OGH 3Ob220/98v

OGH3Ob220/98v24.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe U*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Franz U*****, und 2. Irmgard U*****, vertreten durch Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl in Linz, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 29. Mai 1998, GZ 11 R 163/98m-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 11. Februar 1998, GZ 13 C 843/97i-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenkosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit einem Wohn/Geschäftsobjekt. Der Erstbeklagte ist der Sohn der Klägerin, die Zweitbeklagte deren Schwiegertochter. Die Beklagten bewohnen die im Erdgeschoß südlich gelegene Wohnung, bestehend aus Flur, kleinem Gang, Bad, WC, Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer, zwei Kinderzimmern und Büro im Ausmaß von ca 92 m**2 samt Zubehör.

Früher waren die Klägerin und ihr Ehegatte je zur Hälfte Eigentümer dieser Liegenschaft. In dem darauf befindlichen Gebäude waren einzelne Bestandobjekte vermietet. Die Klägerin bewohnte mit ihrer Familie eine Wohnung im ersten Stock. Der Erstbeklagte hatte in diesem Wohnungsverband ein eigenes Zimmer. Als im Jahr 1964 zufällig eine Wohnung im Erdgeschoß, bestehend aus drei Räumen der nun klagsgegenständlichen Wohnung frei wurde, stellten die Eltern dem damals 16jährigen Erstbeklagten, der noch zur Schule ging, diese unentgeltlich zum Wohnen zur Verfügung. Die Zweitbeklagte zog nach ihrer Verehelichung ebenfalls in diese Wohnung ein. Weil der Erstbeklagte ab 1970 ein eigenes Einkommen bezog, übernahm er sukzessive die Strom- und Gaskosten für Warmwasser und Heizung. Die übrigen Betriebskosten, wie Kanalgebühren und Grundsteuer, wurden weiterhin von seinen Eltern getragen.

Im Jahr 1970 ließen die Eltern des Erstbeklagten in ihrer Wohnung, in der Wohnung des Erstbeklagten und in der Nachbarwohnung eine Zentralheizungsanlage mit einem gemeinsamen Heizkessel installieren; der Erstbeklagte beteiligte sich daran nicht finanziell.

In den Jahren 1972 bis 1975 führten die Beklagten in der Wohnung auf eigene Kosten Umbauarbeiten durch. Sie erneuerten vier Fenster mit einem Kostenaufwand von S 32.000 bis S 34.000, richteten das Badezimmer und das WC mit einem Kostenaufwand von S 25.000 neu ein und erneuerten die Böden mit einem Kostenaufwand von etwa S 20.000. Diese Umbauarbeiten wurden mit Zustimmung der Eltern durchgeführt, wobei über eine allfällige Ablöse nicht gesprochen wurde. Da in dieser Zeit auch die Nachbarwohnung frei wurde und die Wohnverhältnisse auf Grund des Nachwuchses bereits beengt waren, überließen die Klägerin und ihr Gatte den Beklagten auch die drei Räume der Nachbarwohnung; diese Räume wurden in den Wohnungsverband eingegliedert.

Im Jahr 1986 vereinbarte der Erstbeklagte mit seinen Eltern, die Zentralheizungsanlage zu trennen und für jede Wohnung einen eigenen Heizkessel zu installieren. Die Kosten für die Trennung der Heizungsanlage und Installierung eines eigenen Heizkessels in Höhe von S 32.221,20 trug der Erstbeklagte.

Derzeit bewohnen die Beklagten die Wohnung gemeinsam mit ihren beiden 12 und 19 Jahre alten Kindern.

Im Jahr 1988 erhielt der Erstbeklagte von seinen Eltern ein Grundstück im Ausmaß von 923 m**2 geschenkt; ein verbücherungsfähiger Vertrag wurde errichtet.

In den 70iger Jahren wurde auch dem Bruder des Erstbeklagten in diesem Haus eine Wohnung zur Verfügung gestellt, wobei allen Beteiligten klar war, dass diese Wohnungsüberlassung nicht für alle Zeiten gelte und die Wohnung auf Verlangen der Eltern wieder zurückgestellt werden müsse. Desgleichen wurde dem Bruder des Erstbeklagten von seinen Eltern im Jahr 1995 ein Grundstück im Ausmaß von 4600 m**2 mit einer Baufläche laut Bebauungsplan im Ausmaß von 15 x 17 m geschenkt.

In den Jahren 1981 bis 1992 engagierte sich der Erstbeklagte intensiv in Behördenverfahren, um für die Liegenschaft, auf der sich die von ihm benützte Wohnung befindet, und für sein Grundstück eine öffentliche Zufahrt zu erwirken. Die genannte Liegenschaft verfügte nämlich über keinen direkten Anschluss an das öffentliche Gut. Diese Situation wurde durch die Auflassung eines Teiles der alten Straße (Grundstück 1969/5) als öffentliche Verkehrsfläche mit Beschluss des Gemeinderates vom 8. 10. 1962 herbeigeführt.

Wenn Not am Mann herrschte, war der Erstbeklagte auch behilflich, wenn es galt, auf dem Dach einzelne beschädigte oder fehlende Dachziegel zu ergänzen, Laub von Regenrinnen zu entfernen oder den Zufahrtsweg und den Parkplatz eines im Gebäude etablierten Betriebes nach starken Regenfällen auszubessern, solange dieser geschottert war.

Der Vater des Erstbeklagten errichtete ein Testament vom 22. 2. 1990 für den Fall, dass er gleichzeitig mit seiner Ehefrau (der Klägerin) oder nach dieser versterben sollte; darin setzte er seine beiden Söhne zu gleichen Teilen als Erben ein und vermachte dem Bruder des Erstbeklagten als Vorauslegat eine noch zu vermessende Bauparzelle aus seinem Grundbesitz, welche der dem Erstbeklagten im Jahr 1988 geschenkten Bauparzelle ungefähr gleichwertig sein sollte, weiters die lebenslängliche Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes an derzeit vermieteten Geschäftsräumlichkeiten mit einer Nutzfläche von rund 351 m**2. Die streitgegenständliche Wohnung wurde in diesem Testament nicht erwähnt.

Die Klägerin begehrt die Räumung der von den Beklagten genutzten Wohnung; es handle sich um eine prekaristische Gebrauchsüberlassung unter Familienmitgliedern, wobei eine Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung nicht bestehe. Der Erstbeklagte zeige seit dem Tod seines Vaters ein Verhalten, das die weitere Aufrechterhaltung dieses Nutzungsverhältnisses unzumutbar mache. Er könne sich nicht damit abfinden, dass sie (die Klägerin) als Testamentserbin eingesetzt wurde und verfolge seinen Pflichtteilsanspruch mit allem Nachdruck. Mit seinem Bruder sei es zum völligen Bruch gekommen. Sie habe ihre Enkelin aus ihrer (der Klägerin) Wohnung verweisen müssen, weil sie sie ständig beschimpft habe. Die Beklagten leisteten keine Hilfe im Rahmen der Hausinstandhaltung; sie bezahlten weder ein Entgelt für die Wohnungsnutzung noch Betriebskosten. Das Klagebegehren werde auch darauf gestützt, dass ein allenfalls bestehendes Rechtsverhältnis aus diesen wichtigen Gründen aufgelöst werde.

Die Beklagten wendeten ein, sie hätten Leistungen für die allgemeinen Teile des Hauses erbracht, ohne hiezu verpflichtet zu sein. Durch die mehrjährigen intensiven rechtlichen Beteiligungen an Verfahren und die vom Erstbeklagten veranlassten rechtlichen Schritte sei es gelungen, eine Zufahrt vom öffentlichen Gut zu erzwingen, sodass damit der Wert der Gesamtliegenschaft auf Grund der Rechtshandlungen und der Aktivitäten des Erstbeklagten gesteigert worden sei. Die Beklagten bezahlten zwar keine Miete; dies sei aber auf Grund der rechtlichen Verhältnisse nicht notwendig. Sie bezahlten allerdings Gas, Heizung und Strom sowie die persönlichen Betriebskosten selbst; zur Zahlung von Wasser- und Kanalgebühren sowie Grundsteuer seien sie nie aufgefordert worden; es habe eine gegenteilige Vereinbarung bestanden. Der Erstbeklagte habe bereits im Jahr 1964 die Wohnung von seinen Eltern mit den Worten übertragen erhalten, dass sie nun ihm gehöre. Es sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass damit die Wohnung in die ausschließliche und immerwährende Nutzungsberechtigung des Erstbeklagten, praktisch in sein Eigentum, übertragen werde.

Die Beklagten hätten für sich und ihre drei unversorgten Kinder keine andere Wohnmöglichkeit, weshalb schon deshalb, insbesondere aber auch unter Berücksichtigung der Gegenleistungen des Erstbeklagten, das Räumungsbegehren sittenwidrig sei, zumal die Klägerin die Wohnung für sich selbst nicht benötige.

Das Erstgericht gab der Räumungsklage statt; neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, dass es sich bei dem im Jahr 1988 dem Erstbeklagten geschenkten Grundstück um ein Baugrundstück gehandelt hat. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Arbeiten des Klägers das Maß der üblichen familiären Beistandspflicht überschritten hätten, ebenso nicht, mit welchen Worten dem Erstbeklagten die Wohnung überlassen wurde bzw dass die Klägerin und ihr Gatte dem Erstbeklagten daran ein lebenslängliches Wohnrecht einräumen wollten, geschweige denn die Übertragung in dessen Eigentum beabsichtigten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, Voraussetzung für das Zustandekommen eines (obligatorischen) Wohnungsrechts sei ein entsprechender Vertrag; auch ein konkludenter Vertragsabschluss setze voraus, dass beide Teile die Absicht haben, den Vertrag zu schließen. Konkludent könne nur eine Handlung gesetzt werden, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig lasse, am Vertragswillen der beteiligten Personen zu zweifeln.

Ein dem Familienverhältnis entspringender tatsächlicher Wohnzustand sei nicht nur dann anzunehmen, wenn aus dem Familienrechtsverhältnis eine Verpflichtung bestehe, anderen Familienangehörigen Wohnung zu geben. Es gebe nämlich zahlreiche aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen entspringende tatsächliche Benützungsgewährungen, die rechtlich durchsetzbar und jederzeit widerrufbar seien. Legten die konkreten Umstände des Falles zunächst einmal ein im Familienbereich wurzelndes Wohnverhältnis nahe, so sei es Sache des Benützers der Wohnung, konkrete Umstände darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, die einen unzweifelhaften Schluss auf die Annahme eines Rechtstitels zur Benützung der Wohnung zulassen. Auch wenn die Hauseigentümer durch viele Jahre die Benützung einer in ihrem Haus gelegenen Wohnung ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter gestatten, die eine Reihe von Investitionen vornehmen, setze das durchaus nicht zwingend eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Wohnungsbenützung voraus, sondern sei dies auch im Rahmen eines ungeregelten, sich aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis ergebenden tatsächlichen Zustandes denkbar. Die Absicht, ein Vertragsverhältnis zu begründen, müsste eindeutig und in einer unter Berücksichtigung aller Umstände jeden Zweifel ausschließenden Weise von den Parteien zum Ausdruck gebracht werden. Für eine schlüssige Einräumung von Benützungsrechten unter Familienangehörigen bedürfe es einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit des Verhaltens der Eigentümer. Selbst wenn ein Hauseigentümer durch Jahrzehnte dulde, dass ein Kind mit seinem Ehegatten im Haus lebe, Investitionen vornehme oder auch verschiedene Arbeiten leiste, die zur Erhaltung bzw Wertsteigerung des Hauses dienen, setze das nicht notwendig eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Benützung voraus; dies sei vielmehr auch im Rahmen eines ungeregelten, sich aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis ergebenden tatsächlichen Zustandes denkbar. Dies gelte sowohl, wenn diese Investitionen bzw Arbeitsleistungen in der Erwartung vorgenommen wurden, das gesamte Objekt späterhin zu erwerben, als auch, wenn dieser Aufwand in der irrigen Ansicht getätigt worden wäre, eine Rechtsstellung zur Wohnungsbenützung zu haben. Mangels familienrechtlicher Ansprüche (insbesondere Unterhaltsansprüche) des Benützers könne der über die Wohnung oder das Haus Verfügungsberechtigte das Wohnverhältnis jederzeit, letztlich daher durch Räumungsklage, beenden.

Wenngleich unter Familienangehörigen nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt werden könne, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall sei, könne im vorliegenden Fall eine Bindungsabsicht der Klägerin und ihres Gatten nicht als erwiesen angenommen werden. Dies umso mehr, als bei einseitig verbindlichen Geschäften im Zweifel anzunehmen sei, dass sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte (§ 915 ABGB). Gleiches gelte für die Behauptung, dem Erstbeklagten sei die Wohnung ins Eigentum übertragen worden.

Die Räumungsklage verstoße auch grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten.

Da die Umstände des vorliegenden Falls ein im Angehörigenverhältnis wurzelndes Wohnverhältnis nahelegten, ein solches jedoch keine Rechtsstellung gewähre, die einen Anspruch auf Sachinhabung gebe, liege kein Ersitzungsbesitz vor.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit und gab deren Berufung im übrigen nicht Folge; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil von den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen worden sei und im übrigen die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend gewesen seien. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein dem Familienverhältnis entspringender tatsächlicher Wohnzustand sei nicht nur dann anzunehmen, wenn aus dem Familienrechtsverhältnis eine Verpflichtung entstehe, anderen Familienangehörigen Wohnung zu geben. Es sei völlig irrelevant, ob hier eine eigenständige abgegrenzte Wohnung vorliege. Ebensowenig könnten die Beklagten etwas daraus gewinnen, dass sie ihre Strom- und Gasrechnungen selbst bezahlten. Auch darin sei vielmehr ein Indiz für ein typisch familienrechtliches Benützungsverhältnis zu erblicken. Die Beklagten hätten damit aber auch nur einen Teil der Betriebskosten getragen, hätten sie doch unstrittigerweise weitere Gebühren, wie Grundsteuer und Kanalgebühren, nicht übernommen. Für die Gebrauchsüberlassung sei gar kein Entgelt vereinbart worden. Die Vereinbarung der Mittragung der Betriebs- und Verwaltungskosten stehe aber der Annahme eines bloßen familiären Benützungsverhältnisses nicht entgegen.

Keinesfalls sei es unter nahen Angehörigen ungewöhnlich, dass derjenige, der die betreffende Wohnung im Rahmen des Familienkreises nutzen darf, dafür auch Investitionen erbringt und Umbauarbeiten vornimmt. Angesichts des langen Zeitraums der Nutzung durch die Beklagten erschienen die von ihnen hiezu aufgebrachten Beträge auch nicht so ungewöhnlich, dass daraus zwingend der Schluss auf ein Vertragsverhältnis zur Benützung der Wohnung gerechtfertigt wäre. Auch wenn der Hauseigentümer durch Jahrzehnte dulde, dass ein Kind mit seinem Ehegatten im Haus lebt, Investitionen vornimmt oder auch verschiedene Arbeiten leistet, setze dies nicht notwendig eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Hausbenützung voraus; dies sei vielmehr auch im Rahmen eines ungeregelten, sich aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis ergebenden tatsächlichen Zustands denkbar. Dies gelte sowohl, wenn diese Investitionen in der Erwartung vorgenommen wurden, das gesamte Objekt späterhin zu erwerben, als auch, wenn dieser Aufwand in der irrigen Annahme vorgenommen wurde, eine Rechtsstellung zur Wohnungsbenützung zu haben.

Auch der Umstand, dass die Wohnung später zur Ehewohnung wurde und zusätzliche Räume hinzukamen, vermöge daran nichts zu ändern. Gerade der Umstand, dass die Wohnverhältnisse auf Grund des Nachwuchses beengt waren und selbst nach Zusammenlegung auch dieser Räume die Wohnung erst 92 m**2 Fläche aufweist, lege noch immer ein durch natürliches Zusammengehörigkeitsgefühl geprägtes und in diesem wurzelndes Wohnverhältnis nahe.

Die Errichtung eines eigenen Zentralheizungskreises durch die Beklagten sei trotz der einschneidenden Rechtsfolgen, die der Ausbau einer Wohnung in einem fremden Haus mit sich bringen könne, unter nahen Angehörigen nicht ungewöhnlich.

Das intensive Engagement in Behördenfragen zur Erlangung einer öffentlichen Zufahrt zur Liegenschaft vermöge an der Einordnung des Rechtsverhältnisses als ein typisches familiäres Benützungsverhältnis weitgehend rein faktischer Natur nichts zu ändern. Dieses Engagement habe auch umfasst, für das Grundstück des Erstbeklagten eine öffentliche Zufahrt zu erwirken. Diese Tätigkeit sei daher nicht nur allein dem Familienverband anzurechnen; vielmehr sei auch ein eigennütziges Motiv des Erstbeklagten dahintergestanden.

Eine Beurteilung nach § 881 ABGB käme wohl nur für die Zweitbeklagte in Betracht. § 881 ABGB regle nämlich Verträge zugunsten Dritter. Die Zweitbeklagte könne hier als Dritte jedoch nicht einen selbständigen Titel zur Benützung der Wohnung begründen. Alle von den Beklagten als wesentlich angesehenen Punkte seien immer noch im Rahmen eines ungeregelten verwandtschaftlichen Naheverhältnisses denkbar.

Die Beklagten hätten aber auch keinen Titel zur Nutzung der Wohnung, sei es als Eigentum bzw Wohnungsgebrauchsrecht, ersessen. Die Klägerin habe nachweisen können, dass dem Erstbeklagten die Wohnung im Jahr 1964 nur zur faktischen Nutzung im Rahmen des Familienverbandes zugewiesen wurde. Insofern versuche nun der Erstbeklagte etwas in ein fortwährendes Recht zu verwandeln, das ihm damals aus Gefälligkeit, ohne sich einer fortdauernden Verbindlichkeit zu unterziehen, gestattet worden sei. Gerade dies mache aber seinen Besitz zum unechten und schließe daher die Ersitzung aus. Bei der Zweitbeklagten sei darüber hinaus die lange Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen.

Es liege auch kein Verstoß gegen die guten Sitten vor. Dass der Erstbeklagte seit mehr als 30 Jahren in der Wohnung lebe, diese seit Beginn der Ehe als Ehewohnung gedient und auch die Zweitbeklagte seit fast 30 Jahren in der Wohnung gewohnt habe, sei durchaus bei einer faktischen Benützungsgewährung unter Familienangehörigen denkbar. Jedenfalls hätten die Beklagten nicht geltend gemacht, aus welchen Gründen ihnen die zwischenzeitige Anmietung eines anderen Wohnobjektes als längerfristige Lösung oder als mittel- bzw kurzfristige Lösung bis zur Fertigstellung eines Baus auf dem dem Erstbeklagten übergebenen Grund nicht möglich wäre. Keinesfalls könne davon gesprochen werden, dass die Beklagten der Obdachlosigkeit ausgesetzt wären.

Die Zweitbeklagte leite ihre Ansprüche nur vom Erstbeklagten ab. Indem aber mit der Klage zureichend der Wille der Klägerin auf Beendigung des faktischen Wohnverhältnisses dokumentiert worden sei, sei auch die gleichzeitig erhobene Klage gegen die Zweitbeklagte zulässig. Auch die Fallkonstellation des § 366 Abs 2 ABGB liege hier nicht vor. Danach solle nämlich gegen denjenigen, der vom damaligen Nichteigentümer eine Sache erworben habe, die Eigentumsklage ausgeschlossen sein, wenn sein damaliger Vertragspartner später Eigentümer der Sache werde.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil sich für die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es liege kein familienrechtliches Wohnverhältnis vor, in den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen keine Grundlage findet und dem Berufungsgericht damit eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Familienrechtliche Wohnverhältnisse sind durch das Fehlen einer vertraglichen Bindung gekennzeichnet, haben ihren Grund nur in familienrechtlichen Ansprüchen (Unterhalt, Anspruch des Ehegatten nach § 97 ABGB) und sind daher beim Erlöschen dieser Ansprüche vom über die Wohnung Verfügungsberechtigten jederzeit beendbar (Miet 40.032; SZ 50/141; JBl 1996, 106; WBl 1998/205).

Die Vorinstanzen haben zwar die wesentlichen Grundsätze für die Beurteilung des Vorliegens eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses richtig dargestellt. Für die Beurteilung im vorliegenden Fall ist jedoch entscheidend, dass die Klägerin und ihr Gatte den Beklagten im Jahr 1975 die freigewordenen drei Räume der Nachbarwohnung überließen, weil die Wohnverhältnisse bereits beengt waren; der Erstbeklagte hatte nämlich 1970 die Zweitbeklagte geheiratet, ein Kind war bereits geboren. Diese Räume wurden in den Wohnungsverband eingegliedert. Für die Annahme, auch danach bestehe nach wie vor ein familienrechtliches Wohnverhältnis, fehlt die entsprechende Tatsachengrundlage. Unter Familienangehörigen wird zwar nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie das im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist (SZ 50/141; WoBl 1998/205 uva). Zu dieser Zeit bezog der im Jahr 1948 geborene Erstbeklagte aber bereits ein eigenes Einkommen; eine im Familienrecht begründete Verpflichtung der Klägerin und ihres Gatten als Eltern kommt als Grundlage für diese Wohnungsüberlassung nicht ohne weiteres in Frage. Nur aus dem Vorliegen beengter Wohnverhältnisse kann nicht auf die Begründung eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses geschlossen werden. Den diesbezüglichen Überlegungen des Berufungsgerichtes kann mangels weiterer Grundlagen im Tatsachenbereich, die auch noch im Jahr 1975 für die Begründung eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses sprechen würden, nicht gefolgt werden.

Da die Räume zu einer einheitlichen Wohneinheit verbunden wurden, kann auch bei der Beurteilung der Rechtsgrundlage für die Benützung dieser Wohneinheit durch die Beklagten nicht nach der Zeit der Begründung des Wohnverhältnisses differenziert werden. Auch die Klägerin selbst begehrt dementsprechend die Räumung der gesamten Wohneinheit. Jedenfalls ab dem Jahr 1975 fehlen jedoch, wie dargelegt, die Tatsachengrundlagen für die Beurteilung der Rechtsnatur des vorliegenden Wohnverhältnisses.

Auch für eine unabhängig von familienrechtlichen Beziehungen erfolgte Begründung eines jederzeit auflösbaren Prekariums fehlen nach den Tatsachenfeststellungen konkrete Anhaltspunkte. Das Fehlen einer Vereinbarung über die Leistung eines Entgeltes steht der Annahme eines Benützungsverhältnisses nicht entgegen, sofern eine vertragliche Bindung vorliegt (Miet 40.032; JBl 1996, 106; WoBl 1998/205). Ein solches Wohnungsrecht kann auch stillschweigend begründet und mit obligatorischer Wirkung vereinbart werden (Miet 38.036; WoBl 1998/205).

Die Klägerin hat ihr Räumungsbegehren für den Fall, dass ein Rechtsverhältnis angenommen werden sollte, auch darauf gestützt, dass dieses Rechtsverhältnis aus den von ihr behaupteten wichtigen Gründen aufgelöst werde. Derartige Gründe wurden jedoch nicht festgestellt. Auch aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich nur gröbere Unstimmigkeiten in der Familie, die jedoch keinen wichtigen Grund für die einseitige Beendigung des Benützungsverhältnisses darstellen können. Darauf kann das Räumungsbegehren der Klägerin daher nicht gestützt werden.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren somit, wie dargelegt, Tatsachenfeststellungen darüber zu treffen haben, welche Erklärungen die Beteiligten abgaben, als dem Beklagten die zweite Wohnung überlassen wurde, damit die Rechtsnatur des Wohnverhältnisses unter Berücksichtigung der Einbeziehung dieser Wohnung beurteilt werden kann.

Es liegt somit noch nicht Spruchreife vor, weshalb die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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