OGH 8ObA220/98f

OGH8ObA220/98f26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Lothar Matzenauer und ADir Reg. Rat Winfried Kmenta in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut T*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei D***** Linienverkehr KG, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 182.677,88 brutto sA (Revisionsstreitwert S 178.177,88 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 1998, GZ 7 Ra 292/97h-25, womit infolge Berufung das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juni 1997, GZ 31 Cga 138/95w-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teils bestätigt, teils dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen stattgebenden Teiles als Teil- und Zwischenurteil insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 4.500,-- samt 4 % Zinsen seit 11. 2. 1995 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 102.454,88 brutto samt 6 % Zinsen seit 11. 2. 1995 und von 2 % Zinsen aus S 75.723 brutto seit 11. 2. 1995 wird abgewiesen.

Der von der klagenden Partei für den Zeitraum vom 1. 1. 1992 bis 30. 9. 1994 mit dem Betrag von S 75.723 brutto samt 4 % Zinsen seit 11. 2. 1995 geltend gemachte Anspruch auf Abgeltung von nicht gewährten Ersatzruhezeiten besteht für Beschäftigungszeiten während der wöchentlichen Ruhezeit im Zeitraum vom 18. 7. 1992 bis 30. 9. 1994 dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten."

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 24. 4. 1989 bis 10. 2. 1995 bei der Beklagten als Kraftfahrer tätig. Das Dienstverhältnis wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 20. 1. 1995 zum 10. 2. 1995 gekündigt. Der vereinbarte Urlaubskonsum in der Kündigungsfrist wurde durch Krankheit ab 31. 1. 1995 unterbrochen. Mit Schreiben vom 23. 1. 1995 begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung der noch offenen Ansprüche für Oktober bis Dezember 1994, die von seinem Rechtsvertreter mit Schreiben vom 27. 3. 1995 aufgeschlüsselt und bezüglich der Ansprüche aus der Nichtgewährung der Ersatzruhe auf den Zeitraum bis einschließlich 1989 erweitert wurden. Auf die Ersatzruhestunden vom 1. 10. bis 31. 12. 1994 entfällt ein Betrag von S 4.500,-- brutto (Außer-Streit-Stellung AS 101).

Auf das Arbeitsverhältnis der Streitteile war der Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben anzuwenden:

Punkt III. Z 2 lit b lautet:

"Lenkzeiten

Soweit nicht im Kollektivvertrag abweichende Regelungen festgelegt sind, richten sich die Lenkzeiten, Lenkpausen, Einsatzzeiten, Tagesruhezeiten und die wöchentliche Ruhezeit nach dem Arbeitszeitgesetz, dem Arbeitsruhegesetz, der EG-Verordnung 3820/85 und dem AETR in der jeweils geltenden Fassung."

Punkt III. Z 2 lit g lautet:

"Wochenruhe

Der Lenker hat in jeder Woche Anspruch auf eine ununterbrochene wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden. Diese wöchentliche Ruhezeit kann auf 36 zusammenhängende Stunden verkürzt werden.

Außerhalb des Standortes des Fahrzeuges oder des Heimatortes des Lenkers kann die wöchentliche Ruhezeit auf 24 zusammenhängende Stunden verkürzt werden.

Jede Verkürzung ist durch eine zusammenhängende Ruhezeit auszugleichen, die vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche zu nehmen ist. Diese als Ausgleich zustehende Ruhezeit ist zusammen mit einer anderen mindestens achtstündigen Ruhezeit zu gewähren, und zwar über Verlangen des Lenkers am Aufenthaltsort des Fahrzeuges oder am Heimatort des Lenkers.

Zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten dürfen höchstens sechs Tage, im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr (das ist Gelegenheitsverkehr außerhalb des österreichischen Staatsgebietes) höchstens 12 Tage liegen. Im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr kann somit eine wöchentliche Ruhezeit auf die folgende Woche übertragen werden, wobei die ausgefallene wöchentliche Ruhezeit an die wöchentliche Ruhezeit dieser zweiten Woche angehängt werden kann.

Eine wöchentliche Ruhezeit, die in einer Woche beginnt und in die darauf folgende Woche reicht, kann auch der zweiten Woche zugerechnet werden".

Punkt XIV. lautet:

"Verfall von Ansprüchen

Ansprüche des Dienstgebers sowie des Dienstnehmers aus dem Dienstverhältnis sind bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit eingeschrieben geltend zu machen. Als Fälligkeitstag für vom Dienstnehmer allfällig zu erhebende Schadenersatzansprüche gilt jener Tag, an dem der Dienstgeber von dem erlittenen Schaden Kenntnis erhielt.

Als Fälligkeitstag für Ansprüche der Dienstnehmer gilt der Auszahlungstag jener Lohnperiode, in welcher der Anspruch entstanden ist.

Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt".

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei nach Abschluß eines Teilvergleiches, mit dem sich die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von S 70.000,-- netto verpflichtete, einen Restbetrag von S 182.677,88 brutto mit dem Vorbringen, er habe Anspruch auf Entgelt für Ersatzruhestunden nach dem Arbeitsruhegesetz, die er von 1989 bis 1994 nicht habe konsumieren können. Die schadenersatz- bzw bereicherungsrechtlichen Ansprüche resultierten aus dem Vorenthalten von Ersatzruhezeiten nach dem ARG für Arbeitsleistungen an Wochenenden. Der Kläger sei immer wieder während seiner wöchentlichen Ruhezeit zu Fahrten eingeteilt worden, ohne daß ihm die Möglichkeit zum Verbrauch der gemäß § 6 ARG vorgesehenen Ersatzruhe gegeben worden sei. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der Ersatzruheanspruch nicht mehr in natura konsumiert werden und er habe sich in einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gewandelt, der nicht verfallen könne.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte insbesondere den Verfall der Ansprüche des Klägers ein, die nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit eingeschrieben geltend gemacht wurden (Art XIV des Kollektivvertrages).

Das Erstgericht wies das (restliche) Klagebegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Kläger habe erstmals mit Schreiben vom 23. 1. 1995 seine Ansprüche, unter anderen auf Ersatzruhe geltend gemacht, weshalb Ansprüche, die auf einen Zeitraum vor Oktober 1994 entfielen, jedenfalls verfallen seien. Der Kläger habe nicht im Detail vorgebracht, welche konkrete Ersatzruhe er von Oktober bis Dezember 1994 ersetzt begehre. Aus dem Kollektivvertrag und dem ARG gehe hervor, daß vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche die Ersatzruhe zu gewähren sei, weshalb er die Möglichkeit gehabt habe, die ihm im Dezember 1994 vorenthaltene Ersatzruhe noch im Jänner 1995 geltend zu machen. Ersatzruhe, die nicht in dem im Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehenen Zeitraum begehrt werde, verfalle, weshalb eine Abgeltung der Ersatzruhe aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung nicht möglich sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers hinsichtlich eines Teilbetrages von S 4.500,-- brutto samt 4 % Zinsen seit 11. 2. 1995 Folge und bestätigte im übrigen die Abweisung des Mehrbegehrens von S 178.177,88 brutto samt 6 % Zinsen aus diesem Betrag und 2 % Zinsen aus S 4.500,-- jeweils seit 11. 2. 1995. Weiters erklärte es die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG für zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, § 2 Abs 1 Z 4 ARG definiere die Ersatzruhe als eine ununterbrochene Ruhezeit, die als Abgeltung für die während der wöchentlichen Ruhezeit geleistete Arbeit zustehe. Daraus ergebe sich, daß die Ersatzruhe als Ruhezeit frei von jeglicher Beanspruchung aus einem Arbeitsverhältnis zu bleiben habe und sie durch Arbeit nicht unterbrochen werden dürfe; sie stehe nur dann zu, wenn während der wöchentlichen Ruhezeit Arbeit geleistet wurde. Als Abgeltung für Arbeit während der Ruhezeit solle die Ersatzruhe das Erholungsmanko, das durch die Arbeiten in der Ruhezeit aufgetreten sei, ausgleichen (B.Schwarz ARG3, 192 f).

Gemäß § 6 Abs 1 ARG habe der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit beschäftigt werde, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen sei. Die Ersatzruhe sei im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Diese Regelung trage dem öffentlichen Interesse an der Regeneration der Arbeitskraft der Arbeitnehmer aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen Rechnung. Dementsprechend sei auch eine finanzielle Abgeltung sowohl der Wochenend-, der Wochen- als auch der Ersatzruhe grundsätzlich verboten und ein Horten von Ersatzruheansprüchen grundsätzlich ausgeschlossen (9 ObA 75/90 = RdW 1990, 387).

Für besondere Arten von Betrieben (§§ 19 bis 22 c ARG) sei die Vereinbarung abweichender Regelungen durch Kollektivvertrag in bezug auf Lage und Ausmaß der Ersatzruhe in einzelnen Arbeitswochen zulässig. So sehe der hier anzuwendende Kollektivvertrag entsprechend § 22b ARG vor, daß die Verkürzung der Wochenruhezeit durch eine zusammenhängende Ruhezeit auszugleichen sei, die vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche zu nehmen sei.

Nach § 6 Abs 3 ARG sei, wenn der Arbeitnehmer während der Ersatzruhe nach Abs 1 beschäftigt werde, die Ersatzruhe im entsprechenden Ausmaß zu einer anderen einvernehmlich festgesetzten Zeit nachzuholen. Der nun anstelle der ursprünglich vorgesehenen Ersatzruhe zu wählende Ersatzzeitraum sei einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzulegen, wobei aus Gründen der Wahrung des Erholungsinteresses des Arbeitnehmers eine Verschiebung nicht allzu weit in die Zukunft erfolgen dürfe (9 ObA 75/90).

Aus der Strafbestimmung des § 27 ARG ergebe sich ein Ablöseverbot, dh die Ersatzruhe dürfe normalerweise nicht in Geld abgegolten werden (9 ObA 174/92 = DRdA 1993, 251).

Das Gesetz sehe nur dann eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe ausdrücklich vor, wenn im Rahmen einer Sonderbestimmung in bestimmten Branchen ein Kollektivvertrag diese vorsähe (§§ 19 bis 22c ARG). B.Schwarz führe aus (ARG3 211), daß ein ersatzloser Entfall offener Ersatzruheansprüche mit den Grundsätzen des Bereicherungsrechtes, insbesondere mit § 1435 ABGB unvereinbar sei. Werde ersatzruhepflichtige Arbeit geleistet, habe aber das Arbeitsverhältnis als notwendige Grundlage der Schulderfüllung durch den Arbeitgeber geendet, so bleibe nur die finanzielle Abgeltung des ursprünglich nicht in Geld bestehenden Anspruches, weil ansonsten der Arbeitgeber einen - sehr wohl in Geld ausdrückbaren - Vorteil durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe. Er verweise auf eine ähnliche Rechtslage wie sie im Urlaubsrecht vor dem Urlaubsgesetz 1976 bestanden habe.

Im Anlaßfall begehre der Kläger Entgelt für Ersatzruhezeiten von 1989 bis 1994, weil er an Wochenenden habe Arbeiten müssen und hiefür keine Ersatzruhe erhalten habe. Bei dieser Ersatzruhe handle es sich um einen Naturalanspruch auf bezahlte Freizeit, der nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag spätestens vor Ende der auf die betreffende Woche folgenden dritten Woche "zu nehmen" gewesen wäre. Damit werde die Fälligkeit des Ersatzruheanspruches festgelegt. Die im Kollektivvertrag enthaltene Verfallsfrist beziehe sich auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht nur auf Geldansprüche, sodaß infolge der erstmaligen Geltendmachung Ende Jänner 1995 die Naturalansprüche auf Ersatzruhe aus der Zeit vor Oktober 1994 jedenfalls verfallen seien. Beim Anspruch auf Ersatzruhe handle es sich um einen Erfüllungsanspruch, weshalb ein Bereicherungsanspruch, der nicht dem Verfall unterliegen würde, solange der Naturalanspruch auf Freizeit (Ersatzruhe) während des aufrechten Dienstverhältnisses bestehe, nicht vorliege. Hinsichtlich der nicht gewährten Ersatzruhe aus dem Zeitraum Oktober bis Dezember 1994 sei ein Verfall noch nicht eingetreten, weshalb dem Kläger für diese Ersatzruheansprüche, die bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung auslösten, der der Höhe nach unstrittige Betrag von S 4.500,-- brutto gebühre.

Die erhöhten Zinsen nach § 49a ASGG gebührten nicht, weil der Verzug der Zahlung durch die beklagte Partei hinsichtlich dieses Betrages auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhe.

Die Revision sei zulässig, weil der Lösung der Rechtsfrage, ob Ersatzruheansprüche verfallen, von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG sei, und hiezu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteiles richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Außer in der Anfechtungserklärung wird zur Abweisung des über 4 % hinausgehenden Zinsenbegehrens nicht Stellung genommen, sodaß auf die Frage der vertretbaren Rechtsansicht der beklagten Partei bzw die unterschiedliche Fassung des § 49a ASGG vor und nach der Wertgrenzennovelle 1997 bzw auf allfällige Veränderungen Diskontsatzes nicht gesondert einzugehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem Berufungsgericht genannten Grund zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat inzwischen zur Frage der Abgeltung von während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Ersatzruheansprüchen Stellung genommen (9. 12. 1998, 9 ObA 157/98y, inzwischen teilweise veröffentlicht ASoK 1999, 239) wie folgt:

Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 ARG umfaßt die wöchentliche Ruhezeit sowohl die Wochenendruhe als auch die Wochenruhe. Gemäß § 6 Abs 1 ARG hat der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs 1 Z 3) beschäftigt wird, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Die Ersatzruhe ist im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Diese Regelung trägt dem öffentlichen Interesse an der Regeneration der Arbeitskraft der Arbeitnehmer aus arbeitsmedizinischen und volksgesundheitlichen Überlegungen Rechnung. Dementsprechend ist auch eine finanzielle Abgeltung sowohl der Wochenend-, der Wochen-, als auch der Ersatzruhe grundsätzlich verboten und ein "Horten" von

Ersatzruheansprüchen grundsätzlich ausgeschlossen (9 ObA 75/90 = WBl

1990, 239 = DRdA 1991, 155 = RdW 1990, 387 = INFAS 1991 A 18). Die in

den Sonderbestimmungen des 5. Abschnittes des ARG vorgesehenen Ausnahmefälle, in denen allenfalls eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe vorgesehen werden kann, liegen hier jedenfalls nicht vor (vgl Adametz/Dollinger/Dungl Kommz ARG § 6 Anm 59).

Wird ein Arbeitnehmer ausnahmsweise während der Ersatzruhe beschäftigt, ist diese Ersatzruhe gemäß § 6 Abs 3 ARG in entsprechendem Ausmaß zu einer anderen, einvernehmlich festgesetzten Zeit nachzuholen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatzruhe bleibt insoweit gewahrt. Eine Erhöhung des Ausmaßes der Ersatzruhe findet nicht statt, sondern die gesamte Ersatzruhe, die gemäß § 2 Abs 1 Z 4 ARG ununterbrochen zu bleiben hat, wird zeitlich verschoben. Diese Verschiebung darf aber schon wegen der Wahrung des Erholungsinteresses des Arbeitnehmers nicht allzuweit in die Zukunft erfolgen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann im vorliegenden Fall eine (schlüssige) Vereinbarung über die Nachholung der Ersatzruhe im Sinne des § 6 Abs 3 ARG nicht unterstellt werden. In einer Anordnung des Dienstgebers, an Samstagen und Sonntagen zu fahren, liegt zunächst nicht die Inanspruchnahme einer Ersatzruhe-, sondern einer Wochenendruhezeit. In der Befolgung einer solchen Anweisung durch den Kläger kommt auch nicht die Zustimmung zu einem Nachholen der Ersatzruhe zu einer einvernehmlich festgesetzten Zeit zum Ausdruck, weil diese ja völlig unbestimmt geblieben ist. Da somit weder eine solche Vereinbarung iSd § 6 Abs 3 ARG, noch eine Vereinbarung vor Antritt der Arbeit, für welche die Ersatzruhe gebührte (§ 6 Abs 5 ARG), vorliegt, kommt jener Teil des § 6 Abs 5 ARG zur Anwendung, wonach bei Fehlen einer Vereinbarung die Ersatzruhe unmittelbar vor dem Beginn der folgenden wöchentlichen Ruhezeit zu liegen hat (9 ObA 75/90).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß aus dem Erholungszweck der Ruhe- bzw Ersatzruhezeit abzuleiten ist, daß derartige Zeiten nicht gehortet werden sollen, weshalb die nicht rechtzeitige Konsumation zu einem Verfallen des Ruheanspruches führen kann (9 ObA 75/90). An diesem Grundsatz ist insoweit festzuhalten, als das Zustandekommen einer nach § 6 Abs 5 ARG zulässigen Vereinbarung oder die an sich mögliche Inanspruchnahme der Ersatzruhe zum vereinbarten oder gesetzlichen Zeitpunkt am Verhalten des Arbeitnehmers scheitert. Im übrigen kann der von B. Schwarz (ARG3, 205) vorgeschlagenen Lösung gefolgt werden. Ein bedingungsloser Verfall würde nämlich zu dem Ergebnis führen, daß beim Ablauf der Arbeitswoche, in der die Ersatzruhe hätte verbraucht werden sollen und bei Fehlen einer Vereinbarung für den künftigen Verbrauch der Ersatzruhe der eigentliche Zweck der Ersatzruheregelung, nämlich dem Arbeitnehmer einen Erholungszeitraum zu verschaffen, während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht mehr erreicht werden könnte. Da während des aufrechten Arbeitsverhältnisses auch keine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe möglich und zulässig ist, müßte der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses - vielleicht noch Jahrzehnte, wenn keine Verjährung eintritt - warten, um den seinerzeitigen Ersatzruheanspruch in irgendeiner Form realisieren zu können. Der Arbeitgeber, der während des gesetzlichen Ersatzruhezeitraums arbeiten läßt und auf eine Vereinbarung gemäß § 6 Abs 5 "vergißt", wäre in einer geradezu sittenwidrig günstigen Position, um die Realisierung des Anspruchs überhaupt verhindern zu können. B. Schwarz weist weiters zutreffend darauf hin, daß der Gesetzgeber, wenn er gewollt hätte, daß mangels Vereinbarung der Ersatzruheanspruch sofort verfällt, wenn er nicht in der Folgewoche nach der Arbeitsleistung verbraucht wird, eine derartige Regelung getroffen hätte und nicht die Vereinbarung über eine andere Lage des Ersatzruhezeitraums ausdrücklich zugelassen hätte. Es seien daher die allgemeinen Verjährungsreglungen auch für den Ersatzruheanspruch anzuwenden. Danach würde der Anspruch nach drei Jahren ab Fälligkeit verjähren; innerhalb dieser Zeit könne er gerichtlich geltend gemacht werden, wenn der Arbeitgeber nicht bereit sei, einer Vereinbarung über den Verbrauch zuzustimmen und, wenn eine einseitige Inanspruchnahme der Ersatzruhe, welche nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnte, nicht erfolge (B. Schwarz aaO 206).

Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Insbesondere gebietet der der Arbeitsruheregelung innewohnende Erholungsgedanke während des aufrechten Dienstverhältnisses den Vorrang der Inanspruchnahme von Freizeit vor einem allfälligen Geldanspruch. Eingehender Prüfung bedarf hingegen die vom zitierten Autor als selbstverständlich dargestellte Anwendung der kurzen (3jährigen) Verjährungsfrist.

Mit § 1486 ABGB wurde durch die dritte Teilnovelle zum ABGB für Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens eine kurze Verjährungsfrist eingeführt. Maßgeblich hiefür war das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, weil bei diesen Geschäften nach längerer Zeit Beweisschwierigkeiten auftreten (Schubert in Rummel2 ABGB Rz 1 zu § 1486; Schwimann/Mader ABGB2 VII § 1486 Rz 1; Klang in Klang VI2 620 f; 9 ObA 157/97x). Die Aufzählung der dieser Bestimmung unterliegenden Geschäfte ist wohl taxativ, ihre sinngemäße Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die nicht ausdrücklich genannt sind, ist nach herrschender Auffassung aber nicht ausgeschlossen (Schubert aaO Rz 1; Schwimann/Mader aaO; Klang aaO 621). So, wie es einem Vertragspartner nicht zumutbar ist, Quittungen und Rechnungen über immer wiederkehrende Geschäfte über 30 Jahre hindurch aufzubewahren, ist einem Arbeitgeber nicht zumutbar, Aufzeichnungen über den Anfall und die Konsumation von Ruhe- bzw Ersatzruhezeiten durch die Arbeitnehmer über einen derart langen Zeitraum aufzubewahren. So wurde bereits entschieden (OGH vom 26. 11. 1997, 9 ObA 157/97x), daß auch der auf § 1431 ABGB gestützte Anspruch auf Rückzahlung von irrtümlich zuviel gezahltem Arbeitsentgelt ebenfalls ein Bereicherungsanspruch aus einem grundsätzlich dem § 1486 ABGB unterliegenden Geschäft des täglichen Lebens ist, der für Arbeitsverhältnisse keineswegs untypisch ist und für den das für die Schaffung des § 1486 Z 5 ABGB maßgebliche Motiv - die rasche Bereinigung von Streitigkeiten aus den Arbeitsverhältnissen zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten - durchaus zum Tragen kommt. Diese Erwägungen lassen sich auch auf den hier verfahrensgegenständlichen Ersatzruhenspruch des Arbeitnehmers, dh. auf Gewährung von Freizeit unter Entgeltfortzahlung, übertragen. Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht. Hiebei ist in aller Regel der Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruches entscheidend (9 ObA 157/97x).

Vor Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall bedarf es noch einer Auseinandersetzung mit der Reichweite der von den Vorinstanzen auf den geltend gemachten Anspruch angewendeten, eingangs angeführten Verfallsbestimmung (Punkt XIV des Kollektivvertrages für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben). Wie der Oberste Gerichtshof bereits in 9 ObA 157/98y zu einer gleichartigen Verfallsbestimmung des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe dargelegt hat, werden von einer derartigen Verfallsbestimmung nur typische Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere Entgeltansprüche erfaßt (vgl zu einer gleichartigen Verfallsbestimmung auch RdW 1988, 296). Die Gewährung einer - auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden - Ersatzruhezeit kann jedoch nicht als für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft geschuldetes Entgelt qualifiziert werden (siehe Arb 10.543); dies gilt auch für einen an Stelle dieses Freizeitgewährungsanspruches tretenden Geldanspruch.

Wendet man daher auf den geltend gemachten Anspruch die kurze Verjährungsfrist nach § 1486 ABGB an, dann sind im Hinblick auf das Einlangen der Klage am 19. 7. 1995 die aus den vor dem 19. 7. 1992 "fällig" gewordenen Ersatzruhezeiten abgeleitenen Ansprüche verjährt. Hiebei ist für die Beurteilung der Fälligkeit der Ersatzruheansprüche ebenso wie in der Vorentscheidung 9 ObA 157/98y die gesetzliche Regelung des § 6 Abs 5 ARG heranzuziehen, da der Kollektivvertrag in dem eingangs angeführten Punkt III Z 2 lit g nur eine Höchstfrist für die gemäß § 6 Abs 5 ARG zu vereinbarende Gewährung der Ersatzruhe setzt, eine derartige Vereinbarung im vorliegenden Fall aber nicht getroffen wurde. Nach § 6 Abs 5 ARG sind die Ersatzruhezeiten jeweils mit den im gleichen Umfang zu berechnenden Zeiten vor Beginn der nächstfolgenden wöchentlichen Ruhezeit zu gewähren. Da der 19. 7. 1992 ein Sonntag war, wären - geht man mangels Behauptung einer abweichenden Arbeitszeiteinteilung gemäß § 4 ARG von der Wochenendruhe nach § 3 ARG aus - ab diesem Zeitpunkt erstmals Ansprüche auf Ersatzruhe aus einer Beschäftigung während der Wochenendruhe am 18. und 19. 7. 1992 fällig geworden; Ersatzruheansprüche für davor liegende Zeiten einer Beschäftigung während der wöchentlichen Ruhezeit sind daher verjährt.

Da in der Klage für das Jahr 1992 ein Betrag von S 33.813 für 382,5 Ersatzruhestunden begehrt und nicht ausgeführt wurde, in welche Zeiträume innerhalb dieses Jahres diese Ansprüche fallen, kann über den auf den Zeitraum vor dem 18. 7. 1992 entfallenden - und damit verjährten - Teil des Anspruches noch nicht mit Endurteil abgesprochen werden; hingegen waren die für die Jahre 1989 bis 1991 geltend gemachten Ansprüche auf Abgeltung der Ersatzruhe wegen Verjährung abzuweisen.

Zu dem nach Abzug des für den Zeitraum ab 1. 10. 1994 zuerkannten Betrages von S 4.500,-- für die Jahre 1992 bis 30. 9. 1994 verbleibenden Anspruch von S 75.723,-- über den wegen mangelnder Feststellungen zu Umfang und Lagerung der Beschäftigungszeiten während der wöchtenlichen Ruhezeit und zur Höhe des Entgeltes nur mit Zwischenurteil abgesprochen werden konnte, werden Feststellungen über das Ausmaß derartiger Beschäftigungszeiten ab 18. 7. 1992, ihre allfällige Abgeltung durch Ersatzruhezeiten sowie die Gründe für das Unterbleiben einer derartigen Freizeitgewährung zu treffen sein, da - wie der Oberste Gerichtshof zu 9 ObA 157/98y unter Bezugnahme auf die vor Inkrafttreten des UrlG zur "Urlaubsentschädigung" wegen Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches ergangenen Judikatur dargelegt hat - nur anstelle unverschuldet nicht konsumierter Ersatzruhezeiten im Wege der Vorteilsausgleichung ein Geldanspruch in der - noch festzustellenden - Höhe getreten ist, wie ihn der Kläger bei Konsumation noch während des aufrechten Arbeitsverhältnisses verdient hätte. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß - wie der Oberste Gerichtshof gleichfalls in 9 ObA 157/98y dargelegt hat - auch dann, wenn der Arbeitnehmer zum vereinbarten oder dem sich aus dem Gesetz ergebenden Zeitpunkt der Konsumation des Ersatzruheanspruches erkrankt, der Anspruch verloren geht.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 392 Abs 2, 393 Abs 4 und 52 Abs 2 ZPO.

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