OGH 14Os118/99

OGH14Os118/9912.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Abdul M***** wegen des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Juni 1999, GZ 1 d Vr 10.224/98-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kolarz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe - unter Beibehaltung der bedingten Strafnachsicht - auf 6 (sechs) Monate erhöht.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Anästhesist Dr. Abdul M***** des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 16. September 1998 in Wien die Özgür Z*****, also eine Person weiblichen Geschlechtes, die sich nach einem Schwangerschaftsabbruch unter dem Einfluss der Narkose am Gynäkologiesessel angeschnallt in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, zur Unzucht missbraucht, indem er sie an der Scheide massierte.

Er bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Tatsachenrüge (Z 5a) gelingt es nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Das Erstgericht hat vielmehr überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen es den Angaben der Zeugin Özgür Z***** Glauben schenkte. Es konnte sich hiebei auch auf die Aussage der Zeugin Pempe C***** stützen, welche von einem ähnlichen Verhalten des Beschwerdeführers anlässlich eines solchen Eingriffes berichtete, auch wenn der Angeklagte von dem diesbezüglichen Anklagevorwurf aus rechtlichen Gründen freigesprochen wurde. Aufgrund der im wesentlichen völlig gleichlautenden Aussagen der beiden Frauen, die nach ihren Angaben zum Zeitpunkt des jeweiligen Vorfalls bereits aus der Narkose erwacht waren und Schmerzen verspürten, schloss das Erstgericht einen Irrtum der Zeuginnen aus. Dies steht auch mit dem medizinischen Sachverständigengutachten im Einklang, das zwar generell über Träume - auch erotischen Inhalts - bei Narkosen mit dem angewendeten Mittel Diprivan berichtet, es aber als äußerst unwahrscheinlich hinstellte, dass die Schilderungen der beiden Zeuginnen auf ein für Diprivan typisches Traumerlebnis zurückgingen. Soweit der Beschwerdeführer dessen ungeachtet seine Verantwortung dahin, dass es sich um eine Halluzination der Frauen gehandelt habe, zum Durchbruch zu bringen sucht, erschöpft sich sein Vorbringen in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.

Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO - der Sache nach Z 10, weil die Richtigkeit der Argumentation bloß die Vollendung, nicht aber den Versuch der strafbaren Handlung ausschlösse (vgl 15 Os 194/98) - bringt der Beschwerdeführer vor, daß die Berührung des Geschlechtsteils des Tatopfers wegen der vom Erstgericht festgestellten Kürze (von einigen Sekunden) das Tatbild des § 205 Abs 2 StGB nicht erfülle.

Auch dieser Einwand versagt.

Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Missbrauchs liegt dann vor, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige und sexual sinnbezogene Berührung gebracht werden (EvBl 1976/205 uva; vgl auch JBl 1990, 807). Eine längere Dauer und besondere Intensität der unzüchtigen Handlung ist nicht erforderlich (9 Os 3/80). Ein Streicheln, Betasten bzw Abtasten sowie Erfassen und Ergreifen schließt eine Wertung als bloß flüchtige - und damit nicht tatbestandsmäßige - Berührung aus (11 Os 182/80). In diesem Sinne stellt auch das vom Erstgericht festgestellte Massieren der Scheide und des Kitzlers Unzucht dar, zumal das gewählte Tätigkeitswort eine gewisse über eine bloß flüchtige Berührung hinausgehende Dauer ausdrückt.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Mangel an Feststellungen zu seiner sexuellen Motivation geltend macht, verkennt er, dass für die Erfüllung des Tatbestandes des § 205 Abs 2 erster Fall StGB die Absicht, sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, nicht gefordert wird (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 205 RN 19).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 205 Abs 2 StGB eine dreimonatige Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es die Tatsache, dass der Angeklagte wegen eines Vorsatzdeliktes noch nicht vorbestraft ist, als mildernd; als erschwerend berücksichtigte es, dass er als Arzt, der in diesem Falle eine besondere Vertrauensstellung genoss, sich hinreißen ließ, eine solche Handlung zu begehen.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine bedingte Geldstrafe begehrt, und die eine Erhöhung des Strafmaßes anstrebende Berufung der Staatsanwaltschaft.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Den Urteilsausführungen zuwider erreicht der Umstand, dass der Angeklagte wegen eines Vorsatzdeliktes noch nicht vorbestraft ist, nicht die Qualität eines besonderen Milderungsumstandes. Vielmehr fallen dem Angeklagten die beiden Vorverurteilungen wegen einschlägiger, weil gleicher- maßen gegen die körperliche Integrität der jeweiligen Opfer gerichteter und im Rahmen einer medizinischen Behandlung - wenn auch nur fahrlässig - begangener strafbarer Handlungen (§ 80 StGB; vgl Jerabek in WK2, § 71 Rz 7,8) als erschwerend zusätzlich zum Missbrauch seiner Vertrauensstellung als Arzt zur Last.

Bei entsprechender Gewichtung der nach dieser Korrektur verbleibenden Strafzumessungsgründe kann die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe der unrechtsbezogenen Täterschuld nicht genügen; vielmehr bedarf es auf der Basis der gesetzlichen Strafdrohung bis zu drei Jahren (§ 205 Abs 2 StGB) einer Anhebung des Ausmaßes der notwendigen Freiheitsstrafe auf sechs Monate.

Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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