OGH 3Ob206/99m

OGH3Ob206/99m25.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei B*****, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 480.000 S) infolge ordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 19. April 1999, GZ 22 R 190/99v-101, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 27. April 1999, GZ 5 E 1576/97x-99, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Dem Gericht zweiter Instanz wird aufgetragen, über den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 27. April 1999 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei hatte gegen die verpflichtete Partei eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Unterlassungsanspruchs erwirkt. Ihr wurde in der Folge aufgrund dieses Titels die Unterlassungsexekution bewilligt. Im Zuge dieser Exekution wurde über die verpflichtete Partei am 22. September 1997 wegen eines Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel am 18. September 1997 rechtskräftig eine Geldstrafe von 70.000 S verhängt. Zu deren Tilgung überwies die verpflichtete Partei am 5. Juni 1998 70.000 S an das Erstgericht, das diese Leistung am 8. Juni 1998 unter AR Nr. 1295/98 PG 60/98 verbuchte. Am 14. April 1999 beantragte die betreibende Partei die Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO "infolge außergerichtlicher Einigung". Dieser Antrag wurde vom Erstgericht am 15. April 1999 bewilligt. Die Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses an die verpflichtete Partei unterblieb. Am 27. April 1999 faßte das Erstgericht sodann folgenden "Beschluß":

"Der hg. Rechnungsführer wird angewiesen, die zu PG 60/98 erliegende Geldstrafe im Betrag von S 70.000 nach Rechtskraft dieses Beschlusses wie folgt anzuweisen und darüber zu berichten:

a) S 69.900 (i.W. Schilling neunundsechzigtausendneunhundert) auf das Konto der Gemeinde ... 'Sozialfonds' P.S.K. Nr. ... .

b) S 100 (i.W. Schilling einhundert) sind als Gerichtsgebühren umzubuchen."

Gegen diese Zahlungsanweisung erhob die verpflichtete Partei am 3. Mai 1999 (Postaufgabe) Rekurs und beantragte unter Pkt. 2 desselben Schriftsatzes, ihr zufolge Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO "die ... bereits bezahlten Geldstrafen" in Anwendung des § 359 Abs 2 EO wegen nachträglichen Wegfalls der Zahlungspflicht wieder auszufolgen.

Das Gericht zweiter Instanz wies das Rechtsmittel zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, über die Rückzahlungspflicht gemäß § 359 Abs 2 EO sei nur auf Antrag des Verpflichteten zu entscheiden. Das Erstgericht habe den angefochtenen Beschluß - unabhängig davon, ob die Zahlungspflicht nachträglich überhaupt weggefallen sei - zu Recht gefaßt, habe es doch im Entscheidungszeitpunkt noch an einem Rückzahlungsantrag der verpflichteten Partei gemangelt. Ohne ein solches Begehren dürfe die Rückzahlung der geleisteten Geldstrafe an die verpflichtete Partei "aus formalen Gründen nicht erfolgen", sodaß die Rechtsmittelwerberin "durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert sein" könne.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - in Ermangelung einer "aktuellen Judikatur" des Obersten Gerichtshofs - zu klären sei, "ob bzw wie lange" bei einer Einstellung des Exekutionsverfahrens nach § 39 Abs 1 Z 6 EO "ein allfälliger Rückzahlungsantrag der verpflichteten Partei vor Überweisung (der erlegten Geldstrafe) an den Sozialhilfeträger abzuwarten" sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zufolge Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Wesen des in der Überweisungsanordnung gemäß § 359 Abs 3 EO auszusprechenden Rückzahlungsvorbehalts zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Die geltende Fassung des § 359 Abs 3 EO, der die Überweisung bezahlter Geldstrafen an den Träger der Sozialhilfe "unter Vorbehalt einer Rückzahlungspflicht nach Abs 2" anordnet, beruht auf der UWG-Novelle 1980 BGBl 120. Dazu wird in den Gesetzesmaterialien (RV 249 BlgNR 15. GP 9) - soweit hier von Bedeutung - ausgeführt:

"Wenn sich nachträglich etwa im Impugnationsprozeß herausstellt, daß eine Geldstrafe zu Unrecht verhängt worden ist, dann soll der Rückerstattungsanspruch des Bestraften nicht von dem Zufall abhängen, ob der erlegte Betrag sich noch im Vermögen des Bundes befindet oder bereits dem zuständigen Träger der Sozialhilfe überwiesen worden ist. Die Übergabe des Betrages an den Sozialhilfeträger soll daher ausdrücklich mit dem Rückzahlungsanspruch für den Fall verbunden sein, daß die Strafverfügung aufgehoben wird. Damit wäre dann die Gefahr beseitigt, daß infolge der Möglichkeit der Überweisung der erlegten Geldstrafe an den Sozialhilfeträger die Fortführung der Exekution mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils im Sinn des § 44 Abs 1 EO verbunden ist ( ... )."

Danach ist der Wille des Gesetzgebers so zu verstehen, daß eine - zeitlich unbegrenzte - Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, empfangene Strafgeldbeträge nach Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 359 Abs 2 EO zurückzahlen zu müssen, nur durch den beschlußmäßigen Ausspruch eines Rückzahlungsvorbehalts gemäß § 359 Abs 3 EO wirksam begründet werden kann. Mit einem solchen Vorbehalt wird ferner klargestellt, daß der Sozialhilfeträger die überwiesenen Geldmittel für Zwecke der Sozialhilfe nicht verbrauchen darf, ohne gleichzeitig für die allfällige Effekuierung einer Rückzahlungspflicht gemäß § 359 Abs 3 EO Vorsorge zu treffen.

Kann aber eine Überweisung der vom Verpflichteten bezahlten Geldstrafe an den Sozialhilfeträger ohne Rückzahlungsvorbehalt dessen Rückzahlungspflicht gemäß § 359 Abs 3 EO nach Verwirklichung der Voraussetzungen gemäß § 359 Abs 2 EO gar nicht wirksam begründen, so darf er die ihm zugeflossenen Geldmittel auch verbrauchen, ohne für deren allfällige Rückzahlung vorsorgen zu müssen. In einem solchen Fall wäre also die Realisierung eines vom Verpflichteten nach § 359 Abs 2 EO erwirkten Rückzahlungsanspruchs vereitelt.

1. 1. Die im Anlaßfall bedeutsame Überweisungsanordnung des Erstgerichts, die gemäß § 62 EO zutreffend in Beschlußform erlassen wurde, enthält keinen Rückzahlungsvorbehalt gemäß § 359 Abs 3 EO. Sollte die verpflichtete Partei mit ihrem Rückzahlungsantrag gemäß § 359 Abs 2 EO erfolgreich sein, so ließe sich die Verpflichtung zur Rückzahlung der Geldstrafe an sie mangels einer korrespondierenden Rechtspflicht des Sozialhilfeträgers gemäß § 359 Abs 3 EO - wie unter

1. dargestellt - nicht mehr realisieren. Demzufolge ist die verpflichtete Partei durch den Mangel eines Rückzahlungsvorbehalts im erstgerichtlichen Überweisungsbeschluß auch beschwert. Daran kann der Umstand nichts ändern, daß die verpflichtete Partei im Zeitpunkt der Erlassung des erstgerichtlichen Überweisungsbeschlusses noch keinen Rückzahlungsantrag gemäß § 359 Abs 2 EO gestellt hatte, wurde doch eine solche Antragstellung vom Gesetzgeber nicht befristet.

1. 2. Soweit die Rechtsmittelwerberin in lit b) ihres Revisionsrekurses Fragen der Rückzahlungspflicht nach § 359 Abs 2 EO behandelt, sind solche erst im Verfahren über den Rückzahlungsantrag zu lösen.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO in Verbindung mit §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO. Ein Kostenzuspruch zu Lasten der betreibenden Partei kommt mangels eines Streits über die Rückzahlungspflicht gemäß § 359 Abs 2 EO im Verhältnis der Parteien des Exekutionsverfahrens nicht in Betracht.

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