OGH 12Os144/95

OGH12Os144/9518.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Jänner 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wietrzyk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter H***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18.Juli 1995, GZ 20 m Vr 4.941/95-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, und des Verteidigers Dr.Kresbach, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/1 und 2) und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt, weil er am 19.April 1995 in Wien

I. mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durch Verwendung eines Gasrevolvers, sohin einer Waffe, nachgenannten Personen bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw abgenötigt hat, und zwar

1. dem Josef Kl***** Bargeld (ca 1.000 S) sowie diverse im Urteilsspruch näher angeführte Bekleidungsgegenstände im Gesamtwert von ca 16.800 S und

2. dem Werner Ko***** ca 2.500 S sowie

II. Josef Kl***** durch Fesselung mit einem Draht und Einsperren in dessen Geschäft widerrechtlich gefangengehalten hat.

Dieser Schuldspruch gründet sich auf den Wahrspruch der Geschworenen, welche die beiden anklagekonformen Hauptfragen stimmeneinhellig bejaht und die für diesen Fall gestellten Zusatzfragen, ob der Angeklagte bei Begehung der in den Hauptfragen bezeichneten Taten wegen einer tiefgreifenden Bewußtsseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, diesem Zustand gleichwertigen seelischen Störung unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und (gemeint: oder) nach dieser Einsicht zu handeln, ebenso einstimmig verneint hatten. Eventualfragen, ob sich der Angeklagte, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol und Medikamenten in einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand die in den Hauptfragen umschriebenen Tathandlungen begangen hat, blieben folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 12 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.

Die Rüge (Z 12) rechtsirriger Zurechnung des ihm zu Punkt II des Urteilssatzes angelasteten Tatverhaltens als eigenständiges Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, wonach es sich hiebei um eine in ihrem Unrechtsgehalt schon von der Verurteilung wegen des (auch) unter Gewaltanwendung verübten Raubes zur Gänze erfaßte, sohin zufolge Konsumtion nicht mehr strafbare typische Begleittat gehandelt habe, geht fehl.

Richtig ist, daß beim hier aktuellen Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat grundsätzlich als einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung in der Regel nicht zugängliche Einheit anzusehen sind. Diese einheitliche Beurteilung verschiedener Phasen der Raubtat als ein einziges Delikt findet ihre Grenze darin, daß ein unmittelbarer und sachlicher Zusammenhang zwischen ihnen bestehen muß. Eine gegen die Person des Raubopfers gerichtete Freiheitsentziehung geht daher nur dann im Tatbestand des Raubes auf, wenn diese Bewegungseinschränkung entweder bereits im Zuge der Ausführung der Raubtat an sich als Mittel zur Durchsetzung des deliktischen Vorhabens erfolgt ist oder aber wenn sie unmittelbar nach Wegnahme oder Abnötigung des Raubgutes der Sicherung der Beute bzw der Einleitung der Flucht dient (vgl SSt 47/26).

Diese Voraussetzungen treffen auf das dem vorliegenden Wahrspruch zu entnehmende Tatverhalten des Beschwerdeführers nicht zu, weil die Geschworenen ersichtlich davon ausgegangen sind, daß ein im aufgezeigten Sinne unmittelbarer Zusammenhang zwischen Fesselung und Einsperren des Raubopfers und der räuberischen Sachbemächtigung nicht während des gesamten Tatzeitraumes bestand. Daß der Beschwerdeführer nämlich das Tatopfer durch Fesselung und Einsperren auch noch geraume Zeit nach Aneignung der Raubbeute in der Bewegungsfreiheit hinderte, ohne daß hiefür unter dem Gesichtspunkt der Raubtat irgendein Anlaß bestand, ist den diesbezüglich im wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers wie auch des Zeugen Kl***** unzweifelhaft zu entnehmen (vgl S 151 iVm S 120, 121). Der in Frage gestellten Annahme (auch) des - als Dauerdelikt nicht nur die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges pönalisierenden - Vergehens nach § 99 Abs 1 StGB haftet sohin ein rechtlicher Fehler nicht an.

Angesichts der Übereinstimmung von Wahrspruch und Aktenlage erübrigt sich daher eine nähere Erörterung der vom Beschwerdeführer unter Berufung auf ältere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (siehe Mayerhofer-Rieder3 ENr 11 zu § 345 Z 12 StPO) aufgeworfenen Frage, ob zur Objektivierung der Bedeutung des Wahrspruchs der Geschworenen eine Berücksichtigung des Inhalts der Anklageschrift bzw der Ergebnisse des Beweisverfahrens zulässig ist oder ob ein Rechtsirrtum allein aus dem Wahrspruch selbst nachgewiesen werden muß.

Auch die Strafzumessungsgründe (Z 13) versagt, erschöpft sie sich doch weitestgehend in der Behauptung, daß das Erstgericht angesichts der gegebenen Strafzumessungsgründe zu Unrecht von der Bestimmung über die außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB) keinen Gebrauch gemacht habe. Dieses Vorbringen stellt - weil ihm kein unvertretbarer rechtlicher Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung zu entnehmen ist - nur die Ausführung der Berufung dar. Der Vorwurf wiederum, das Erstgericht habe die reklamierte außerordentliche Strafmilderung gesetzwidrig vom zahlenmäßigen Überwiegen der Milderungsgründe abhängig gemacht, hält eine Überprüfung anhand des Urteilsinhaltes nicht stand: Dort ist gesetzeskonform ausdrücklich vom Erfordernis des beträchtlichen Überwiegens die Rede (US 8).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1, 143 erster SatzStGB acht Jahre Freiheitsstrafe, wobei es zwei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die brutale Vorgangsweise und die Beraubung zweier Opfer als erschwerend, das Geständnis und eine teilweise Schadensgutmachung hingegen als mildernd wertete.

Der gegen diesen Strafausspruch erhobenen Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß und deren teilweise bedingte Nachsicht anstrebt, kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Den vom Geschworenengericht im übrigen richtig festgestellten Strafzumessungsgründen ist der Milderungsgrund der herabgesetzten (grenzwertigen - vgl S 199) intellektuellen Kapazität des Berufungswerbers hinzuzufügen. Dies rechtfertigt - unter weiterer Berücksichtigung der nunmehr vollständigen Schadensgutmachung (Beilagen A und B zur Rechtsmittelschrift) - die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das - der personalen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Taten entsprechende - im Spruch ersichtliche Maß.

Eine weitergehende Strafreduktion (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB) erschien bei der gegebenen Sachlage nicht vertretbar, womit es sich erübrigt, auf das Begehren um eine teilbedingte Nachsicht der Strafe (§ 43 a StGB) einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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