OGH 6Ob223/99h

OGH6Ob223/99h21.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Rudolf P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen 83.288,04 S, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. April 1999, GZ 1 R 112/99p-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 18. Dezember 1998, GZ 15 C 912/98x-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Vertrag vom 31. 3./16. 3. 1993 mietete der Beklagte von der Klägerin eine Fernsprechanlage zu einem monatlichen Mietzins von 935 S zuzüglich Versicherungsprämie. Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte vereinbarungsgemäß zum Kalenderquartal unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Der Beklagte verzichtete für das bei Betriebsbereitschaft der Anlage laufende Jahr und anschließende zehn Kalenderjahre auf eine Kündigung. Für den Fall vorzeitiger Beendigung des Mietvertrages wurde vereinbart, dass die Klägerin die Hälfte der restlichen Mieten von dem auf den Tag der Vertragsbeendigung folgenden Vierteljahresersten bis zum Ende des Kündigungsverzichtes beanspruchen könne. Am 31. 1. 1996 nahmen die Streitteile eine Vertragsergänzung vor. Gleichzeitig erstreckte der Beklagte seinen Kündigungsverzicht um ein weiteres Kalenderjahr bis 31. 12. 2004. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis schließlich zum 31. 12. 1997 auf.

Die Klägerin begehrt nun Restmiete von 50 % der vereinbarten Mieten zwischen Kündigungszeitpunkt und Ende des Kündigungsverzichts.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, es wäre ihm ab 1997 möglich gewesen, mit einer ISDN-tauglichen Anlage über eine wesentlich leistungsfähigere Telefonanlage zu verfügen. Die Kündigungsvereinbarung sei angesichts der erheblichen wirtschaftlichen und technischen Benachteiligung im Falle ihrer Zuhaltung sittenwidrig.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Restmieten. Ausgehend vom eingangs festgestellten Sachverhalt verneinte es die Sittenwidrigkeit der im Mietvertrag vereinbarten Vertragsstrafe bei zehnjährigem Kündigungsverzicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Der Oberste Gerichtshof habe sich schon mehrfach mit der Frage der Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafenklauseln im Zusammenhang mit der Kündigung von Mietverträgen über Fernsprechanlagen vor Ablauf des vereinbarten Kündigungsverzichts auseinandergesetzt und die Sittenwidrigkeit in gleichgelagerten Fällen verneint. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass die vereinbarte Konventionalstrafe von jenem Schaden, der dem Kläger durch die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses entstanden sei, erheblich abweiche. Er habe den Beweis mangelnden Verschuldens an der Nichterfüllung der übernommenen vertraglichen Verpflichtung nicht erbracht.

Das Berufungsgericht änderte seinen Zulassungsausspruch - es hatte zunächst die ordentliche Revision nicht zugelassen - auf Antrag des Beklagten ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage der Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafenklauseln im Zusammenhang mit der Kündigung von Mietverträgen über Fernsprech-(nebenstellen-)anlagen vor Ablauf des vereinbarten Kündigungsverzichtes unter Berücksichtigung der Digitalisierung des Leitungsnetzes und der Erfindung der ISDN-tauglichen Telefonanlage befasst habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bei Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen im Zusammenhang mit einem zehnjährigen Kündigungsverzicht bereits erkannt, dass bei der Miete einer Fernsprechnebenstellenanlage auf unbestimmte Zeit bei zehnjährigem Kündigungsverzicht ein der Eigenart dieses Geschäftes entsprechendes Bedürfnis bestehe, die Bindung des Mieters an eine bestimmte Mietdauer durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu bestärken. Darin könne weder ein offensichtlich unbegründeter Vermögensvorteil für den Vermieter erblickt werden, der dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspreche oder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze verstosse, noch eine unangemessene Folge der einseitigen Abkehr vom Vertrag, die das Verderben des Schuldners herbeiführen oder seine wirtschaftliche Bewegungsfähigkeit übermäßig beeinträchtigen könnte (MietSlg 34.123). Er hat auch in der Folge im Zusammenhang mit Mietverträgen über Fernsprech-(nebenstellen-)anlagen die Sittenwidrigkeit eines Kündigungsverzichtes auf zehn Jahre verbunden mit einer Vertragsstrafenvereinbarung in Höhe der Hälfte der bis zum Ende des Kündigungstermins fälligen Restmieten verneint (SZ 49/109; 7 Ob 348/97w).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Sie ist auch unter Bedachtnahme auf den vom Beklagten ins Treffen geführten technischen Fortschritt nicht zu beanstanden, zumal das Auftreten technischer Neuerungen gerade im Bereich der Telekommunikation beiden Streitteilen als Kaufleuten ohne Zweifel bewußt sein musste. Überdies würde die jederzeitige Auflösbarkeit derartiger Mietverträge das Finanzierungsrisiko grob zu Lasten des Vermieters verschieben, hätte doch der Vermieter in einem solchen Fall allein das Risiko des Auftretens technischer Neuerungen zu tragen und könnte die oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr dem letzten technischen Stand entsprechenden Anlagen kaum mehr weiter verwerten.

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird die Revision des Beklagten als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihre Rechtsmittelbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich war.

Stichworte