OGH 15Os194/98

OGH15Os194/9817.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hosny S***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. August 1998, GZ 3 b Vr 2551/98-10, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hosny S***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14. Jänner 1998 in Wien dadurch, daß er Brigitte P***** festhielt, sie an sich drückte und sie von hinten im Bereich der unteren Beckenregion bzw des Schamhaarbereiches betastete, außer in den Fällen des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt hat.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde und daher das Urteil mit einem vom Beschwerdeführer allerdings nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund behaftet ist.

Eine geschlechtliche Handlung im Sinne des § 202 Abs 1 StGB setzt voraus, daß vorsätzlich eine zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartie des Opfers oder des Täters mit dem Körper der jeweils anderen Person in eine nicht bloß flüchtige, sexualbezogene Berührung gebracht wurde (Leukauf/Steininger, Komm3 § 202 RN 5, 6; Foregger/Kodek StGB6 § 202 Anm III; JBl 1990,807).

Hiezu hat das Erstgericht in der Urteilsbegründung aber - außer einem der inkriminierten Tathandlung vorausgegangenen, vom Urteilsspruch nicht umfaßten und in den Gründen nicht näher umschriebenen Griff auf Hüfte und Gesäß - nur festgestellt, der Angeklagte habe (bedingt vorsätzlich) mit beiden Händen von hinten auf die untere Beckenregion der Zeugin P***** im Bereich der Schamhaare gegriffen (US 5). Im Urteilsspruch hat es die Tat so umschrieben, daß der Beschwerdeführer die Zeugin im Bereich der unteren Beckenregion "bzw" des Schamhaarbereiches betastete, wobei angesichts der Verwendung des wahldeutigen Wortes "bzw" (und/oder) unklar bleibt, ob damit eine Kumulation oder eine Alternative zum Ausdruck gebracht werden sollte; nur ein Griff zum Schamhaarbereich könnte eindeutig als sexualbezogen angesehen werden.

Diese teils widersprechenden Konstatierungen vermögen mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung des vom Angriff betroffenen Körperbereiches den Schuldspruch wegen des vollendeten Vergehens nach § 202 Abs 1 StGB nicht zu tragen. Darüber hinaus findet sich insbesondere auch zur Dauer der (möglicherweise) sexualbezogenen Handlungen keine eindeutige Feststellung; nur die Zeit des Festhaltens der Zeugin, also der Gewalthandlung, kann aus dem Ablauf der Tat erschlossen werden, nicht aber die Dauer einer sexualbezogenen Handlung.

Diese Urteilsannahmen lassen aber die Frage offen, ob der Angeklagte die Tat bereits vollendet, oder die sexualbezogene Handlung nur versucht hat. Sie gestatten in dieser Form nicht einmal eine eindeutige Beurteilung dahin zu, ob es sich nicht allenfalls um eine bloß flüchtige Berührung gehandelt haben könnte.

Es liegt somit ein vom Rechtsmittel nicht relevierter, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkender Feststellungsmangel vor, sodaß das Urteil aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in der nichtöffentlichen Sitzung sofort aufzuheben war, weil sich die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht vermeiden läßt. Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe des § 281 Abs 1 StPO.

Im erneuerten Verfahren wird das Schöffengericht insbesondere durch genaue Befragung der Zeugin P***** die Intensität, die Dauer und den genauen Körperbereich der Berührung zu klären und dann (allenfalls) neuerlich zu beurteilen haben, ob und in welcher Form (Vollendung oder Versuch) das inkriminierte Vergehen vorliegt.

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