OGH 4Ob218/99h

OGH4Ob218/99h14.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G. ***** GmbH, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei K***** GesmbH, *****, vertreten durch Weidacher, Imre & Imre Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Gleisdorf, wegen 140.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 20. Mai 1999, GZ 4 R 84/99a-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Jänner 1999, GZ 13 Cg 69/98z-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt eine Kfz-Reparaturwerkstätte. Ihr Betriebsgelände ist weder umzäunt noch bewacht, was der Klägerin auch bekannt war. Die Klägerin übergab am 4. 2. 1998 ihren dreiachsigen Sattelauflieger Marke Kogel (ohne Zugfahrzeug) der Beklagten zur Durchführung verschiedener Reparatur- und Einstellarbeiten. Am 5. 2. 1998 waren die Arbeiten beendet; ein Mitarbeiter der Beklagten verständigte die Klägerin telefonisch, daß der Sattelauflieger zur Abholung bereitstehe. Da die Klägerin (durch eine dritte Firma) für den Auflieger eine neue Plane ausmessen und montieren lassen wollte, ersuchte sie die Klägerin, den Sattelauflieger bis zum Abschluß dieser Arbeiten auf dem Areal der Beklagten belassen zu dürfen. Die Beklagte war aus Entgegenkommen damit einverstanden; ein gesondertes Entgelt wurde dafür nicht vereinbart. Noch bevor das Ausmessen der Plane in Angriff genommen werden konnte, wurde der Sattelauflieger vom Betriebsgelände der Beklagten gestohlen.

Die Klägerin begehrt Wertersatz für den gestohlenen Sattelauflieger (120.000 S) sowie Ersatz der ihr durch den Diebstahl entgangenen Mietentgelte für zwei Monate (20.000 S). Der Auflieger habe sich bis zum Diebstahl in der Gewahrsame der Beklagten befunden, die für den entstandenen Schaden zu haften habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie habe der Klägerin unentgeltlich und aus reiner Gefälligkeit nach Beendigung der Reparaturarbeiten erlaubt, den Auflieger weiterhin bei ihr abzustellen; darin liege weder ein Verwahrungsvertrag noch die Übernahme einer Obhutspflicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe unentgeltlich und aus Gefälligkeit gehandelt, weshalb sie keine Obsorge- oder Verwahrungspflichten träfe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle. Eine Reparaturwerkstätte, der im Rahmen eines Werkvertrages ein Fahrzeug zur Reparatur anvertraut werde, übernehme damit auch die Nebenpflicht, dieses Fahrzeug zu verwahren. Werde das Fahrzeug sodann trotz Rücknahmeaufforderung nicht abgeholt, mäßige sich die Sorgfaltspflicht des Werkunternehmers auf grobes Verschulden. Eine Haftung des Werkunternehmers für die Art der Verwahrung eines abgestellten Fahrzeuges sei jedenfalls zu verneinen, wenn dem Auftraggeber die Abstellungsart bekannt sei und er dagegen nicht Einspruch erhebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beklagte habe die sie treffende Obsorgepflicht grob fahrlässig verletzt, was sich schon darin zeige, daß sie die Klägerin erst eine Woche nach dem Diebstahl von diesem Vorfall verständigt habe. Die Verwahrungspflicht als Nebenpflicht des Reparaturvertrags bestehe jedenfalls bis zur Übernahme der reparierten Sache durch den Auftraggeber, es sei denn, dieser zögere die Übernahme ungebührlich hinaus. Die Parteien hätten einvernehmlich den Tag der Übernahme auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt nach Erfüllung des Werkvertrags erstreckt; bis dahin hafte die Beklagte als Verwahrerin. Dazu ist zu erwägen:

Die rechtlichen Beziehungen zwischen Vertragsparteien erschöpfen sich nicht in der Erbringung der vertraglichen Hauptleistung. Zu den für den Vertragstyp wesentlichen Hauptleistungspflichten treten noch bestimmte - selbständige oder unselbständige - Nebenpflichten. Sie dienen der Vorbereitung und reibungslosen Abwicklung der für den Vertragstyp charakteristischen Hauptleistung und können vereinbart sein oder sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung, insbesondere aus der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) oder aus dem Gesetz ergeben (Koziol/Welser I10 193 mwN; Apathy in Schwimann, ABGB**2 Rz 17f zu § 859 mwN; SZ 60/190 uva). Diese Verhaltenspflichten können im Einzelfall auch erfordern, daß selbst nach Erfüllung aller Hauptpflichten noch dafür zu sorgen ist, daß dem Vertragspartner keine Nachteile entstehen. Diese sogenannten "nachvertraglichen Pflichten" erfordern dann gegebenenfalls bestimmte Handlungen oder Unterlassungen zum Vorteil des anderen, damit diesem die vertraglich gewährten Vorteile nicht wieder entzogen oder wesentlich geschmälert werden (Rummel in Rummel, ABGB**2, Rz 30 zu § 859 mwN; Koziol/Welser I10 195; EvBl 1979/3; SZ 60/50; JBl 1987, 102 = EvBl 1987/50; JBl 1997, 245); sie bestehen solange sich der Vertragspartner oder seine Güter in der Einflußsphäre des anderen Vertragspartners befinden (3 Ob 666/81; RdW 1991, 261; 8 Ob 56/98p u.a.).

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, daß ein Reparaturauftrag - auch ohne besondere, ausdrücklich darauf ausgerichtete Vereinbarung (5 Ob 124/74) - nach den Bestimmungen der § 957 iVm §§ 1297, 1299 ABGB die Nebenpflicht des Werkunternehmers einschließt, den zu reparierenden Gegenstand bis zur Rückgabe in den Verfügungsbereich des Werkbestellers sorgfältig zu verwahren (ZVR 1959/242: Haftung eines Kraftfahrzeugmechanikers für den Diebstahl eines PKW, der ihm zur Reparatur übergeben wurde und den er über Nacht unversperrt in einem offenen Hof stehen ließ; 5 Ob 124/74:

Obsorgeverpflichtung eines Autowaschbetriebs für fabriksneue PKW, die im Freien auf einem nicht absperrbaren und für jedermann frei zugänglichen Abstellplatz im Betriebsgelände, teilweise mit angesteckten Wagenschlüsseln oder auch unversperrt, abgestellt wurden; JBl 1974, 624: Obsorgeverpflichtung im Falle der Zurücklassung eines Fahrzeugs zur Vornahme eines Eintauschtests; 2 Ob 540/84: nach Reparaturdurchführung wurde PKW in einem Innenhof des Werkgeländes, das von einem Drahtzaun samt mit Vorhangschlössern gesicherten Toren umgeben war, abgestellt, wobei die Zündschlüssel im Zündschloß belassen und die Fahrzeugtüren nicht abgesperrt waren; SZ 56/143: Haftung für zum Service übergebene Fahrzeuge; SZ 64/62:

Haftung des Inhabers einer Reparaturwerkstätte mit Reparaturhalle und durch Maschendrahtzaun abgeschlossenem Betriebsgelände für vollen Sachversicherungsschutz verneint; vom Sachverhalt her anders gelagert ZVR 1964/155, worin der Kläger seinen Wagen auf der Straße abstellte und einem Bediensteten des mit dem Waschen des Wagens beauftragten Unternehmers die Wagenschlüssel übergab, damit dieser den Wagen in den Betrieb fährt, sobald darin Platz geworden ist: Keine Haftung des Betriebsinhabers, wenn während dieser Wartezeit auf der Straße ein Parkschaden passiert). Unter der den Werkunternehmer treffenden Obsorge ist dabei nicht nur die rein passive Verwahrung zu verstehen; der Verwahrer ist vielmehr auch zu einzelnen positiven Handlungen verpflichtet, die zur Erhaltung der Sache oder Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind.

Diese Obhutsverpflichtung des Werkunternehmers darf aber keinesfalls überspannt werden. So ist etwa ein Werkstätteninhaber außerhalb einer vertraglich übernommenen Verpflichtung nicht gehalten, seinen Kunden einen vollen Sachversicherungsschutz zu verschaffen (SZ 64/62). Bei einem der Autoabstellung dienenden Werksgelände müssen auch keineswegs sämtliche nur denkbaren, sondern wenigstens die einfachsten und am leichtesten zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen getroffen werden. Die Entfernung und sichere Verwahrung des Zündschlüssels sowie das Versperren eines solcherart abgestellten Fahrzeugs sind hiebei eine so naheliegende und unkomplizierte Sicherungsmaßnahme, daß sie von einem sorgfältigen Verwahrer geradezu als Selbstverständlichkeit angesehen werden muß (2 Ob 540/84). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, daß die Haftung für die Art der Verwahrung eines abgestellten Kraftfahrzeugs jedenfalls dann zu verneinen ist, wenn dem Auftraggeber die Abstellungsart bekannt ist und er dagegen nicht Einspruch erhebt (SZ 64/62 mwN; zuletzt 2 Ob 101/99p).

Die Vorinstanzen haben die Grundsätze dieser Rechtsprechung zutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet, der dadurch charakterisiert ist, daß ein nicht selbstfahrfähiger Sattelauflieger nach abgeschlossener Reparatur auf Ersuchen seines Eigentümers und in dessen alleinigem Interesse, aber mit Zustimmung des Werkstattinhabers, noch (unentgeltlich) auf dem nicht eingezäunten und unbewachten Betriebsgelände abgestellt bleiben durfte, wobei dem Eigentümer die Abstellungsart bekannt war. Eine Haftung des Werkstattinhabers für den Diebstahl des Aufliegers von seinem Betriebsgelände käme unter den gegebenen Umständen nur dann in Betracht, wenn ihm die Verletzung der Obsorgepflicht, also Verschulden, vorzuwerfen wäre, wobei es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Rechtsgrund dieser Obsorgepflicht in einer nachvertraglichen Pflicht gegenüber dem Kunden aus dem Werkvertrag bis zur vereinbarten Übernahme oder in einer selbständigen Hauptleistungspflicht eines an den Werkvertrag anschließenden weiteren Vertragsverhältnisses gesehen wird. Für die Annahme einer Pflichtverletzung und damit eines (Mit-)Verschuldens der Beklagten am Diebstahl ergeben sich aber im festgestellten Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte. Die Beklagte hat weder ausdrücklich noch konkludent eine Bewachung des Sattelaufliegers zugesagt, auch durfte die Klägerin nach den ihr bekannten örtlichen Gegebenheiten nicht mit dessen Verwahrung in einem umzäunten Abstellplatz oder gar in einer geschlossenen Halle rechnen. Ebensowenig konnte sie - ohne entsprechenden Auftrag - den Abschluß einer Sachversicherung für die Dauer der Übergabe des Reparaturobjekts an die Werkstätte erwarten. Damit ist der Klägerin der Beweis mißlungen, daß die Beklagte infolge schuldhafter Pflichtverletzung den Diebstahl des Sattelaufliegers zu verantworten habe. Der Revision konnte deshalb kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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