OGH 5Ob262/99m

OGH5Ob262/99m23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Peter V*****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Dkfm. Maria P*****, 2. Ing. Elisabeth T*****, 3. Verlassenschaft nach Frieda P*****, 4. Ing. Ernst P*****, 5. Rudolf G*****, alle vertreten durch Dr. Helmut Winkler, Dr. Otto Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Juli 1999, GZ 39 R 200/99x-48, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 28. Jänner 1999, GZ 3 Msch 37/96i-44, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben und der angefochtene Sachbeschluss dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung top 17 im Haus ***** in *****, dessen Eigentümer die Antragsgegner sind. Der Mietvertrag über die 188 m**2 große Wohnung wurde am 30. 9. 1983 abgeschlossen. Vereinbart wurde die Benützung der Wohnung zu zwei Drittel für Wohnzwecke und zu einem Drittel für Bürozwecke bzw als Musikstudio. Bei Mietvertragsbeginn wurde ein monatlicher angemessener Hauptmietzins von S 5.900 zuzüglich Betriebskosten und USt vereinbart.

Der Antragsteller begehrte am 23. 11. 1994 die Feststellung des für die von ihm gemietete Wohnung gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses seit 1. 11. 1991 und die Rückzahlung der von ihm überhöht geleisteten Mietzinse. Die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses sei unzulässig gewesen. Das Badezimmer habe nicht dem zeitgemäßen Standard entsprochen, weil es über keine wirksame Entlüftung ins Freie verfügt habe. Das vorhandene Fenster in den Innenhof habe sich nicht öffnen lassen. Es sei kein Feuchtraumverputz angebracht worden, weshalb in der Folge im Badezimmer große Verputzbrocken herausgebrochen seien. Auch sei der Boden eingebrochen. Die elektrischen Leitungen im Badezimmer seien kreuz und quer verlegte Textilelektroleitungen gewesen, die teilweise nicht ordnungsgemäß isoliert und auch nicht geerdet gewesen seien. Die gesamte elektrische Anlage der Wohnung sei in desolatem, unbrauchbarem Zustand gewesen. Die Erneuerung der gesamten elektrischen Anlage sei notwendig gewesen, und hätte etwa einen Kostenaufwand von S 100.000 erfordert.

Bei Anmietung hätten weder der Herd noch der Durchlauferhitzer funktioniert. Alle Mängel habe der Antragsteller gegenüber der Hausverwaltung wiederholt vergeblich gerügt.

Die Antragsgegner bestritten dieses Vorbringen. Die Wohnung sei in brauchbarem Zustand gewesen, der Vormieter habe die Elektroinstallation komplett saniert, eine neue Küche mit Küchengeräten installiert und ein neues Bad eingerichtet. Mängel seien gegenüber der Hausverwaltung nicht gerügt worden.

Zwischen den Parteien steht die Angemessenheit des vereinbarten und begehrten Hauptmietzinses der Höhe nach außer Streit.

Im ersten Rechtsgang stellte das Erstgericht fest, dass die Wohnung des Antragstellers infolge mangelnder Brauchbarkeit der elektrischen Anlage nur der Ausstattungskategorie D zuzuordnen sei. Darüber hinaus vereinbarter und begehrter Hauptmietzins sei gesetzlich unzulässig. Die Höhe der Kosten der Mängelbehebung hinsichtlich der elektrischen Anlage unterlagen damals bloß einer Schätzung durch das Erstgericht.

Dies führte in der Folge zur Aufhebung dieser Entscheidung durch das Rekursgericht.

Im zweiten Rechtsgang traf das Erstgericht folgende entscheidungserhebliche Feststellungen:

Im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages befand sich in der Wohnung des Antragstellers ein defekter Elektroherd, dessen Kochplatten lediglich lauwarm wurden, weiters ein defekter Durchlauferhitzer für die Warmwasseraufbereitung in der Küche, der eine Erwärmung des Wassers nicht hinreichend gewährleistete.

Das Badezimmerfenster ließ sich nicht öffnen. Eine andere Entlüftungsmöglichkeit im Bad gab es nicht. Kurz nach dem Einzug des Antragstellers begann der Verputz im Badezimmer abzubröckeln.

Die Stromversorgung der Wohnung erfolgte über einen im Vorzimmer installierten Verteiler. Als Schutzmaßnahme gegen das Auftreten einer zu hohen Berührungsspannung ist ein Fehlstromschutzschalter vorgesehen. Der Stromkreis für den Herd ist mit 16 Ampere, der Lichtstromkreis für Speicher und Studio mit 16 Ampere, die weiteren vier Lichtstromkreise mit 10 Ampere abgesichert. Ob der Fehlerstromschalter bei Anmietung durch den Antragsteller funktionstüchtig war, steht nicht fest.

Die Wohnung wies damals 16 Steckdosen auf, sämtliche Schutzkontaktsteckdosen. Eine davon ist im Badezimmer montiert, eine in der Küche. Nur drei der Steckdosen, darunter die in der Küche, nicht jedoch die im Badezimmer, verfügen über einen Schutzleiteranschluss.

Bei sämtlichen anderen Steckdosen, darunter auch bei der im Badezimmer, wird eine Schutzmaßnahme gegen das Auftreten zu hoheren Berührungsspannung nur vorgetäuscht, ein Schutzleiter ist nicht vorhanden. Dadurch kann bei einem Körperschluss des angeschlossenen Geräts eine lebensgefährliche Spannung entstehen. Die selbe Gefahr besteht bei Körperschluss in einem der Deckenbeleuchtungskörper. Weiters fehlt ein Schutz gegen das Abspleißen zum Teil vorhandener Lizendrähte, wodurch Kurzschlüsse und Spannungsübertragungen auf die nicht am Schutzleiter angeschlossenen Schutzkontakte der Steckdosen entstehen können. Damit würde das Gehäuse eines angeschlossenen Geräts unter Spannung gesetzt, was einen tödlichen Elektrounfall zur Folge haben könnte.

Außer beim Anschluss des Herdes und der Steckdose in der Küche, zu denen Leitungen mit einem Durchmesser von 1,5 mm**2 führen, weisen alle übrigen Leitungen nur einen Durchmesser von 0,75 mm**2 auf. Dies könnte zu einer übermäßigen Erwärmung der Anschlussleitungen führen. Selbst wenn der Fehlerstromschutzschalter zum Zeitpunkt der Anmietung intakt gewesen wäre, hätten lediglich der Elektroherd und die Steckdose in der Küche gefahrlos verwendet werden können.

Die Adaptierung nur der Schutzleiterinstallationen in den Nassräumen wäre bei der Anmietung technisch möglich gewesen und hätte Kosten von ca S 2.974 verursacht.

Um eine dem technischen Standard des Jahres 1983 entsprechende Anlage herzustellen, hätten sämtliche Schutzleiteranschlüsse hergestellt werden müssen, die Stromkreise mit dünnen Leitungsquerschnitten hätten durch solche mit mindestens 1,5 mm**2 Querschnitt ersetzt werden müssen. Die gesamte Elektroinstallation hätte unter Putz erneuert werden müssen.

Die Kosten für die Erneuerung der gesamten Elektroanlage hätten bei Anmietung S 65.440 betragen.

Der Antragsteller teilte der damaligen Hausverwalterin Frau Kaps immer wenn Mängel in der Wohnung und im Bad auftraten, diese mit.

Auch im zweiten Rechtsgang gelangte das Erstgericht auf Grund dieser Feststellungen zur Unbrauchbarkeit der vom Antragsteller gemieteten Wohnung im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses infolge des Zustands der elektrischen Anlage. Wenn auch nach der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nur das Fehlen von Schutzleiterinstallationen in Nassräumen als gefährlich anzusehen sei und daher eine Brauchbarmachung der Wohnung durch die Beseitigung nur dieser Gefährlichkeit vorgenommen werde, so dürfe doch nicht außer acht gelassen werden, dass die elektrische Anlage der gesamten Wohnung nicht den damals geltenden gesetzlichen Grundlagen für Elektroschutz entsprochen habe. Infolge des Einbaus einer Zentralheizung durch den Vormieter sei eine neue, berührbare, mit der Erde in Verbindung stehende Einrichtung geschaffen worden, die eine Erneuerung der gesamten elektrischen Anlage nicht bloß in den Nassräumen gesetzlich gefordert habe. Um die Wohnung in einen gesetzmäßigen Zustand zu versetzen, hätte daher im Zeitpunkt der Anmietung durch den Antragsteller eine Erneuerung der gesamten Installationen erfolgen müssen, was den erheblichen Aufwand von S 65.440 mit sich gebracht hätte.

Einem dagegen von den Antragsgegnern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies den Mietzinsüberprüfungsantrag ab. Auf den zeitgemäßen Zustand einer elektrischen Anlage komme es nicht entscheidend an. Nur dann, wenn feststünde, dass vorhandene Mängel aus sicherheitstechnischen Gründen das Stromversorgungsunternehmen zur Liefersperre veranlassen müßten, wäre die Brauchbarkeit der elektrischen Anlage und damit einer Wohnung zu verneinen. Im vorliegenden Fall hätten sich aber angesichts der anstandslosen Benützung durch den Antragsteller dazu im Beweisverfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Auch fehlten entsprechende Behauptungen.

Gefährlich - und damit die Unbrauchbarkeit einer Wohnung bewirkend - seien nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung aber nur fehlende Schutzleiterinstallationen in Nassräumen wie Küche und WC. Die Behebung dieses feststehenden Mangels wäre aber um den Betrag von S 2.974,60 möglich gewesen. Damit hätte ein technisch und finanziell geringfügiger Aufwand zur Mängelbehebung gereicht, um die Unbrauchbarkeit zu beseitigen. Der Antragsteller könne sich daher auf diesen Umstand nicht berufen.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses dahin, dass der erstgerichtliche Sachbeschluss wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner beantragten, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber darauf hin, dass das Rekursgericht durch eine verkürzte Wiedergabe höchstgerichtlicher Entscheidungen zu dem unrichtigen Ergebnis gelangte, ausschließlich das Fehlen von Schutzleiterinstallationen in Nassräumen sei als gefährlich zu beurteilen und hindere damit die Brauchbarkeit einer Wohnung. Angesichts der dort jeweils zu beurteilenden Sachverhalte traf dies zu. Steht nur zu beurteilen, dass einer elektrischen Anlage einer Wohnung als einziger Mangel die Erdung fehlt, so ist davon auszugehen, dass dieser Mangel nur in Nassräumen als gefährlich zu betrachten ist (5 Ob 2364/96z).

Das Rekursgericht hat aber übersehen, dass zu diesem Sachverhalt ein weiterer Umstand hinzugetreten ist, den das Erstgericht im zweiten Rechtsgang auch festgestellt hat und der nach dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Ing. Sommereder (ON 37, AS 179 f) eine andere Beurteilung erforderlich macht:

Durch den (vom Vormieter vorgenommenen) nachträglichen Einbauch einer Heizungsanlage wurde eine berührbare, mit der Erde in Verbindung stehende Einrichtung geschaffen, wodurch vorher vorhandene isolierende Eigenschaften verloren gingen. Dadurch wurde bewirkt, dass eine Schutzleiterinstallation allein in den Nassräumen nicht mehr ausreichte, um die Gefährlichkeit der elektrischen Anlage zu beseitigen.

Damit steht der erforderliche Aufwand von S 65.440,99 (ohne Verputz- und Malerarbeiten) der Annahme entgegen, mit nur geringem technischen und finanziellen Aufwand hätten jene Mängel beseitigt werden können, die der Brauchbarkeit des Bestandobjektes entgegenstanden (vgl zuletzt WoBl 1999/155). Das Argument der Antragsgegner, aus diesem Aufwand seien noch die Kosten der Neuherstellung der gesamten Anlage herauszurechnen, ist durch das Gutachten des Sachverständigen widerlegt. Auf AS 179 oben (in ON 37) wird nämlich festgestellt, dass die Einhaltung der gesetzlich verbindlich erklärten ÖVE-Bestimmungen erforderlich gewesen wäre, um die mit dem Betrieb der Anlage verbundene Lebensgefahr zu beseitigen, wozu diesfalls auch eine Ersetzung der Stromkreise mit zu dünnem Leitungsquerschnitt durch solche mit mindestens 1,5 mm**2-Querschnitt gehörte.

Zu Recht hat das Erstgericht demnach die Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses seiner Entscheidung über die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses zugrunde gelegt. Infolge des berechtigten außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers war diese Entscheidung wiederherzustellen.

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