OGH 7Ob182/99m

OGH7Ob182/99m14.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, sowie die auf Seiten der klagenden Partei beigetretene Nebenintervenientin S*****, vertreten durch Hofbauer, Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte Partnerschaft in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen (restlich) S 91.280,40 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1999, 1 R 333/98g-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 18. August 1998, 1 C 710/95 i-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist der zugunsten der klägerischen Bank per 26. 7. 1995 festgestellte offene Saldo am Girokonto der beklagten Partei mit der Nr. 0155-008998. Die klagende Partei begehrte mit ihrer Klage die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des Rückstandssaldos in Höhe von S 92.608,95 samt 18,5 % Zinsen seit 25. 7. 1995. Über dieses Konto waren die Geschäfte der beklagten Partei mit der Nebenintervenientin betreffend die Lieferung von Beschneiungsanlagen abgewickelt worden. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete hiegegen in der letzten Streitverhandlung eine Gegenforderung in Höhe von S 106.586,52 aufrechnungsweise ein: Die klagende Partei habe von der beklagten Partei Wechsel angekauft; später seien diese Wechsel zurückbelastet worden; dieser Vorgang stelle eine Auflösung und Wandlung des Kaufvertrages durch die Klägerin in Verfolgung ihres Gewährleistungsanspruches aus dem Wechselgeschäft dar, wobei die Differenz zwischen Kontobelastung und Kontogutschrift in Höhe der Gegenforderung den Kaufpreis (Diskonterlös) für die angekauften Wechsel darstelle.

Das Erstgericht sprach mit mehrgliedrigem Urteil aus, daß die Klagsforderung mit S 91.280,40 zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht besteht und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages samt 18,5 % Zinsen seit 25. 7. 1995; das Mehrbegehren von S 1.328,55 sA wurde (unbekämpft und damit rechtskräftig) abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist, "zumal zur Rechtsnatur des Saldos beim (Bank-)Kontokorrent in Lehre und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden".

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei hat eine (nach Bewilligung der Wiedereinsetzung fristgerechte) Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, die Revision abzuweisen.

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete und auch in der Revision breit ausgeführte Rechtsfrage stellt sich nämlich vorliegendenfalls nicht. Dies aus folgenden Überlegungen:

Rechtliche Beurteilung

Der vom Erstgericht (ausgehend vom Sachverständigengutachten) festgestellte und zugunsten der klagenden Partei aushaftende Kontodebetsaldo in Höhe von S 91.280,40 per 26. 7. 1995 wird in der Revision ziffernmäßig nicht (mehr) bestritten. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin (bezogen auf den Saldo laut Klagebegehren) wurde - wie bereits hingewiesen - vom Erstgericht unangefochten und damit rechtskräftig abgewiesen. Daß das Konto der beklagten Partei (zufolge Verzögerungen der erwartenden Förderauszahlungen an ihren Geschäftspartner, die Nebenintervenientin, samt daraus resultierenden mehrfachen Wechselprolongierungen) per 28. 1. 1994 mit zunächst S 4,5 Millionen schuldbelastet und in der Folge (bis zur Gutschriftbezahlung von S 7 Millionen am 21. 2. 1994) bis zu S 5,3 Millionen überzogen war, war nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen der beklagten Partei ebenso bekannt wie auch davon auszugehen ist, daß die beklagte Partei gegen die ihr regelmäßig von der Klägerin übersandten Kontoauszüge und -abrechnungen, aus denen auch die verrechneten Zinsen und Spesen hervorgingen, nie - insbesondere nicht innerhalb der in Punkt 10 der zugrundeliegenden AGBKr vorgesehenen Frist von 4 Wochen ab Zugang - reklamierte. Dieses Unterbleiben von als Reklamation im Sinne der genannten AGB-Bestimmung zu wertenden Verhaltensweisen der beklagten Partei ist damit - wiederum im Lichte der vorinstanzlichen Feststellungsgrundlage - insofern durchaus verständlich, als ja nach dem Vorgesagten die zur Überziehung und damit auch zum nunmehr verfahrensgegenständlichen Klagssaldo führenden Buchungen (Belastungen) jeweils mit Wissen und Willen der Beklagten sowie in Kenntnis der damit verbundenen Kontobelastungen durch die klagende Partei geschahen.

Daß gegen die Bestimmung des Punktes 10 AGBKr (zur grundsätzlichen und auch von der Revisionswerberin nicht bestrittenen Geltung als Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB siehe die Judikaturnachweise in RIS-Justiz RS0062174) vom Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle keine Bedenken bestehen, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen (bei Zustandekommen eines Kontoführungsvertrages vor Inkrafttreten des KSchG etwa EvBl 1979/45; SZ 57/66; für die Zeit danach etwa SZ 63/226; HS XIV/XV-27; RS 0052409 und 0052417) - woran festzuhalten ist -, allerdings die Bedeutung der Unterlassung einer derartigen Reklamation auf die Genehmigung der richtigen Verbuchung abgewickelter Geldbewegungen beschränkt (SZ 63/226; HS XIV/XV-27; RS 0052417). Daran kann nach den wiedergegebenen und für den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsachen-, sondern nur Rechtsinstanz ist, bindenden Feststellungen durch die Vorinstanzen vorliegendenfalls kein Zweifel bestehen; dies war auch schon in der Berufung durch die beklagte Partei unbestritten geblieben.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß einem derart anerkannten (von der beklagten Partei selbst mehrfach als Kontokorrent bezeichneten) Saldo die Rechtswirkungen eines konstitutiven Anerkenntnisses (Feststellungsvertrag) zukommen (etwa EvBl 1973/6, 1974/4, SZ 57/66; weitere Nachweise siehe auch bei Dullinger in Jabornegg, HGB Rz 25 zu § 355), das nur wegen durch den Vertragspartner (Bank) arglistig hervorgerufenen oder ausgenützten Irrtums angefochten werden könnte (RS 0013989, 0014778); auch derartiges wurde von der beklagten Partei nie behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt.

Die beklagte Partei verweist nun in ihrer Revision - unter Hinweis auf Dullinger, aaO und die dort näher ausgeführten Lehrmeinungen - darauf, daß diese rechtliche Beurteilung der Saldofeststellung als konstitutives Anerkenntnis unrichtig wäre. Sie hat jedoch in ihrer gegen das Ersturteil, welches ebenfalls bereits seine Klagestattgebung auf die Zustimmungswirkung gemäß Punkt 10 AGBKr gestützt hatte, diese rechtliche Beurteilung gänzlich unbekämpft gelassen, ja sogar selbst das Vorliegen eines "Anerkenntnisses des Kontoabschlusses" (bezogen auf die im Saldo enthaltenen Zinsen und Spesen) ausdrücklich zugestanden und sich einzig gegen die Nichtberücksichtigung ihrer eingewendeten Gegenforderung gewandt und hiezu inhaltliche (Rechts-)Ausführungen erstattet (ON 47). Gegen Rechtsgrund und Höhe der Klageforderung finden sich hierin jedoch keinerlei Ausführungen; zu Recht hat sich daher schon das Berufungsgericht mit diesen Rechtsgründen nicht (mehr) auseinandergesetzt. Die insoweit unterbliebene Rechtsrüge kann aber ein Revisionswerber in dritter Instanz nicht mehr mit Erfolg nachholen (8 Ob 216/97s; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 503). Dem Obersten Gerichtshof ist es daher verwehrt, auf diese - nunmehr nach dem Vorgesagten erstmals in der Revision relevierten - Rechtsfragen zu Bestand und Höhe der Klageforderung (und damit auch zu den im Rechtsmittel unter Wiedergabe der kritischen Anmerkungen Dullingers aaO relevierten Kritikpunkten an der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einerseits sowie den im Revisionsschriftsatz näher umschriebenen und als "Mosaiktheorie" bzw. "Lehre vom Staffelkontokorrent" bezeichneten Meinungen andererseits) Stellung zu nehmen. Damit stellt sich aber auch nicht die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO formulierte Rechtsfrage; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Zur von beiden Vorinstanzen als nicht zu Recht bestehend erkannten Gegenforderung findet sich in der Revision der beklagten Partei lediglich der kurze Satz, daß sie "auch wenn sie den von der klagenden Partei bekanntgegebenen Saldo nicht rechtzeitig reklamiert hat, nicht auf die eingewendete Gegenforderung verzichtet, bzw. diese genehmigt" habe. Damit wird aber auch im Zusammenhang mit der compensando eingewendeten Gegenforderung keine den Kriterien des § 502 Abs 1 ZPO Rechnung tragende Rechtsfragenerheblichkeit aufgezeigt (§ 506 Abs 1 Z 5 ZPO).

Die Revision war damit aus allen diesen Erwägungen - zusammengefaßt - zurückzuweisen.

Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision der beklagten Partei aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO nicht hingewiesen hat, war ihre Revisionsbeantwortung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und ist damit auch nicht zu honorieren (RS 0035962, 0035979).

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