II Abschn II Z 5 des 3. WÄG, wonach rechtsunwirksame Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses rechtsunwirksam bleiben, lediglich die Sanierung alter Mietzinsvereinbarungen ausgeschlossen werden sollte. Eine "Weitergeltung" der alten Rechtslage sei daher auf jene Vorschriften zu beschränken, die für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung zu ihrem Abschlusszeitpunkt präjudiziell sind. Hinsichtlich sonstiger "Rechtsfolgen", wie etwa Verjährung und Präklusion, sei nach der grundsätzlichen Anordnung des Art II Abschn II Z 1 des 3. WÄG, wonach dessen Vorschriften auch für vor seinem Inkrafttreten abgeschlossene Miet- und Nutzungsverträge gelten, im Einklang mit dem allgemeinen Gedanken des Abs 6 KdmPat zum ABGB davon auszugehen, dass das neue Recht mit seinem Inkrafttreten ex nunc auch Altvereinbarungen erfasse. Nach Abs 6 KdmPat zum ABGB würden nämlich von einer Verkürzung der Verjährungs- bzw Präklusivfristen auch Rechte erfasst, die in der Zeit der Geltung des alten Rechts ihren Ursprung haben. Soll allerdings die Verjährung bzw die Präklusion auf Grund der neuen Vorschrift eintreten, beginne die Frist erst mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift zu laufen. Die dreijährige Frist des § 16 Abs 8 MRG habe demnach mit dem Inkrafttreten des 3. WÄG (1. 3. 1994) auch für alte Mietzinsvereinbarungen zu laufen begonnen. Hätte der Gesetzgeber alte Mietzinsvereinbarungen von der neuen Präklusivfrist ausnehmen wollen, so hätte er dies in Z 5 des Art II Abschn II ebenso ausdrücklich angeordnet, wie er es in Art II Abschn II Z 8 bezüglich der Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach § 27 Abs 3 MRG getan hat (vgl 5 Ob 94/98d = WoBl 1998/115 = immolex 1998/125; ebenso 5 Ob 137/98b ua).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs infolge Übereinstimmung der rekursgerichtlichen Rechtsansicht mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedoch nicht zulässig sei.

Die Antragstellerin hat gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluss fristgerecht ao Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben. Sie bekämpft sowohl den Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes als auch dessen rechtliche Beurteilung mit dem Hinweis auf die mit 1. 9. 1999 eingetretene neue Rechtslage. Der Gesetzgeber habe nämlich mittlerweile im Weg einer authentischen Interpretation klargestellt, dass die von den Vorinstanzen angewendete Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG (idF des 3. WÄG) für Mietzinsvereinbarungen, die vor dem 1. 3. 1994 abgeschlossen wurden, nicht gilt (§ 44 MRG idF des Art II Z 11 der WRN 1999, BGBl I Nr. 147). Beantragt wurde, die rekursgerichtliche Entscheidung aufzuheben und die Mietrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Den Antragsgegnerinnen wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und in ihren Revisionsrekursbeantwortungen die Zurück- bzw Abweisung des Rechtsmittels der Antragstellerin beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Gemäß § 44 MRG idF der Wohnrechtsnovelle 1999, BGBl I Nr. 147, gelten § 16 Abs 8 zweiter bis vierter Satz und § 26 Abs 3 zweiter und dritter Satz nicht für Mietzinsvereinbarungen, die vor dem 1. 3. 1994 geschlossen wurden. Diese Bestimmung ist am 1. 9. 1999 in Kraft getreten (Art IX Z 3 WRN). Mit ihr sollte die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung zu § 16 Abs 8 MRG (vgl RIS-Justiz RS0109837) entsprechend der seinerzeitigen Intention des Gesetzgebers des 3. WÄG korrigiert werden (AB 2056 BlgNR 20. GP 7).

Eine solche authentische Interpretation gibt dem neuen Gesetz rückwirkende Kraft (Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts10 I, 19 f; Posch in Schwimann2, Rz 1 zu § 8 ABGB). Die neue Regelung ist daher nach allgemeinen Grundsätzen auch auf Verfahren über die Zulässigkeit des Mietzinses anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1. 9. 1999 - wenn auch bereits in zweiter oder dritter Instanz - noch anhängig waren (Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechts- novelle 1999, WoBl 1999, 285 [298]). Damit kann die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG auf den vorliegenden Mietzinsüberprüfungsantrag nicht mehr angewendet werden (vgl 5 Ob 286/99s; 5 Ob 303/99s). Es ist, was bisher nicht geschehen ist, inhaltlich auf diesen Sachantrag einzugehen.

Aus diesem Grund war wie im Spruch zu entscheiden.

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