OGH 8Nd1/99

OGH8Nd1/9926.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese W*****, vertreten durch Czerwenka & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Alexander I*****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen des Otto K*****, Spanien (26 S 787/98z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), wegen S 9,167.439,60 sA, infolge Vorlage der Akten durch das Landesgericht Salzburg zwecks Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes mit dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Landesgericht Salzburg zurückgestellt.

Text

Begründung

Zum Verständnis ist es erforderlich, zunächst den bisherigen

Verfahrensgang chronologisch zusammengefaßt wiederzugeben:

Mit der am 27. 10. 1998 beim Landesgericht Salzburg unter Hinweis auf den Gerichtsstand der Erfüllung nach Art 5 Z 1 LGVÜ, subsidiär auch jenen des Vermögens nach § 99 JN eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 8,475.315,-- auf das Kreditkonto bei der Salzburger Landes-Hypothekenbank AG mit der Nr ***** lautend auf Johann R***** GmbH & Co KG mit dem Verwendungszweck "in Erfüllung der Bürgschaft gegenüber Frau Anneliese W*****" (= Klägerin), sowie weiters, an Rechtsanwalt Dr. Heimo H***** als Masseverwalter der genannten Gesellschaft den Betrag von S 692.124,61 mit dem Verwendungszweck "Auffüllen des Negativsaldos des Kommanditanteils von Frau Anneliese W*****" zu bezahlen. Der Beklagte Otto K***** habe sich im Rahmen einer Bürgschaftserklärung gegenüber der Klägerin verpflichtet, sowohl sämtliche Forderungen des genannten Bankinstitutes aufgrund der pfandrechtlichen Haftung der Klägerin binnen sieben Tagen zu zahlen als auch deren negatives Verrechnungskonto aufzufüllen. Erfüllungsort aus dieser Bürgschaftserklärung sei Salzburg, weil der Beklagte den Kreditbetrag an eine Salzburger Bank zu bezahlen habe. Der Beklagte sei überdies Gesellschafter der Otto K***** GmbH, Kommanditist der Otto K***** GmbH & Co KG und schließlich Eigentümer einer Liegenschaft in H***** bei St. P*****.

Noch vor Zustellung dieser Klage samt Aufforderung zur schriftlichen Klagebeantwortung binnen drei Wochen am 7. 11. 1998 beantragte die Klägerin für den Fall, daß das Gericht seine Unzuständigkeit aussprechen sollte, die Überweisung der Klage gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz. Letzter Tag der Klagebeantwortungsfrist war Montag, der 23. 11. 1998, 24 Uhr; eine solche wurde innerhalb dieser Frist nicht eingebracht. Mit Wirksamkeit ab Dienstag, 24. 11. 1998, 0.00 Uhr wurde zu 26 S 787/98z des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz über das Vermögen des Otto K***** das Konkursverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Alexander I***** zum Masseverwalter bestellt, worauf das Landesgericht Salzburg mit Beschluß vom 24. 11. 1998 gemäß § 7 Abs 1 KO aussprach, daß das gegenständliche Verfahren unterbrochen ist und nur über Antrag fortgesetzt werde. Einem gegen diesen Unterbrechungsbeschluß von der Klägerin erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht nicht Folge. Ein gleichzeitig mit diesem Rekurs gestellter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens wurde abgewiesen.

In der am 26. 1. 1999 im Konkursverfahren abgehaltenen Prüfungstagsatzung wurde die Klageforderung der Klägerin in Höhe von S 9,167.439,60 zur Gänze bestritten. Mit Schriftsatz vom 10. 3. 1999 beantragte hierauf die Klägerin unter Hinweis darauf, daß die Klagebeantwortungsfrist noch vor Konkurseröffnung abgelaufen sei, erneut die Fortsetzung des Verfahrens samt Erlassung eines Versäumungsurteils und änderte das Klagebegehren "in eventu" dahin ab, daß die beklagte Partei (Masseverwalter) schuldig sei, die Forderung von S 9,167.439,60 im Konkursverfahren des Gemeinschuldners anzuerkennen um die Prozeßkosten zu bezahlen.

Mit Beschluß vom 10. 3. 1999, in welchem das Erstgericht dem konkursrechtlich bedingten Übergang der Parteistellung vom Gemeinschuldner auf den Masseverwalter auf Seiten der beklagten Partei gemäß § 235 Abs 5 ZPO im Kopf seiner Entscheidung Rechnung trug, sprach dieses seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; die Kostentscheidung wurde der Endentscheidung vorbehalten. Da sich der ausländische Beklagte (durch Nichterstattung einer fristgerechten Klagebeantwortung) nicht in das Verfahren eingelassen habe, sei das Gericht - mangels Prorogation nach Art 18 LGVÜ - in die Lage versetzt, seine Unzuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, wobei durch den Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils die klagende Partei das ex lege unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen habe. Der Ansicht der Klägerin, der Gemeinschuldner habe den geltend gemachten Anspruch iSd Art 5 Z 1 LGVÜ überwiegend in Salzburg zu erfüllen, könne nicht gefolgt werden; vielmehr habe der Beklagte aus der Bürgschaftsverpflichtung einzig und allein an die Klägerin Erfüllung zu leisten, welche aber ihren Wohnsitz in Graz habe, wobei Geldschulden nach nationalem österreichischem Recht Schickschulden seien; der von der Klägerin subsidiär geltend gemachte Vermögensgerichtstand greife im Rahmen des LGVÜ zufolge eines diesbezüglichen Vorbehaltes Österreichs nicht. Auch der Umstand, daß das Konkursverfahren in Graz anhängig sei, weise zur örtlichen Zuständigkeit dorthin. Einen entsprechenden Überweisungsantrag habe die Klägerin gleich zu Verfahrensbeginn gestellt. Dieser dem Klagevertreter und dem Masseverwalter im Konkursverfahren des Gemeinschuldners zugestellte Beschluß blieb seitens beider Parteien unbekämpft und erwuchs damit in Rechtskraft.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz sandte daraufhin - ohne beschlußmäßige Erledigung und Zustellung seiner Entscheidung an die Parteien - den Akt dem Landesgericht Salzburg mit dem Bemerken zurück, daß das gegenständliche Verfahren nach wie vor unterbrochen sei; eine Unzuständigkeitsentscheidung nach § 261 Abs 6 ZPO hätte überdies nur nach mündlicher Verhandlung gefällt werden dürfen, sodaß es sich bei der Überweisung um einen "Nichtbeschluß" handle und dieser daher auch nicht rechtskräftig werden könne; jede Verfahrensweiterführung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz wäre nichtig, weshalb die Übernahme abgelehnt werde. Eine Ablichtung der Rückleitung wurde zuvor dem Klagevertreter zuzustellen verfügt.

Hierauf legte das Landesgericht Salzburg den Akt mit dem Ersuchen um Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes dem Obersten Gerichtshof vor. Durch den wirksamen Fortsetzungsantrag der Klägerin auf Fällung eines Versäumungsurteils nach Bestreitung der Forderung in der Prüfungstagsatzung sei das Verfahren nicht mehr unterbrochen, jedoch zufolge des Umstandes, daß es sich beim Beklagten um einen Ausländer handle, in Beachtung der Bestimmungen des LGVÜ zufolge dessen Nichteinlassung in das Verfahren die Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen gewesen; in teleologischer Interpretation nach den Zielen dieses Übereinkommens habe die Überweisung auch ohne Verhandlung erfolgen können.

Rechtliche Beurteilung

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidungsbefugnis des Obersten Gerichtshofes über einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen den genannten Landesgerichten iSd § 47 JN sind indes nicht gegeben. Nach dieser Gesetzesstelle sind Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichten erster Instanz über die Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache von dem diesen Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichte (dies ist aufgrund der unterschiedlichen OLG-Sprengelzugehörigkeit hier der Oberste Gerichtshof) zu entscheiden. Voraussetzung einer solchen Entscheidung ist jedoch, daß rechtskräftige, die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse der für die Zuständigkeit in Betracht kommenden Gerichte vorliegen, die auch allen Parteien entsprechend zugestellt sein mußten, um ihnen zuvor die Möglichkeit der Bekämpfung im Rechtsmittelweg zu eröffnen (MGA ZPO14 E 3 zu § 47 JN; Mayr in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 47 JN; RIS-Justiz RS0046299). Bereits daraus folgt, daß für eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über einen negativen Kompetenzkonflikt iSd § 47 JN (zumindest derzeit) die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen fehlen.

Soweit das Überweisungsgericht Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz vermeint, das Landesgericht Salzburg hätte aufgrund der "nach wie vor aufrechten Unterbrechung" zufolge Konkurseröffnung (§ 7 KO) seinen Überweisungsbeschluß bei sonstiger Nichtigkeit gar nicht treffen dürfen, reicht es aus auf die Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses zu verweisen.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist das Gericht, an welches nach dieser Gesetzesstelle überwiesen wurde, an die Überweisung gebunden (SZ 43/18; MGA ZPO14 E 50 zu § 261; RIS-Justiz RS0039961) - und zwar selbst dann, wenn das überweisende Gericht entgegen der Vorschrift des § 261 Abs 1 ZPO über den Überweisungsantrag ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (EvBl 1980/123; RIS-Justiz RS0039922), als auch bei einer sonst gesetzwidrig erfolgten Überweisung (EFSlg 34.290/4; RIS-Justiz RS0039931), sodaß im Falle einer solchen Überweisung nach § 261 Abs 6 ZPO in der Regel ein negativer Kompetenzkonflikt iSd § 47 Abs 1 JN gar nicht entstehen kann (EvBl 1994/19; Fasching III 217 Anm 15).

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Überweisungs- und Adressatgericht konnte dieser Bindung nicht durch formlose Aktenrücksendung entgehen. Es wird sich vielmehr dem Überweisungsbeschluß zu unterwerfen und die Rechtssache im Sinne des § 261 Abs 6 ZPO fortzuführen haben. Da es aber keinen den Parteien zugestellten und in Rechtskraft erwachsenen Beschluß gefaßt hat, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung gem § 47 Abs 1 JN nicht vor, weshalb es bei der Rückleitung des Aktes an das Vorlagegericht sein Bewenden haben mußte.

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