OGH 6Ob276/99b

OGH6Ob276/99b25.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Celine S*****, in Pflege und Erziehung der Mutter, Marietta S*****, über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 8. September 1999, GZ 21 R 326/99m-7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Lambach vom 11. August 1999, GZ 5 P 74/99s-2, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 19. 1. 1997 geborene Minderjährige hat die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie ist das uneheliche Kind der Marietta S***** und des in der Schweiz lebenden Peter R*****, der die Vaterschaft zum Kind am 7. 3. 1997 in der Schweiz anerkannt hat. Die Eltern haben am 10. 3. 1997 in der Schweiz einen von der dortigen Vormundschaftsbehörde genehmigten Unterhaltsvertrag geschlossen. Der Vater verpflichtete sich zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 650 sfr bis zum vollendeten 6. Lebensjahr des Kindes. Die Mutter beantragte einen Alimentenvorschuss, der von der Schweizer Fürsorgebehörde gemäß den §§ 14 ff des Schweizer Sozialhilfegesetzes vom 29. 3. 1984 mit 650 Franken rückwirkend ab 1. 8. 1998 festgesetzt wurde.

Der mit der Zustimmung der Mutter gemäß § 212 Abs 2 ABGB zum Unterhaltssachwalter bestellte Jugendwohlfahrtsträger (vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) beantragte am 11. 8. 1999 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von 5.481 S monatlich mit der Begründung, die Führung einer Exekution scheine aussichtslos, weil weder ein Drittschuldner, noch ein verwertbares Vermögen bekannt sei.

Das Erstgericht bewilligte den beantragten Unterhaltsvorschuss für die Zeit vom 1. 8. 1999 bis 31. 7. 2002.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge. Die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland sei zwar ein Indiz dafür, dass die Einbringlichkeit der zu bevorschussenden Unterhaltsforderung zweifelhaft sei, nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung werde aber bei Unterhaltsschuldnern in der Schweiz und in Deutschland angenommen, dass typischerweise keine erheblich größeren Schwierigkeiten zu erwarten seien als bei einer Exekutionsführung im Inland. Im vorliegenden Antrag seien keine begründeten Bedenken konkret behauptet worden, dass ein Exekutionsversuch im Ausland fehlschlagen könnte. Im Antrag des Kindes werde den Umständen, dass der unterhaltspflichtige Vater in der Schweiz lebe und dass im Ausland Exekution zu führen wäre, keine Bedeutung beigemesen. Es sei nicht dargetan worden, was unternommen worden sei, um einen allfälligen Drittschuldner ausfindig zu machen. Die Unterhaltssachwalterin könne im Wege der Amtshilfe mit den Einrichtungen in der Schweiz zusammenarbeiten, was möglicherweise ohnehin geschehen sei. Den Antragsbehauptungen könne nicht entnommen werden, warum eine Exekutionsführung im Ausland aussichtslos sein sollte. Auf Grund einer nachträglich eingelangten Erklärung der Mutter, wonach der Vater in der Schweiz derzeit keiner Beschäftigung nachgehe, ergäben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Vater eine Arbeitslosenunterstützung beziehe. Dann käme eine Bevorschussung des Unterhalts nicht in Betracht. Schließlich erscheine es fraglich, ob der laufende Unterhalt des Kindes nicht ohnedies durch die Inanspruchnahme von Schweizer Sozialhilfeleistungen gedeckt sei. Dann käme eine Unterhaltsvorschussgewährung wegen der unerwünschten Doppelalimentation nicht in Frage. Dem Erstgericht sei die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zur Ergänzung der Antragsbehauptungen in der Frage der Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung und der Alimentation des Kindes durch Dritte aufzutragen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zur Frage der Doppelversorgung eines Kindes mit ausländischen und inländischen Unterhaltsvorschüssen liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Mit seinem Rekurs beantragt der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz die Abänderung dahin, dass der Unterhaltsvorschussantrag des Kindes abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Umstand, dass der Unterhalt im Wege einer Exekutionsführung im Ausland hereingebracht werden müsste, führt noch nicht a priori zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. In der einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung wird zu diesem Thema folgende Auffassung vertreten:

Gemäß § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos scheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten läßt, nicht bekannt ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt, daß § 4 Z 1 UVG zwar die Notwendigkeit einer Exekutionsführung im Ausland als Beispiel einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung heraushebe, doch nicht zweifelhaft sein könne, dass die im Ausland notwendige Exekutionsführung gegen den Unterhaltsschuldner etwa dann nicht aussichtslos sei, aber auch nicht aussichtslos "scheine", wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt seien und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern auch durch die konkrete Behördenpraxis gewährleistet sei. § 4 Z 1 UVG könne - entgegen den vom objektiven Wortsinn dieser Gesetzesstelle nicht gedeckten Materialien (276 BlgNR 15.GP 8), die die vorstehenden Erwägungen außer Acht ließen - bei Bedachtnahme auf die Zielsetzungen des Unterhaltsvorschussgesetzes nur so verstanden werden, dass die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zwar naheliege, dass deshalb aber das Gericht nicht von jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthoben sei. Hätte der Gesetzgeber die Exekutionsführung im Ausland in jedem Fall einer aussichtslos scheinenden Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG gleichsetzen wollen, hätte er dies eindeutig - etwa in Form einer alternativen Aufzählung oder als Fiktion - zum Ausdruck bringen müssen (1 Ob 516/95 mwN; 2 Ob 2370/96k uva). Der Rekurswerber bezieht sich auf diese Rechtsprechung. Nach den Entscheidungen 6 Ob 648/90 und 6 Ob 620/91 könne bei einer Unterhaltsexekution in der Schweiz nicht von vorneherein eine Aussichtslosigkeit angenommen werden. Dieser Ansicht ist im Sinne der beiden zitierten Entscheidungen durchaus beizupflichten. Hingegen kann dem Rekurswerber dort nicht gefolgt werden, wo er unter Hinweis auf § 11 UVG davon ausgeht, dass der Vorschussantrag schon deshalb abzuweisen sei, weil das Kind seiner Behauptungs- und Nachweispflicht zum Thema der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nicht nachgekommen sei. Gemäß § 11 UVG sind die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung, soweit sie vom antragstellenden Kind nicht auf Grund der Vormundschafts- oder Pflegschaftsakten, durch Urkunden oder sonst auf einfache Weise nachgewiesen werden können, durch eine der Wahrheit entsprechende Erklärung des Vertreters (des Unterhaltssachwalters) glaubhaft zu machen. Diese Erklärung besteht hier im Antragsvorbringen "die Führung einer Exekution scheint aussichtslos, weil weder ein Drittschuldner, noch ein verwertbares Vermögen bekannt ist" (S 1 in ON 2). Die Erklärung umfasst rein grammatikalisch ausgelegt die Behauptung, dass ein Drittschuldner oder ein Vermögen weder im Inland noch im Ausland bekannt seien. Eine extensive Auslegung lässt aber auch eine schlüssige Behauptung dahin annehmen, dass der Unterhaltssachwalter entsprechende Ermittlungen vorgenommen hat. Da sich die Formulierung an den Gesetzeswortlaut des § 4 Z 1 UVG anlehnt, der auf das Fehlen eines Drittschuldners oder eines Vermögens im Inland abstellt, erachtete das Rekursgericht eine Ergänzung des Parteivorbringens für erforderlich. Diese Ansicht ist nicht zu beanstanden, weil das Rekursgericht aus dem Akteninhalt und durch diesen gedeckt Anhaltspunkte für eine mögliche Arbeitslosenunterstützung des Unterhaltsschuldners erkannte, die der Behauptung des gesetzlichen Vertreters über das Fehlen eines möglichen Drittschuldners entgegenstehen könnte. Wenn ein Drittschuldner existierte, wäre eine Vorschussgewährung im Sinne der Entscheidung 6 Ob 620/91 nicht möglich, es sei denn, die Aussichtslosigkeit eines Exekutionsversuchs im Ausland könnte konkret dargetan werden. Es liegt somit weder der Fall vor, dass das Kind die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung durch den Akteninhalt, Urkunden oder auf sonst einfache Weise nachgewiesen hätte, noch der Fall, dass die Erklärung des gesetzlichen Vertreters widerlegt wäre. Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers kann hier nicht von einem völligen Fehlen der Antragsbehauptungen über die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland ausgegangen werden, was nach einigen oberstgerichtlichen Entscheidungen schon einen Abweisungsgrund darstellen würde. Gegen die mit dem Aufhebungsbeschluss aufgetragene Verfahrensergänzung bestehen schon im Hinblick auf den im § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG normierten Untersuchungsgrundsatz zumindest dann keine Bedenken, wenn - wie hier - das Vorbringen zumindest nach dem Wortlaut der Erklärung schlüssig ist (kein Drittschuldner im In- und Ausland), nach der Aktenlage aber Zweifel bestehen, die nur nach einer Ergänzung der Erklärung des gesetzlichen Vertreters und nach Durchführung entsprechender Erhebungen ausgeräumt werden können. Es hieße die Behauptungslast des Kindes zu überspannen, wenn man in der Auslegungsbedürftigkeit der Erklärung schon einen Abweisungsgrund erblickte. Im Rahmen der Verfahrensergänzung wird allenfalls auch auf § 7 Abs 1 Z 1 UVG Bedacht zu nehmen sein.

Auf die vom Rekursgericht behandelte und für die Rekurszulässigkeit als maßgeblich erachtete Rechtsfrage einer allenfalls vorliegenden und deshalb unzulässigen Doppelversorgung des Kindes braucht im derzeitigen Verfahrensstadium, in dem noch keineswegs eine Auszahlung des ausländischen Alimentationsvorschusses feststeht, noch nicht eingegangen werden. Die Lösung dieser Rechtsfrage wäre derzeit rein hypothetischer Natur.

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