OGH 15Os122/99 (15Os127/99)

OGH15Os122/99 (15Os127/99)25.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mario F***** und Nima M***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 22. Juni 1999, GZ 9 Vr 11/99-127, sowie die (implizierten) Beschwerden gegen die gemäß § 494 Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschlüsse, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, der Angeklagten Mario F***** und Nima M***** und der Verteidiger Dr. Kollaritsch und Mag. Paul zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen und den (implizierten) Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurden Mario F***** und Nima M***** neben anderen Angeklagten, bezüglich derer das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, (A) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und Mario F***** (B I und II) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Sachbeschädigung nach §§ 125, 15 StGB, Nima M***** der Vergehen (B I) der versuchten Sachbeschädigung nach §§ 15, 125 StGB, (C) des Betruges nach § 146 StGB und (D) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

(A) mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen,

(I) Mario F***** und Nima M***** in der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner 1999 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) (gemeinsam mit Christian L***** und dem gesondert verfolgten Christian T*****), indem sie auf Burhan K***** einschlugen und ihm Kopfhörer der Marke Sony wegnahmen;

(A II) Mario F***** gemeinsam mit Christian L*****, Christian C***** sowie dem gesondert verfolgten Christian T***** und Mario J*****, indem sie auf zwei unbekannte Jugendliche einschlugen und ihnen ein Mobiltelefon wegnahmen;

(B I) in der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner 1999 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) mit weiteren im Spruch des Ersturteils namentlich angeführten Mittätern fremde Sachen vorsätzlich zu beschädigen versucht, indem sie aufgestellte Mistkübel herumwarfen und den vor einem Kaffeehaus aufgestellten Tischfußballautomaten umstießen sowie im Bereich des Lokals "Te*****" randalierten;

(B II) Mario F***** und der gesondert verfolgte Marco J***** eine fremde Sache vorsätzlich beschädigt, indem er auf einen Sitz der Linie 15A der Wiener Verkehrsbetriebe urinierte;

(C) Nima M***** und Christian L***** am 6. Jänner 1999 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Michael P***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die diesen am Vermögen schädigte, indem sie ein Taxi riefen und mit diesem mitfuhren, wobei sie wußten, daß sie die Fahrt nicht bezahlen würden;

(D) Nima M***** am 1. Dezember 1988 Dalibor P***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine Prellung der linken Wange erlitt.

Dagegen richten sich die getrennt ausgeführten, von beiden Angeklagten je auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO, vom Angeklagten F***** auch auf Z 9 lit a und b leg. cit. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die jedoch ihr Ziel verfehlen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F*****:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge zum Spruchfaktum A I (Z 5) hat das Erstgericht denkmöglich und schlüssig aus der Äußerung des Mitangeklagten T***** "Geld her" in Verbindung mit den sonstigen Tatmodalitäten auf einen generellen Zueignungsvorsatz aller Mittäter vermögenswerte Gegenstände betreffend geschlossen. Die Beschwerdeausführungen, die aus dem (Teil)Freispruch hinsichtlich eines in der Anklage weiters angelasteten Geldbetrages den mangelnden Bereicherungsvorsatz bei der Zueignung der Kopfhörer abzuleiten suchen, stellen sich ebenso als unzulässiger Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung dar wie die aktenfremde spekulative Schlußfolgerung, "es sei sozusagen passiert, daß die Kopfhörer zu Boden gefallen sind". Die Behauptung (inhaltlich Z 10), das Erstgericht habe festgestellt, daß durch das Einschlagen die Kopfhörer zu Boden fielen, somit rechtsirrig die Gewalt als Mittel zur Wegnahme angesehen, übergeht die Urteilsannahmen, wonach die Angeklagten auf das Opfer einschlugen, um den Kopfhörer wegzunehmen und sodann der durch diese Gewalthandlungen zu Boden gefallene Kopfhörer mit Bereicherungsvorsatz aufgehoben wurde (US 14 und 17).

Zum Faktum B I macht der Beschwerdeführer unter den Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend, der Vorsatz zur Sachbeschädigung sei nicht ausreichend festgestellt und begründet worden.

Hiezu hat das Schöffengericht festgestellt, die "Skinhead"-Gruppe sei nach Erdberg gefahren. Dort hätten deren Mitglieder, darunter auch der Angeklagte F***** randaliert, aufgestellte Mistkübel umgeworfen und einen Tischfußballautomaten umgestoßen. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei dabei jedoch kein konkreter Schaden eingetreten. Die Jugendlichen hätten aber jedenfalls bei ihrer Verhaltensweise in Kauf genommen, daß es zu Sachschäden hätte kommen können (US 15).

Bei Gesamtbetrachtung des Urteilssachverhaltes reichen nach Lage des besonderen Falles die Feststellungen zur subjektiven Tatseite für die Verwirklichung des Tatbestandes der versuchten Sachbeschädigung nach §§ 15, 125 StGB aus. Deren Ableitung aus dem auf das Geständnis des Nichtigkeitswerbers gestützten objektiven Sachverhalt ist nachvollziehbar und demnach mängelfrei. Insbesondere die Begriffe "Randalieren" und "In Kauf nehmen" enthalten nämlich im Zusammenhalt betrachtet bei den Tathandlungen "Umstoßen" und "Umwerfen" zumindest des Fußballautomaten sowohl die Wissens- als auch die Willenskomponente des für das Vergehen der Sachbeschädigung ausreichenden bedingten Vorsatzes nach § 5 Abs 1 StGB. Das Wort "randalieren" enthält nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in Verbindung mit der Verantwortung der Angeklagten jedenfalls auch den Willen, durch Lärm, Schimpfen, Drohen insbesondere auch Beschädigungen von Sachen und Angriffen gegen Personen Unruhe zu stiften. Sachbeschädigungen wurden daher von den "Randalierern" zur Erreichung ihres Zweckes nicht nur in Kauf genommen sondern auch gewollt, das heißt zumindest ernstlich für möglich gehalten, zumal ein "in Kauf nehmen" begriffs- notwendig bereits Elemente der Willenskomponente enthält (vgl die fallbezogene Entscheidung 11 Os 108/98 nv).

Somit liegt diesbezüglich weder ein formeller Begründungs- noch ein Feststellungsmangel vor.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit a, 9 lit b und Z 10) lassen eine gesetzmäßige Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes vermissen. Hiefür wird nämlich nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt gefordert, sondern auch der ausschließlich auf dieser Basis geführte Nachweis, daß dem Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes, sei es auch zufolge eines Feststellungsmangels, ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Dabei darf weder ein konstatierter Umstand übergangen noch die Entscheidungsgrundlage eigenmächtig erweitert werden. Zudem muß die Subsumtionsrüge jene Strafnorm konkretisieren, die nach ihrer Ansicht den Urteilssachverhalt qualifiziert.

In eben diese prozessualen Fehler verfällt die Beschwerde, indem sie

* beim Vorbringen zum Faktum B I, Randalieren sei keine Tathandlung der vorsätzlichen Sachbeschädigung, die weiteren Konstatierungen, wonach Mistkübel herum- (US 4) bzw umgeworfen (US 15) und ein Tischfußballgerät umgestoßen wurden, negiert,

* mit der Behauptung zum Spruchfaktum A I, zur Wegnahme der Kopfhörer sei kein Bereicherungsvorsatz festgestellt worden (Z 10), die Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit übergeht, wonach dem Opfer gewaltsam Vermögenswerte weggenommen werden sollten und der Angeklagte mit diesem Tatplan einverstanden war (US 14, 17 und 20) und erweist sich somit nicht als gesetzgemäß ausgeführt.

Der substratlos einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch ins Treffen führenden Rechtsrüge nach Z 9 lit b mangelt es an jeglicher Substantiierung, weshalb sie insoweit nicht erwiderungsfähig ist.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:

Einen Begründungsmangel (Z 5) zum Urteilsfaktum A I und D erblickt die Beschwerde in der Nichterörterung eines (laut Verantwortung des Angeklagten und Angaben des Zeugen P*****) beeinträchtigten Zustandes des Angeklagten infolge Alkoholisierung zu den Tatzeitpunkten; dies um eine Beurteilung seines Verhaltens "allenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 35 StGB" vornehmen zu können. Damit wird aber keine entscheidungswesentliche - das heißt eine für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder den anzuwendenden Strafsatz relevante - Tatsache, sondern nur eine für den Sanktionsausspruch im Rahmen der Berufung bedeutsame angesprochen und somit kein formeller Begründungsmangel geltend gemacht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich mit der Behauptung zum Faktum A I, der Angeklagte habe sich nicht an den Gewalthandlungen gegen den Geschädigten beteiligt, sondern "sei lediglich danebengestanden und habe die Kopfhörer an sich genommen", nicht an den Urteilsfeststellungen in der Gesamtheit, wonach der Angeklagte eingriffsbereit in Kenntnis des auf Wegnahme von Vermögenswerten mit Gewalt gerichteten Tatplanes danebenstand, als die Mitangeklagten F***** und L***** auf das Opfer einschlugen und dann die durch die Gewalthandlungen zu Boden gefallenen Kopfhörer an sich nahm (US 14). Sie erweist sich damit ebenfalls als nicht gesetzgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten F***** und M***** nach § 142 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG (und § 28 Abs 1 StGB) jeweils Freiheitsstrafen, und zwar über Mario F***** in der Dauer von fünfzehn Monaten und Nima M***** in der Dauer von siebzehn Monaten.

Dabei wertete es als erschwerend bei F***** und M***** das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die jeweils einschlägige Vorstrafe und den raschen Rückfall, bei M***** überdies die Delinquenz bei dem zum AZ 9 Vr 20/99 des Jugendgerichtshofs Wien anhängigen Strafverfahren, als mildernd bei beiden Angeklagten die teilweise geständigen Verantwortungen, dass es teilweise beim Versuch blieb und die äusserst ungünstigen Erziehungsverhältnisse.

Unter einem widerrief es gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die Mario F***** mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 21. Dezember 1998 zum AZ 7 Vr 536/98 bezüglich der dort verhängten zehnmonatigen Freiheitsstrafe eingeräumte teilbedingte Strafnachsicht; bei Nima M***** die zum Verfahren des Jugendgerichtshofes Wien zum AZ 7 Vr 536/98 gewährte bedingte Strafnachsicht einer neunmonatigen Freiheitsstrafe.

Hingegen sah es gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO von einem Widerruf der Nima M***** mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 27. April 1999 zum AZ 9 Vr 20/99 hinsichtlich eines (Zusatz)Strafteils von acht Monaten gewährten bedingten Strafnachsicht ab, verlängerte jedoch die Probezeit auf fünf Jahre.

Dagegen richten sich die Berufungen der Angeklagten Mario F***** und Nima M*****, mit der beide eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, M***** auch die Gewährung einer (teil-)bedingten Strafnachsicht, F***** zusätzlich das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht begehren.

Die Berufungen sind nicht im Recht.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungstatsachen im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und zutreffend gewürdigt, wohingegen die Angeklagten in ihren Berufungen weder zusätzliche Umstände mildernder Natur darzulegen vermögen noch Gründe für deren andere Gewichtung.

Entgegen dem Vorbringen des Angeklagten F***** hat das Erstgericht sowohl sein Geständnis als auch (ersichtlich) den (geringen) Wert der Raubbeute in seine Erwägungen miteinbezogen. Daß der Angeklagte "persönlich aus den Gegenständen keinen Vorteil gezogen hat", ist im Hinblick auf das Verbot der Bereicherung auch eines Dritten bedeutungslos.

Dem Einwand des Angeklagten M***** zuwider läßt sich der Milderungsgrund der besonders verlockenden Gelegenheit aus der Aktenlage nicht erschließen, war doch nach den Urteilsfeststellungen die gewaltsame Wegnahme von Vermögenswerten vorabgesprochen (US 14). Das Geständnis des Angeklagten zum Faktum B I wurde ohnedies als mildernd mitzugrunde gelegt.

Unter zutreffender Bewertung des Schuld- und Unrechtsgehaltes der von den Angeklagten verübten Straftaten kann - insbesondere im Hinblick auf die Wirkungslosigkeit bisheriger Verurteilungen wegen gleichartiger Delikte und der Aggravierung ihres die Unversehrtheit körperlicher Integrität anderer und fremden Eigentums in Frage stellenden Verhaltens - eine Milderung der Strafe, in welcher Art auch immer, genausowenig wie deren bedingte oder teilbedingte Nachsicht in Betracht gezogen werden.

Schließlich steht auch der erstgerichtliche Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsichten (bzw Verlängerung der Probezeit) mit dem Gesetz im Einklang, weswegen aus den in den Gründen des Ersturteils angeführten Erwägungen auch den Beschwerden der Angeklagten dagegen kein Erfolg beschieden sein konnte.

Nicht nachvollziehbar ist allerdings der Antrag des Beschwerdeführers M***** "nach § 288 a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten" (S 31 verso/III); denn der (der Sache nach damit relevierte) Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO (Entscheidung über einen Anklageeinspruch oder Versetzung in den Anklagestand durch ein unzuständiges Oberlandesgericht), auf den § 288a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Fall von vornherein nicht verwirklicht worden sein, weil gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft kein Einspruch ergriffen worden ist.

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