OGH 3Ob310/98d

OGH3Ob310/98d15.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe L*****, vertreten durch Dr. Reinhard Steger und Dr. Johann Schilchegger, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zarl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 37 EO), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 14. September 1998, GZ 53 R 144/98b-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9. Jänner 1998, GZ 19 C 17/97p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die von der beklagten Partei gegen den Verpflichteten Hermann L***** zu 9 E 1288/97p des Erstgerichtes zur Hereinbringung einer Forderung von S 242.320 sA geführte Exekution durch Zwangsverwaltung des Hälfteanteils des Verpflichteten an der EZ ***** Grundbuch ***** W***** sei unzulässig, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 39.966,36 (darin enthalten S 6.221,06 Umsatzsteuer und S 2.640 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 3. 4. 1997 wurde der beklagten Partei zur Hereinbringung einer Forderung von S 242.320 sA gegen Hermann L***** die Exekution durch Zwangsverwaltung des Hälfteanteils des Verpflichteten an einer Liegenschaft bewilligt. Nach der Anmerkung der Zwangsverwaltung wurde das Fruchtgenußrecht für die Klägerin, die Eigentümerin des anderen Hälfteanteils ist, einverleibt.

Theodor L*****, der Gatte der Klägerin und Vater des Verpflichteten, war vorher Eigentümer dieser Liegenschaftshälfte. Er verstarb am 9. 9. 1992. Die Klägerin als Alleinerbin schloß mit dem Verpflichteten am 6. 6. 1993 ein Pflichtteilsübereinkommen, nach dem dieser den Hälfteanteil in sein Eigentum übernahm. Er räumte der Klägerin in Ansehung dieses Liegenschaftsanteils das lebenslängliche und für die Zukunft unentgeltliche Fruchtgenußrecht ein und bestellte dieses Fruchtgenußrecht der Klägerin zur persönlichen Dienstbarkeit; das Fruchtgenußrecht ist entsprechend den Bestimmungen der §§ 509 ff ABGB auszuüben. Dieses Pflichtteilsübereinkommen wurde vom Verlassenschaftsgericht zur Kenntnis genommen; danach wurde der Nachlaß der Klägerin eingeantwortet.

Für die beklagte Partei wurde für die betriebene Forderung auf der Liegenschaftshälfte kein vertragliches oder exekutives Pfandrecht begründet.

Die Klägerin stützt ihre auf Unzulässigerklärung der Exekution gerichtete Klage auf das ihr vor der Exekutionsbewilligung eingeräumte Fruchtgenußrecht, das jedoch erst danach verbüchert worden sei.

Die beklagte Partei wendete ein, dieses Fruchtgenußrecht sei nachrangig; im übrigen habe es die Klägerin an Christa L***** weitergegeben, die ihr nur die Betriebskosten zu bezahlen habe; die Klägerin habe auf das Fruchtgenußrecht durch mehrjährigen Nichtgebrauch verzichtet.

Das Erstgericht gab der Klage statt; den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, das Fruchtgenußrecht entstehe als dingliches Recht erst durch die Verbücherung (§§ 481, 509 ABGB), rechtfertige aber als solches einen Widerspruch gegen die Exekution durch Zwangsverwaltung nach § 37 EO. Dieses der Klägerin zum Zeitpunkt der ersten Vollzugshandlung zustehende obligatorische Recht rechtfertige einen Widerspruch gemäß § 37 EO, zumal der betreibende Gläubiger nicht mehr Rechte in Anspruch nehmen könne als die verpflichtete Partei. Eine Exekution durch Zwangsverwaltung sei unzulässig, wenn die Erträgnisse aus einer davon erfaßten Liegenschaft nicht der verpflichteten Partei zustehen. Der Gutglaubensschutz auf den Grundbuchsstand komme einer betreibenden Partei im Rahmen einer Realexekution nicht zu. Ein Verzicht der Klägerin durch Nichtausübung des Fruchtgenußrechtes bzw durch Weitergabe liege nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der beklagten Partei dieses Urteil und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 52.000, nicht aber S 260.000; die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Beurteilung der Frage, ob die Einräumung eines obligatorischen Fruchtgenußrechtes vor Bewilligung bzw Anmerkung einer Zwangsverwaltung diese unzulässig mache, Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme und dazu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, grundsätzlich sei der Fruchtgenuß ein dingliches Recht, das an Liegenschaften erst durch seine Verbücherung entstehe (§ 509 ABGB); es könne jedoch ein inhaltlich ähnliches obligatorisches Recht ebenfalls begründet werden. Der Fruchtnießer habe das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse, weshalb der Eigentümer eines belasteten Anteils von dessen Verwaltung ausgeschlossen sei; er habe auch das Recht, die Sache in Bestand zu geben. Für den konkreten Fall bedeute dies, daß die Klägerin im Rahmen ihres obligatorischen Fruchtgenußrechtes berechtigt sei, die Nutzung der Liegenschaftshälfte an eine dritte Person weiterzugeben. Daraus könne kein Verzicht der Klägerin auf das Fruchtgenußrecht abgeleitet werden; die Klägerin habe im Rahmen der ihr zustehenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse gehandelt. Ein Verzicht wäre darüber hinaus nur gegenüber dem Eigentümer der Liegenschaftshälfte wirksam.

Bei Bestehen von Miteigentum an einer Liegenschaft seien gemäß § 99 EO die übrigen Miteigentümer von der Bewilligung der Zwangsverwaltung eines Liegenschaftsanteils zu verständigen. Darüber hinaus finde die Übergabe der Liegenschaft an den Verwalter in diesem Fall nur nach Maßgabe der dem Verpflichteten zustehenden Besitzrechte statt. Hätten die Miteigentümer die Verwaltung und die Nutzung der gemeinsamen Liegenschaft geregelt, so sei auch der Zwangsverwalter an diese Vereinbarung gebunden. Der Zwangsverwalter übe nur die einem Miteigentümer gemäß §§ 828 ff ABGB zustehenden Rechte aus. Der Zwangsverwalter sei an die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem anderen Miteigentümer gebunden; das Erstgericht habe somit berechtigterweise die Exekution durch Zwangsverwaltung für unzulässig erklärt.

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 97 Abs 1 EO ist die Zwangsverwaltung auf Antrag des betreibenden Gläubigers zum Zwecke der Tilgung der vollstreckbaren Forderung aus den Nutzungen und Einkünften von Liegenschaften oder Liegenschaftsanteilen des Verpflichteten zu bewilligen. Die Exekution durch Zwangsverwaltung ist daher unmöglich, wenn das Recht auf die Nutzungen und Einkünfte der Liegenschaft in einer gegen Dritte wirksamen Weise auf eine vom Verpflichteten verschiedene Person übertragen ist, also insbesondere dann, wenn die Liegenschaft des Verpflichteten mit einem dem Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers vorausgehenden Fruchtgenußrecht einer anderen Person im Grundbuch belastet erscheint. In einem solchen Fall ist die Zwangsverwaltung nach dem Stande des öffentlichen Buches undurchführbar und daher im Sinn des § 101 EO einzustellen (NZ 1937, 27 = RZ 1936, 293). Die Zwangsverwaltung der Liegenschaft darf dann nicht bewilligt werden (Heller/Berger/Stix 955, 971 f).

Diese Wirkung kommt nur der persönlichen Dienstbarkeit des Fruchtgenusses iSd § 509 ABGB zu, also dem Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen. Dieses dingliche Recht der Dienstbarkeit an einer verbücherten Liegenschaft kann gemäß § 481 Abs 1 ABGB nur durch Eintragung im Grundbuch erworben werden.

Eine nicht verbücherte Vereinbarung, mit der ein Fruchtgenuß eingeräumt wird, hat hingegen keine dingliche Wirkung, sondern bindet nur die Vertragsparteien (vgl Petrasch in Rummel, ABGB**2 Rz 2 zu § 481); sie stellt jedenfalls kein von Amts wegen wahrzunehmendes Hindernis für die Bewilligung der Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft oder eines Liegenschaftsanteils (§ 97 Abs 1 EO) dar.

Daraus allein folgt noch nicht die Unzulässigkeit der Exszindierungsklage eines bloß obligatorisch Berechtigten.

Heller/Berger/Stix (456) führen aus, der Fruchtnießer sei berechtigt, Widerspruch nach § 37 EO zu erheben, wenn dem betreibenden Gläubiger Zwangsverwaltung bewilligt wird; sie vertreten jedoch keineswegs die Ansicht, daß dieses Recht entgegen § 481 ABGB auch dem bloß obligatorisch Berechtigten zustehe. An anderer Stelle (955) sprechen sie ausdrücklich davon, daß die Zwangsverwaltung unzulässig sei, "wenn auf der Liegenschaft dem Anspruch des Gläubigers ein grundbücherlich einverleibtes Fruchtgenußrecht einer dritten Person im Rang vorgeht".

Auch Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren**2 Rz 375 bejahen das Exszindierungsrecht des Fruchtnießers an einer unbeweglichen Sache bei Bewilligung einer Zwangsverwaltung, weil bei der Zwangsverwaltung die Rechte des Fruchtnießers nach den Bestimmungen der EO "nach Maßgabe seines bücherlichen Ranges" gewahrt bleiben. Auch diese Autoren stellen somit darauf ab, daß das Fruchtgenußrecht im Grundbuch eingetragen wurde. Die Berechtigung eines bloß obligatorisch Berechtigten zur Exszindierungsklage wird nicht behandelt.

Bei der Beurteilung, ob dem bloß obligatorisch zum Fruchtgenuß Berechtigten das Recht der Exszindierungsklage nach § 37 EO gegen die Exekution durch Zwangsverwaltung der Liegenschaft zusteht, ist auch wesentlich, ob ihm der an sich von der Zwangsverwaltung erfaßte Erlös vorrangig zusteht. Dies hätte nämlich die Konsequenz, daß mangels eines Ertrages der Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 8 oder § 129 Abs 2 EO gegeben wäre. Ein derartiger Vorrang steht dem bloß obligatorisch zum Fruchtgenuß Berechtigten aber nicht zu. Er kann für sich gegen die auf Zwangsverwaltung der Liegenschaft gerichteten Exekution kein vorrangiges Recht auf Bezug der noch nicht gezogenen Früchte in Anspruch nehmen. Für die Begründung eines vorrangigen Rechtes kommt somit ausschließlich die grundbücherliche Eintragung in Betracht. Der bloß obligatorisch zum Fruchtgenuß Berechtigte hat somit dem Zwangsverwalter zu weichen.

Die Bewilligung der Zwangsverwaltung ist zwar nach § 111 Abs 1 EO auf die in Ansehung der verwalteten Liegenschaft bestehenden Miet- und Pachtverträge ohne Einfluß. Aus der speziellen Hervorhebung der Bestandrechte in § 111 EO iVm § 119 Abs 2 EO geht hervor, daß andere obligatorische Rechte Dritter bezüglich der in § 119 Abs 2 EO der Zwangsverwaltung unterworfenen Nutzungen und Einkünfte gegen die Zwangsverwaltung nicht geltend gemacht werden können (Schubert-Soldern, Die Zwangsverwaltung und die Verwahrung und Verwaltung nach Exekutionsrecht 100 mwN). Daran ändert auch eine spätere grundbücherliche Eintragung des Fruchtgenußrechtes nichts. Hat der betreibende Gläubiger vor der Eintragung des Fruchtgenußrechtes die Zwangsverwaltung erwirkt, so kann sie ungeachtet dieses später eingetragenen Fruchtgenußrechtes durchgeführt werden (Schubert-Soldern aaO 150 FN 18).

Da das Fruchtgenußrecht zugunsten der Klägerin schon mangels grundbücherlicher Eintragung keine Wirkung entfaltet, sind Überlegungen zum Gutglaubensschutz des betreibenden Gläubigers irrelevant.

Auch aus der Stellung der Exszindierungsklägerin und obligatorisch zum Fruchtgenuß Berechtigten als Eigentümerin der anderen, nicht in Exekution gezogenen Liegenschaftshälfte ergibt sich nicht die Unzulässigkeit der bewilligten Zwangsverwaltung. In diesem Fall findet gemäß § 99 Abs 3 Satz 2 EO die Übergabe der Liegenschaft nur nach Maßgabe der dem Verpflichteten zustehenden Besitzrechte statt. Dies tangiert jedoch nicht die Zulässigkeit der Exekution durch Zwangsverwaltung an sich. Der Zwangsverwalter übt die einem Miteigentümer gemäß §§ 828 ff ABGB zustehenden Rechte aus, doch ist er nicht berechtigt, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen oder darauf zu klagen oder eine Veränderung bezüglich des Miteigentumsrechts des Verpflichteten durchzuführen, weil er nur die Nutzungen und Einkünfte der Liegenschaft einzuziehen, nicht aber eine Veränderung bezüglich des Gegenstandes selbst vorzunehmen berechtigt ist (Heller/Berger/Stix 965). Daraus folgt jedoch nicht, daß für die Begründung des dinglichen Fruchtgenusses eines Miteigentümers am Hälfteanteil des anderen Miteigentümers die Eintragung im Grundbuch nicht erforderlich wäre. Auch in diesem Fall geht der die Zwangsverwaltung betreibende Gläubiger dem Miteigentümer, dem ein bloß obligatorisches Recht an dem in Exekution gezogenen Liegenschaftsanteil zusteht, vor.

Da die Exszindierungsklägerin somit kein Recht geltend gemacht, das die Zwangsverwaltung unzulässig macht, ist ihre Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auf §§ 41, 50 ZPO.

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