OGH 6Ob134/99w

OGH6Ob134/99w16.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Eduard G*****, 2. Genoveva G*****, beide vertreten durch Dr. Gisela Possnig-Fuchs und Dr. Peter Wasserbauer, Rechtsanwälte in Weiz, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Parteien Johann S*****, ohne Beschäftigungsangabe, *****, vertreten durch Dipl. Ing. Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe einer Liegenschaft (Streitwert im Provisorialverfahren 300.000 S), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 23. März 1999, GZ 2 R 42/99k-10, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Graz vom 21. Jänner 1999, GZ 22 Cg 9/99v-3, abgeändert und der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei die mit 15.097,50 S (darin 2.516,25 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Notariatsakt vom 11. 9. 1990 wurde den Klägern eine Liegenschaft je zur Hälfte auf den Todesfall des Übergebers übertragen. Dieser gab im Übergabsvertrag bereits eine Aufsandungserklärung ab. Die Kläger verpflichteten sich zu verschiedenen an den Übergeber zu erbringenden Versorgungsleistungen (Pflege; Verköstigung; Einräumung einer Wohnmöglichkeit ua). Im Übergabsvertrag wurde festgestellt, daß die Übergabe und Übernahme in den faktischen Besitz und der Genuß am Übergabsobjekt erst mit dem Tod des Übergebers als vollzogen gelten sollen. Die Parteien vereinbarten im Übergabsvertrag ferner als auflösende Bedingung den vom zuständigen Gericht festzustellenden Unvergleichsfall, daß die Übernehmer den Übergeber schlecht oder lieblos behandeln oder ihren Verpflichtungen nicht oder nicht gehörig nachkommen (Beil C).

Der Übergeber schenkte mit Schenkungsvertrag aus dem Jahr 1997 dem Beklagten die Liegenschaft. Dessen Eigentumsrecht wurde verbüchert.

Die Kläger begehren mit ihrer am 20. 1. 1999 beim Erstgericht eingebrachten Klage, den Beklagten zur Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Kläger zu verpflichten und verbanden die Klage mit dem Sicherungsantrag, dem Beklagten jegliche Verfügung über die Liegenschaft, insbesondere deren Veräußerung oder Belastung zu verbieten. Der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Schenkung Kenntnis vom Bestehen des Übergabsvertrags auf den Todesfall zugunsten der Kläger gehabt. Er habe dennoch den Kläger zum Abschluß des Schenkungsvertrags, also zum Vertragsbruch verleitet. Während die Kläger die Liegenschaft entgeltlich erworben hätten, habe der Beklagte die Liegenschaft geschenkt erhalten. Der Zweiterwerber sei weniger schutzwürdig. Die Kläger hätten die Liegenschaft unter der notwendigen Bedingung des Todes des Übergebers erhalten. Aufgrund des Vertragsbruchs brauche der Eintritt dieser Bedingung nicht mehr abgewartet werden. Die Kläger seien schon jetzt berechtigt, die Herausgabe der Liegenschaft zu verlangen. Der Beklagte habe in das Forderungsrecht der Kläger eingegriffen und sei zum Schadenersatz verpflichtet.

Das Erstgericht erließ ohne Anhörung des Beklagten die beantragte einstweilige Verfügung, beschränkte aber die Wirksamkeit derselben bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, daß bei der Errichtung des Schenkungsvertrages die Vertragsteile über die Existenz des Übergabsvertrages belehrt worden seien. Der Geschenkgeber habe erklärt, daß der Unvergleichsfall eingetreten sei und er sich deshalb an den Übergabsvertrag nicht gebunden fühle. Der Beklagte habe eine bis 22. 9. 1999 wirkende Rangordnung für die Veräußerung der geschenkten Liegenschaft erwirkt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß das unter der aufschiebenden Befristung eingeräumte Anwartschaftsrecht der Kläger durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden könne. Der Unvergleichsfall sei aber nicht eingetreten, weil dies von einer gerichtlichen Feststellung abhänge, die bisher noch nicht erfolgt sei. Die Kläger seien als außerbücherliche Ersterwerber anzusehen, denen nach Schadenersatzrecht Schutz vor den Folgen einer Weiterveräußerung zu gewähren sei. Da der Beklagte bei Abschluß des Schenkungsvertrages vom Übergabsvertrag und dem Vertragsbruch Kenntnis gehabt habe, lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Naturalrestitution vor. Auf Grund der vom Beklagten erwirkten Rangordnung für die Veräußerung sei zu besorgen, daß der Anspruch der Kläger vereitelt oder erheblich erschwert werden würde. Die einstweilige Verfügung sei allerdings zeitlich bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die Klage zu beschränken gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab.

Es beurteilte den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Übergabsvertrag den Klägern bereits mit Vertragsabschluß einen Anspruch verschafft habe, dessen Erfüllung allerdings mit dem Tod des Übergebers aufschiebend befristet sei. Der Übergeber sei Eigentümer der Liegenschaft und dinglich verfügungsberechtigt geblieben. Die Veräußerung der Liegenschaft an den Beklagen sei wirksam. Die im Übergabsvertrag vorgesehene auflösende Bedingung sei nicht eingetreten, weil der "Unvergleichsfall" gerichtlich festgestellt hätte werden müssen. Es seien Schadenersatzansprüche nach der auf den Lehren von Koziol und Holzer/Schilcher aufbauenden Rechtsprechung denkbar. Nach Koziol bestehe eine Haftung nur bei einem schuldhaften, also wissentlichen Eingriff in fremde Forderungsrechte. Demgegenüber gingen Holzer und Schilcher einen Schritt weiter und bejahten eine Haftung des Zweiterwerbers schon bei bloßer Fahrlässigkeit. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung sei einmal der Lehre Koziols und dann wieder den von Holzer und Schilcher entwickelten Grundsätzen gefolgt (JBl 1996, 521 u. a. versus 7 Ob 34/97v u. a.). Nach dem bescheinigten Sachverhalt könne hier nicht von einem arglistigen Zusammenwirken des Übergebers und Geschenkgebers einerseits und dem Beklagten anderseits ausgegangen werden. Die behandelte Rechtsfrage könne hier allerdings dahingestellt bleiben. Die Kläger könnten derzeit noch nicht Erfüllung fordern, weil ihr Anspruch mit dem Tod des Übergebers aufschiebend befristet sei. Ein Schadenersatzanspruch könne nicht schon gegen den Veräußerer selbst, sondern erst gegen dessen Nachlaß oder seinen Erben geltend gemacht werden. Vor dem vereinbarten Erfüllungszeitpunkt könne kein Schaden entstanden sein. Der angestrebte sofortige Ersatz würde die Kläger besser stellen, als sie bei einem vertragstreuen Verhalten des Übergebers stünden. Auf eine "treuwidrige Bedingungsvereitelung" könnten sich die Kläger nicht berufen, weil im vorliegenden Fall keine Bedingung, sondern eine Befristung vereinbart worden sei und der Übergeber nicht das für die Befristung maßgebliche Ereignis (seinen Tod) sondern die versprochene Leistung selbst unmöglich gemacht habe. Eine Bedingungsvereitelung, die eine sofortige Fälligkeit bewirke, liege nicht vor. Der zu sichernde Anspruch sei von den Klägern nicht bescheinigt worden. Bei nicht ausreichender Bescheinigung könne zwar eine einstweilige Verfügung gegen Sicherheitsleistung erlassen werden, der völlige Mangel einer Anspruchsbescheinigung könne aber nicht ersetzt werden. Ein Anspruch der Kläger auf sofortige Herausgabe der Liegenschaft bestehe nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Kläger die Abänderung dahin, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder hergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben und verweist auf die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig.

Vorauszuschicken ist, daß die Frage der Zulässigkeit einer Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit über 260.000 S hier deshalb dahingestellt bleiben kann, weil auch der Einheitswert der Liegenschaft diesen Betrag übersteigt (P 13. des Notariatsaktes Beil C), sodaß das Ergebnis auch bei Anwendung des § 60 Abs 2 JN dasselbe bleibt.

Im Revisionsrekurs wird in der Zulassungsbeschwerde als erhebliche Rechtsfrage nur die vom Rekursgericht aufgezeigte nicht einheitliche Lehre und Judikatur zu den Voraussetzungen einer Haftung wegen der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte releviert. Dazu kann auf die ausführliche Darstellung des Rekursgerichtes verwiesen werden. Es ist ihm zuzustimmen, daß der unterschiedlich beurteilten Frage, ob beim Doppelerwerb für die Haftung des Zweiterwerbers eine Verleitung zum Vertragsbruch erforderlich ist oder ob schon die Kenntnis oder die fahrlässige Unkenntnis des Zweiterwerbers von der Bindung des Veräußerers genügt, hier deshalb keine entscheidungswesentliche Rolle spielt, weil die Kläger weder gegenüber dem beklagten Geschenknehmer noch gegen den Geschenkgeber einen Anspruch auf sofortige Eigentumsrechtsübertragung haben. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß der Anspruch der Übernehmer ein bis zum Tod des Übergebers befristeter Erfüllungsanspruch ist. Bis dahin haben die Kläger gegenüber dem Übergeber nur einen Unterlassungsanspruch (SZ 49/75). Ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung kommt erst ab dem Tod des Übergebers in Frage (NZ 1985, 69 u. a.; Kurschel in NZ 1986, 97). Nach übereinstimmder Auffassung wird bei der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte das Schadenersatzrecht als Anspruchsgrundlage herangezogen und ein Restitutionsanspruch des Ersterwerbers bejaht, der hier nur darin bestehen könnte, daß eine Rechtslage hergestellt wird, wie sie vor der Schenkung an den Beklagten bestand. Ob ein Klagebegehren auf Rückabwicklung des Schenkungsvertrags, also auf Rückübertragung des Eigentumsrechtes an den Geschenkgeber und Übergeber berechtigt sein könnte (mit einer Stattgebung würde dem nicht am Verfahren beteiligten Übergeber die verschenkte Liegenschaft wiederum aufgedrängt), kann dahingestellt bleiben, weil ein solches Begehren nicht gestellt wurde und entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber auch nicht ein Minus gegenüber dem gestellten Klagebegehren darstellte. Das Klagebegehren ist auf die Übertragung des Eigentumsrechts an die Kläger gerichtet und kann nicht dahin umgedeutet werden, daß diese eine Übertragung an ihren Vertragspartner, den Übergeber der Liegenschaft anstreben.

Eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung einer Haftung des Zweiterwerbers bei bloßer Kenntnis von der vertraglichen Bindung seines Vertragspartners wäre nach übereinstimmender Auffassung ein Besitz des Ersterwerbers am Schenkungsobjekt, also eine verstärkte Erkennbarkeit des fremden Forderungsrechts. Daß ein solcher Besitz entgegen der Bestimmung im Übergabsvertrag, der für den Besitzübergang den Zeitpunkt des Todes des Übergebers vorsieht, vorgelegen sei, wurde nicht festgestellt. Warum trotz Fehlens dieser Voraussetzung der Klageanspruch dennoch bejaht werden könnte, wird im Revisionsrekurs nicht ausgeführt.

Zur Fälligkeit des Herausgabeanspruchs wird nur vorgebracht, daß in der schenkungsweisen Übertragung des Eigentumsrechts an den Beklagten eine treuwidrige Bedingungsvereitelung liege, welche die sofortige Fälligkeit der Hauptleistung bewirke. Dieser Rechtsansicht sind die zutreffenden Gründe des Rekursgerichtes entgegenzuhalten (§ 510 Abs 3 ZPO). Das treuwidrige Verhalten des Übergebers in einem allfälligen Zusammenwirken mit dem Beklagten vermag an der Befristung des Anspruchs nichts zu ändern. Ob schon jetzt ein Begehren auf Zustimmung des Beklagten zur Einverleibung des Eigentumsrechts der Kläger ab dem Zeitpunkt des Todes des Übergebers möglich und sicherungsfähig wäre (wie dies bei einem Begehren gegen den Übergeber selbst schon bejaht wurde: Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 956; SZ 34/16) braucht nicht untersucht werden, weil ein solches Begehren nicht gestellt wurde und mangels jeglicher Rekursausführungen dazu auch nicht von einem sogenannten Minus gegenüber dem Klagebegehren ausgegangen werden kann.

Mangels Anspruchsbescheinigung hat das Rekursgericht den Sicherungsantrag zu Recht abgewiesen. Der Revisionsrekurs führt dagegen keine entscheidungswesentlichen erheblichen Rechtsfragen ins Treffen und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

In der Revisionsrekursbeantwortung wurde auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Der obsiegende Beklagte hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Kosten im Revisionsrekursverfahren (§§ 41 und 50 ZPO iVm §§ 78 und 402 EO).

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