OGH 7Ob275/99p

OGH7Ob275/99p10.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf Z*****, vertreten durch Dr. Harold Schmid und Mag. Helmut Schmid, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei A***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum, Dr. Günther Schmied und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 63.592,32 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Juni 1999, GZ 5 R 111/99a-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Februar 1999, GZ 39 C 2574/98t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.594,08 (darin enthalten S 1.995,68 USt und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der beklagten Versicherung eine Handel- und Gewerbeversicherung mit Beginn 21. 4. 1994 abgeschlossen, die auch das Risiko "Kfz-Rechtsschutz inklusive Kfz-Vertragsrechtsschutz" umfasst, und die die Allgemeinen Bedingungen der Rechtsschutzversicherungen (ARB 1988) zugrundeliegen. Er hat gegen die Stadt Graz aus dem Titel der Amtshaftung eine Klage betreffend seine Vertretungskosten in zahlreichen Verfahren wegen Übertretung des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes in Verbindung mit der Grazer Parkgebührenverordnung erhoben. Dabei stützt er sich darauf, dass die ihm in diesen Verfahren vorgeworfenen Übertretungen des Steiermärkischen Parkgebührengesetzes nicht vorgelegen seien, da er sein - versichertes - Fahrzeug in Bereichen abgestellt habe, die nicht durch blaue Bodenmarkierungen besonders gekennzeichnet gewesen seien. Die trotzdem erfolgte Verurteilung des Klägers zu Geldstrafen durch den Magistrat der Stadt Graz habe der ständigen Rechtsprechung des UVS der Steiermark widersprochen. Der Magistrat der Stadt Graz sei, da ihm ein Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des UVS nicht zustehe, an dessen Rechtsansicht, dass nicht durch blaue Bodenmarkierungen besonders gekennzeichnete Bereiche nicht der Gebührenpflicht unterliegen, gebunden, sodass der Kläger wegen der beharrlichen Weigerung des Magistrates der Stadt Graz Anspruch auf Ersatz seiner Vertretungskosten im Rahmen der Amtshaftung habe.

Mit der hier vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung das die Beklagte auf Grund des Versicherungsvertrages für das Amtshaftungsverfahren Deckung zu gewähren habe, da die Rechtsschutzversicherung auch die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen umfasse und es hier nicht um die durch Art 7.1.7. der ARB 1988 ausgeschlossenen abgabenrechtlichen Ansprüche gehe. Das Abstellen seines versicherten Fahrzeuges stelle auch eine bestimmungsgemäße Verwendung iSd KFG bzw des Art 17 der ARB 1988 dar.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie wendete im Wesentlichen ein, dass ein Deckungsanspruch des Klägers einerseits schon deshalb nicht bestehe, da vom Versicherungsschutz unter anderem die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Bereich des Abgabenrechts ausgenommen sei und das Steiermärkische Parkgebührengesetz abgabenrechtlichen Charakter habe, und andererseits das Nichtentrichten der Parkgebühren nichts mit einer "bestimmungsgemäßen Verwendung" iSd Art 17.2.1. der ARB 1988 zu tun habe. Auch sei der "Rechtsschutz-Baustein" historisch mit dem Kraftfahrzeugrechtschutz verbunden, der am Vorliegen eines Unfalles des Versicherungsnehmers anknüpfe. Schliesslich mangle es der Amtshaftungsklage auch an einer Erfolgsaussicht, da sich der Magistrat der Stadt Graz entsprechend der Rechtsprechung des dem UVS übergeordneten Verwaltungsgerichtshofes verhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Grundsätzlich fielen auch Amtshaftungsansprüche unter die Rechtsschutzdeckung jedoch sei im vorliegenden Fall der Risikoausschluss der Verfolgung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit "Abgaben" gegeben, da die nach dem Steiermärkischen Parkgebührengesetz und der Grazer Parkgebührenverordnung vorzuschreibenden Parkgebühren "Abgaben" im Sinne des Ausschlusses seien. Auch liege keine "bestimmungsgemäße Verwendung" des Fahrzeuges iSd Art 17.2.1. der ARB 1988 vor, da kein funktioneller Zusammenhang mit der Verwendung gegeben sei. Schliesslich entspreche die Rechtauffassung des Magistrates der Stadt Graz auch jener des dem UVS übergeordneten Verwaltungsgerichtshofes.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers dieses Urteil dahin ab, dass es den Deckungsanspruch als zurechtbestehend feststellte. Dabei handle es sich um kein Begehren auf Versicherungsschutz im Bereich des Abgabenrechts, sondern um einen Schadenersatzanspruch nach den Bestimmungen des AHG betreffend die Vertretungskosten zur Abwehr verwaltungsrechtlicher Verurteilungen. Auch liege "bestimmungsgemäße Verwendung" iSd Art 17.2.1. der ARB 1988 vor, da auch das Abstellen eines Fahrzeuges zum Zweck des Parkens eine bestimmungsgemäße Verwendung iSd § 1 KFG darstelle und eine weitere funktionelle Verknüpfung zwischen der Verwendung des Fahrzeuges und der Nichtentrichtung der vorgeschriebenen Abgabe nicht erforderlich sei. Im Hinblick darauf, dass die Spruchpraxis des UVS seit 11. 10. 1994 bekannt sei und der Stadt Graz keinerlei Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des UVS zustünden könne auch nicht davon ausgegangen werden, das die Rechtsverfolgung als mutwillig oder aussichtslos iSd Art 6.3. der ARB anzusehen sei.

Seinen Ausspruch, die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, änderte das Berufungsgericht über Antrag der beklagten Partei mit der Begründung ab, dass zur Frage des begehrten Versicherungsschutzes für Amtshaftungsansprüche aus einem ausgeschlossenen Tatbestand sowie zur Auslegung der Ausschlussbestimmung in den Rechtsschutzversicherungen und zur Frage der "Verwendung" des Fahrzeuges bei der Entrichtung von Parkgebühren keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Nach dem hier vereinbarten Versicherungsvertrag kommen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherungen (ARB 1988) für das Risiko Kfz-Rechtsschutz inklusive Kfz-Vertrags-Rechtsschutz zur Anwendung.

Die ARB 1988 regeln in ihrem ersten Teil die gemeinsamen Bestimmungen für sämtliche der verschiedenen versicherbaren Rechtsschutzrisken (Rechtsschutz-Bausteine; vgl auch Kronsteiner, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung VR 1988, 169 ff), die unterschiedliche Bedarfssituationen zum Gegenstand haben (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht, 443).

Der hier maßgebliche Fahrzeug-Rechtschutz nach Art 17 der ARB 1988 umfasst unter anderem den Schadenersatz-Rechtsschutz "für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens, soweit diese aus der bestimmungsgemäßen Verwendung des versicherten Fahrzeuges entstehen und nicht ausschließlich auf der Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung beruhen; ....".

Allgemein ausgeschlossen sind aber nach den gemeinsamen Bestimmungen vom Versicherungsschutz entsprechend Art 7 Z 1 "die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ...

1.7. aus dem Bereich des Steuer-, Zoll- und sonstigen Abgabenrechts;

..."

Dieser Risikoausschluss besteht also für alle Arten der Rechtsschutzversicherung (vgl Schauer aaO, 445). Dies ist auch für jeden durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer ersichtlich (vgl allgemein zu diesem Auslegungsgrundsatz 7 Ob 243/98).

Von dem in allen "Bereichen" wirksamen Auschlusstatbestand der Wahrnehmung rechtlicher Interessen unter anderem im Bereich des Abgabenrechts sind nach der zu dem fast wortgleichen Ausschlusstatbestand nach § 4 Abs 1 lit n der deutschen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1975 - ebenso 94 - einhelligen Lehre auch damit im Zusammenhang stehende Strafverfahren umfasst (vgl ausdrücklich zu den Steuerstraftaten Harbauer Rechtsschutzversicherung6, 277; Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ARB10, 158; Zur Judikatur Hempfing-Traut, Rechtschutzversicherung, 99).

Das bedeutet nun, dass auch dann, wenn sich eine abgabenrechtliche Streitigkeit auf ein Kfz bezieht, diese sowie damit im Zusammenhang stehende Verwaltungsstrafverfahren entsprechend Art 7.1.7. von sämtlichen Bereichen des Fahrzeug-Rechtschutzes ausgenommen ist bzw sind.

Dies ist aber auch auf damit im Zusammenhang stehende Amtshaftungsansprüche zu erstrecken. Auch dann, wenn etwa wegen der Unrichtigkeit eines Steuerbescheides Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden, handelt es sich dabei um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Bereich des Steuerrechts iSd Art 7.1.7. Andernfalls wäre über diesen Umweg Rechtsschutzdeckung auch für den Bereich der Abgaben gegeben. Ist es doch der Zweck des Ersatzanspruches nach dem AHG einen Ausgleich für den durch das rechtswidrige Verhalten verursachten Schaden herbeizuführen, sodass die Geltendmachung dieses Anspruches auch als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Steuer-, Zoll- und sonstigen Abgaben iSd ARD 1988 zu verstehen ist. Dabei ist darauf zu verweisen, dass nach übereinstimmender Ansicht sich der Ausschlusstatbestand darauf gründet, dass das breitgefächerte Gebiet der öffentlichen Abgaben ein schwer überschaubares Kostenrisiko darstelle (vgl Harbauer aaO, 277, Böhme aaO, 156). Auch mit dem vorliegenden Amtshaftungsanspruch soll eine Verletzung der Bestimmungen des Abgabenrechtes durch die Gemeinde Graz geltend gemacht werden. Zwar sind die Amtshaftungsansprüche allgemein den Schadenersatzansprüchen auf Grund "gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" iSd ARB 1998 zuzurechnen (vgl etwa Kronsteiner aaO, 164), jedoch sind sie von der Ausnahme für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Bereich der Abgaben dann erfasst, wenn sie sich auf rechtswidriges Verhalten in Abgaben- oder Abgabenstrafverfahren beziehen.

Unter den Begriff des Abgabenrechtes fallen unter anderem die Gebühren, die als Abgaben verstanden werden, bei denen der Abgabenpflichtige als öffentliches Entgelt für eine besonders vom Bürger unmittelbar in Anspruch genommene Leistung einer Gebietskörperschaft zu entrichten hat (vgl SZ 59/66 mwN).

§ 1 des Gesetzes vom 20. 2. 1979 über die Erhebung einer Gemeindeabgabe für das Parken von Kraftfahrzeugen (Steiermärkisches Parkgebührengesetz 1979 LGBl 21/1979) ermöglicht nun den Gemeinden des Landes Steiermarks durch Beschluss des Gemeinderates eine Abgabe (Parkgebühr) für das Parken von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen vorzuschreiben. Dabei handelt es sich nach der eindeutigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unter anderem zum Wiener Parkometergesetz um eine Abgabe (vgl etwa VfSlg 12.668 oder VfSlg 13.074). Das in diesem Zusammenhang stehende Strafverfahren bzw die daraus abgeleiteten Amtshaftungsansprüche sind daher im Sinne der obigen Darlegungen von der Ausschlussklausel des Art 7.1.7. erfasst

Diese schließt daher die Deckung in sämtlichen Bereichen des Fahrzeugrechtschutzes aus.

Die Beklagte hat daher grundsätzlich das Deckungsbegehren zu Recht abgelehnt.

Darauf, dass die beklagte Partei ihrer Verpflichtung nach § 158l Versicherungsvertragsgesetz, ein Schiedsgutachterverfahren vorzusehen und dem Versicherungsnehmer auf diese Möglichkeit hinzuweisen nicht entsprochen hätte, hat sich der Kläger nicht berufen. Es ist daher auch nicht näher darauf einzugehen, ob sich diese Regelung, die eine Umsetzung des Art 6 der Richtlinie des Rates vom 22. 6. 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtschutzversicherungen (87/344/EWG) darstellt, überhaupt auf den hier maßgeblichen Bereich des Versicherungsumfanges bezieht, obwohl es bei der oben dargestellten Beurteilung nicht um die Frage des geeigneten Vorgehens zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen, insbesondere aber auch die Frage der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Verteidigung geht.

Es war daher der Revision stattzugeben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50.

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