OGH 10ObS37/99k

OGH10ObS37/99k31.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Johanna K*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Höhe der Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 1998, GZ 7 Rs 289/97t-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. September 1997, GZ 31 Cgs 339/96v-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO oder eine Aktenwidrigkeit gemäß § 503 Z 3 ZPO liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Richtig führt die Revisionswerberin zwar aus, daß es genügt, wenn der Rechtsmittelwerber seinen Einwand deutlich zum Ausdruck bringt. Damit eine Beweisrüge gesetzmäßig ausgeführt ist, muß der Rechtsmittelwerber aber auch deutlich zum Ausdruck bringen,

a) welche konkrete Feststellung bekämpft wird,

b) infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde,

c) welche Feststellung begehrt wird,

d) aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 8 zu § 471 mwN). An diesen Voraussetzungen fehlte es jedoch in der Berufung der Klägerin, die sich nur auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stützte. Die Klägerin machte weder den Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung ausdrücklich geltend, noch konnte ihren Ausführungen zu den geltend gemachten Rechtsmittelgründen eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge entnommen werden. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt demzufolge in der Berufung unbekämpft blieb, ist daher weder mangelhaft noch aktenwidrig. Eine amtswegige Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich (§ 44 Abs 2 ASGG). Im übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung, daß ein (angeblicher) Mangel erster Instanz, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde - auch im Verfahren nach dem ASGG - in der Revision nicht mehr erfolgreich gerügt werden kann (Kodek aaO Rz 3 zu § 503 mwN).

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß die Frage, wie viele Versicherungszeiten die Klägerin erworben hat, nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist; es wird diese Frage in der Revision nicht mehr releviert.

Gemäß § 74 Abs 1 ASGG, der erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht wird, ist dann, wenn in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1, 4 oder 6 bis 8 unter anderem die maßgebende Beitragsgrundlage als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Die maßgebende Beitragsgrundlage in diesem Sinn ist jene Größe, die für die Höhe der Beiträge bzw die Bemessung der Leistung maßgebend ist (Bericht des Justizausschusses zitiert bei Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 2 zu § 74; Teschner in Tomandl, SV-System, 10. Erg-Lfg 390; SSV-NF 7/42). Seit der Pensionsreform 1993 (51. ASVG-Novelle) ist Bemessungsgrundlage nunmehr die Summe der 180 höchsten monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen zwischen dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung und dem Ende des letzten vor dem Stichtag liegenden Kalenderjahres, geteilt durch 210 (§ 238 ASVG; Teschner in Tomandl aaO 391; Brodil/Windisch-Graetz, Sozialrecht3 119 f). Dazu ist festzuhalten, daß nicht mehr strittig ist, daß die von den Vorinstanzen herangezogenen Zeiträume die gemäß § 238 ASVG für die Pensionsberechnung heranzuziehenden Zeiträume sind.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich aufgrund der ausführungen der Revisionswerberin nicht zu einer Unterbrechung des Revisionsverfahrens veranlaßt. Ein Unterbrechungsgrund liegt nämlich nicht vor, wenn die Höhe der Beitragsgrundlagen, die für die Bemessungsgrundlage der Pensionsleistung gemäß § 238 ASVG heranzuziehen sind, nicht mehr strittig sind bzw nicht nur erfolgreich bestritten wreden kann. Der diesbezügliche Teil des Ersturteils - die Tatsachenfeststellungen - blieb nämlich in der Berufung, wie bereits oben ausgeführt, unangefochten (SSV-NF 6/74, 3/143). Er wird auch nicht durch die - unzulässige - Bestreitung der bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen in der Revision (wieder) strittig. Stehen aber die maßgeblichen Beitragsgrundlagen bindend fest und wäre etwa nur strittig, wie sich daraus die Bemessungsgrundlage errechnet, läge kein Fall des § 74 Abs 1 ASGG vor (Kuderna, ASGG2 478 f; SSV-NF 6/27). In der vorliegenden Revision stellt die Revisionswerberin aber nicht die Bemessungsgrundlage auf der Grundlage der festgestellten Beitragsgrundlagen in Frage. Ihrer Behauptung, in den Beitragsgrundlagen wären zu Unrecht "Nebengebühren" unberücksichtigt geblieben, ist durch die gegenteilige Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichtes die Grundlage entzogen.

Zutreffend wies schon das Berufungsgericht darauf hin, daß der Anpassungsfaktor vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß §§ 108 f ASVG mit der Verordnung BGBl 761/1995 für das Jahr 1996 mit 1,023 festgesetzt wurde. Dieser Anpassungsfaktor wurde auch vom Erstgericht im Spruch des Ersturteils zugrundegelegt. Der formelle Einwand der Revisionswerberin - inhaltlich erfolgt ohnehin keine Bestreitung -, das Berufungsgericht hätte von der irrtümlichen Ausführung des Erstgerichtes in der rechtlichen Beurteilung, der Anpassungsfaktor habe für das Jahr 1996 1,024 (statt 1,023) betragen, nur nach Beweiswiederholung abgehen können, ist verfehlt. Es handelt sich dabei nicht um eine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage.

Der erste Bescheid der Beklagten vom 23. 9. 1996 trat durch die Erhebung der ersten Klage der Klägerin (31 Cgs 339/96v) am 5. 11. 1996 außer Kraft (§ 71 Abs 1 ASGG). Ob die Beklagte, gestützt auf § 101 ASVG, am 6. 11. 1996, einen Tag nach der Einbringung der ersten Klage, einen Berichtigungsbescheid erlassen durfte, worin sie der Pensionsberechnung weitere 19 Versicherungsmonate nach dem GSVG zugrunde legte, ist vom Sozialgericht nicht zu prüfen. Denn auch dieser zweite Bescheid trat durch die Erhebung der zweiten Klage (31 Cgs 396/96a) am 20. 11. 1996 ohnehin wieder außer Kraft (Fink, Sukzessive Zuständigkeit 416 ff; SSV-NF 4/152, 9/62, 11/85; 10 ObS 202/95). Die Entscheidungsbefugnis sukzedierte damit an das Gericht (Fink aaO 273). Weitere Konsequenzen knüpft offenbar auch die Revisionswerberin nicht an ihren diesbezüglichen Einwand.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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