OGH 12Os118/99 (12Os119/99)

OGH12Os118/99 (12Os119/99)28.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mittermayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dragan V***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde (§§ 494a Abs 4, 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10. Mai 1999, GZ 20 k Vr 10293/98-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und der Verteidigerin Mag. Ehrlich, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, daß die über den Angeklagten vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Juni 1999, AZ 1 c E Vr 2627/99, Hv 1814/99, als Zusatzstrafe verhängt wird.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde Dragan V***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A) und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 29. Oktober 1998 in Wien den am 8. Dezember 1924 geborenen Johann F*****

(zu A) mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihm mit einem Ziegelstein mehrmals gegen Gesicht und Kopf schlug, wodurch dieser zu Sturz kam, ihn unter Vorhalt eines Messers zur Bekanntgabe der Geldaufbewahrung aufforderte und sich dadurch dessen Brieftasche mit ca 500 S und der Wohnungsschlüssel sowie in weiterer Folge, nachdem er in dessen Wohnung eingedrungen war, eines Bargeldbetrages von 8.000 S bemächtigte;

(zu B) dadurch, daß er ihn vier Stunden in einem Kellerabteil einsperrte, widerrechtlich gefangengehalten.

Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Abweisung seines Antrages auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen und Beischaffung der Krankengeschichte zum Nachweis dafür, daß der Angeklagte entgegen den Aufzeichnungen des Lorenz Böhler Krankenhauses vom 26. Juni 1998 (383) keine Mittelfußverletzung erlitten hat (439), wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers (Z 5) nicht beeinträchtigt.

Denn selbst ein insoweit positives Beweisergebnis hätte zur Klärung der im konkreten Fall allein entscheidenden Frage nichts Entscheidendes beitragen können, ob der Angeklagte entgegen seiner leugnenden Verantwortung mit jener Person ident ist, welche zur fraglichen Zeit im Wohnhaus des späteren Raubopfers im Sinne der Aussagen mehrerer Zeugen (239 f, 267 f; 424 f, 431 f) durch einen Unfall verletzt worden war und schon bei der Erstversorgung durch die Rettung Namen, Beruf, Anschrift, Geburtsdatum und Versicherungsnummer des Angeklagten angegeben hatte (375 f). Sollte sich nämlich tatsächlich, wie der Angeklagte behauptete, ein Unbekannter durch Ansichbringen seines Meldezettels Zugang zu den persönlichen Daten des Beschwerdeführers verschafft haben, bliebe die Frage offen, wie dieser Kenntnis von der im Meldezettel nicht vermerkten Versicherungsnummer des Angeklagten erlangen konnte. Ohne die Angabe konkreter Gründe, die auch in diesem Umfang den behaupteten Datenmißbrauch ermöglicht haben könnten, erwies sich der Beweisantrag demnach von vornherein als ungeeignet, die für die Täterschaft des Angeklagten sprechenden objektiven Verfahrensergebnisse, zu denen überdies (abgesehen von der insgesamt eindeutigen Identifizierung des Angeklagten durch Tatopfer und Hausbewohner als jene nach den Opferangaben mit dem Täter idente Person, die im tataktuellen Wohnhaus mit Arbeiten befaßt gewesen war) eine den Beschwerdeführer belastende graphische Begutachtung (ON 51) eines beim Raubopfer zurückgelassenen Schriftstückes (13) zählt, in Frage zu stellen und solcherart die Entscheidungsgrundlage zu seinen Gunsten verändern zu können.

Unberechtigt ist schließlich auch der Einwand (Z 12), das dem Angeklagten im Wahrspruch angelastete Verhalten sei zu Unrecht auch dem § 99 Abs 1 StGB unterstellt worden, weil - zusammengefaßt wiedergegeben - die noch vor Vollendung des Raubes gegen das Opfer begangene Freiheitsentziehung lediglich der Erlangung und Sicherung des Raubgutes gedient habe und deshalb zufolge Konsumtion eine nicht gesondert strafbare Begleittat darstelle.

Wohl trifft es zu, daß beim Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung bis zur materiellen Vollendung der Tat, demnach auch eine gegen das Raubopfer gerichtete Freiheitsentziehung, gleichgültig ob als Mittel der Durchsetzung des deliktischen Vorhabens, oder zur Sicherung der Beute oder der Einleitung der Flucht, grundsätzlich als Einheit anzusehen sind, welche unter der Voraussetzung eines unmittelbaren Sachkonnexes in der Regel einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung nicht zugänglich sind (SSt 47/26, SSt 52/50; 12 Os 144/95).

Ein derartiger Regelfall, welcher bei wertabwägender Auslegung die Beurteilung zuließe, daß durch die Bestrafung des Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes der gesamte Unrechtsgehalt des ihm angelasteten Täterverhaltens erfaßt wird, liegt in concreto nach dem im Wahrspruch festgestellten Tatverhalten und den dafür maßgebenden Verfahrensergebnissen aber nicht vor.

Zentrale Voraussetzung für die Konsumtion einer Begleittat ist, daß diese in ihrer konkreten Gestalt nicht nur regelmäßig mit der Begehung des Primärdeliktes verbunden ist, sondern auch und vor allem, daß ihr Unrechtsgehalt diesem gegenüber deutlich zurückbleibt und deshalb kein weiteres Strafbedürfnis besteht.

Ob dies der Fall ist, kann nicht bloß schematisch im Sinne der Beschwerde, sondern nur unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles entschieden werden.

Die so vorgenommene Prüfung fällt zu Lasten des Beschwerdeführers aus.

Angesichts dessen, daß der Angeklagte sein 74-jähriges Raubopfer, nachdem er es in den damals wegen baulicher Sanierungsmaßnahmen von den Hausbewohnern praktisch unbenützten Keller gelockt, dort mit einem Ziegelstein niedergeschlagen und schon dadurch körperlich und psychisch beträchtlich geschädigt hatte, in einem vom Beschwerdeführer dermaßen verbarrikadierten Kellerabteil einsperrte, daß eine Selbstbefreiung nahezu aussichtslos war, und den alten Mann dort bei völliger Dunkelheit, und zwar auch noch lange nach Durchsuchung der Wohnung, sich selbst überließ, sodaß es einem Zufall zu verdanken ist, daß sich dieser nach rund vier Stunden Gefangenschaft unter Aufbietung all seiner Kräfte dadurch befreien konnte, daß ihm das Herausreißen des bereits vorgeschädigten Türstockes gelang (25 f, 31 f, 242, 427, 429), nähert sich das Tatunrecht der unter dieser Fallkonstellation für einen Raub auch keinesfalls typischen und bis an die äußerste Grenze des § 99 Abs 1 StGB gehenden Freiheitsentziehung jenem des Verbrechens des Raubes soweit an, daß nur die Annahme einer Konkurrenz des als Dauerdelikt nicht nur die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges pönalisierenden Vergehens nach § 99 Abs 1 StGB mit der Raubtat den gesamten Unrechtsgehalt des Tatgeschehens erfaßt (Leukauf/Steininger Komm3 § 28 RN 45 bis 48, Kienapfel AT4 E 8 Rz 31). Daß die Freiheitsentziehung der leichteren Vollendung der Tat und der Flucht des Angeklagten dienlich war, ändert daran nichts.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht zwei einschlägige Vorstrafen des Angeklagten, seine besonders brutale Vorgangsweise gegenüber Johann F*****, den Rückfall innerhalb offener Probezeit und das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen erschwerend. Demgegenüber berücksichtigte es eine "gewisse Notlage" wegen eingeschränkter Verdienstmöglichkeiten als Folge einer körperlichen Behinderung als mildernd.

Davon ausgehend verhängte es über Dragan V***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB sechseinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Zusätzlich widerrief es die mit den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1994, GZ 1 b E Vr 6099/94-12, und vom 23. Jänner 1997, GZ 1 b E Vr 659/97-18, jeweils wegen Diebstahls gewährte bedingte Nachsicht von sechs und sieben Monaten Freiheitsstrafe.

Gegen den Strafausspruch richten sich mit jeweils entgegengesetzten Zielen die Berufungen sowohl des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft. Dragan V***** bekämpft überdies den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Keines der Rechtsmittel ist berechtigt.

Der Anklagebehörde ist zwar darin beizupflichten, daß die Aktenlage - mag auch die Lebenssituation des Angeklagten im Sinne seiner Behauptungen "unbefriedigend" gewesen sein - keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Notlage in einem die Qualität eines Milderungsgrundes (§ 34 Z 10 StGB) erreichenden Ausmaß bietet (Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 16). Diese Fehlbeurteilung wird aber dadurch aufgewogen, daß der Rückfall innerhalb offener Probezeit entgegen der erstgerichtlichen Sicht keinen eigenen Erschwerungsgrund darstellt, sondern nur nach den allgemeinen Kriterien des § 32 StGB Berücksichtigung finden kann (Leukauf/Steininger aaO § 33 RN 8).

Ungeachtet dieser Korrektur trägt die gefundene Sanktion von sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung des gleichzeitig ausgesprochenen und fallbezogen auch zusätzlich gebotenen Widerrufs von insgesamt dreizehn Monaten Freiheitsstrafe - den jeweiligen Berufungsstandpunkten zuwider - allen Umständen des konkreten Straffalles gebührend Rechnung.

Grundsätzlich bestand daher kein Grund zu einer Änderung des Sanktionsausspruchs.

Da der Angeklagte inhaltlich der vom Obersten Gerichtshof neu eingeholten Strafregisterauskunft nach dem Urteil erster Instanz durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des - davor begangenen - Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB zum AZ 1 c E Vr 2627/99, Hv 1814/99, am 7. Juni 1999 rechtskräftig zu fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, war auf diese Entscheidung gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen und das vom Erstgericht gefundene Strafausmaß als Zusatzstrafe zu verhängen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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