OGH 5Nd509/99

OGH5Nd509/999.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch den Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dipl. Ing. Wilhelm R*****, vertreten durch Dr. Otto Kern, Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Angelika R*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, über den Delegierungsantrag der Beklagten, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag der Beklagten, die Rechtssache vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien an das Bezirksgericht Klagenfurt gemäß § 31 JN zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Am 3. 9. 1998 erhob der Kläger beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen die damals in Isserstedt in der BRD wohnende Beklagte eine Klage auf Ehescheidung. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gründete sich auf § 76 JN, weil damals keiner der Ehegatten einen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland hatte.

Die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des BG Innere Stadt Wien durch die Beklagte wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. 12. 1998, GZ 7 C 140/98p-13, verworfen. Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für ZRS Wien am 23. März 1999, GZ 44 R 98/99h-19, nicht Folge.

Nach Klagseinbringung verlegte die Beklagte ihren Wohnsitz nach Klagenfurt und erteilte schließlich einem dort niedergelassenen Rechtsanwalt Prozeßvollmacht. Am 1. 10. 1998 nahm sie eine Stelle als Vertragsbedienstete an der Universität Klagenfurt an. Dem Kläger wurde ein Besuchsrecht zu den gemeinsamen Kindern mj. Christoph und mj. Philipp R***** eingeräumt, das er in Klagenfurt bzw Ferlach (ca 17 km von Klagenfurt entfernt) ausübt.

Am 20. Mai 1999 beantragte die Beklagte, die Rechtssache vom zuständigen Bezirksgericht Innere Stadt Wien aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Bezirksgericht Klagenfurt zu delegieren. Abgesehen vom finanziellen Aufwand sei es für die Beklagte mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, zu Gerichtsverhandlungen nach Wien anzureisen. Wegen der weiten Entfernung müsse sie sich dazu jeweils zumindest einen Tag frei nehmen und darüber hinaus für eine geeignete Beaufsichtigung der schulpflichtigen Kinder sorgen. Keiner der Streitteile habe im Sprengel des zuständigen Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien seinen Wohnsitz, auch die von der Beklagten noch namhaft zu machenden Zeugen seien wie die Beklagte in Sprengel des Bezirksgerichtes Klagenfurt wohnhaft. Auch das anhängige Pflegschaftsverfahren hinsichtlich der Kinder werde beim Bezirksgericht Klagenfurt geführt. Der Kläger komme auch regelmäßig zur Ausübung seines Besuchsrechtes nach Kärnten.

Der Kläger widersprach dem Delegierungsantrag. Die begehrte Delegierung komme ausschließlich der Beklagten zugute. Für den Kläger und die in der BRD wohnenden Zeugen sei Wien wesentlich leichter erreichbar als Klagenfurt. Seine Besuche in Kärnten zur Ausübung des Besuchsrechts fänden ausschließlich am Wochenende statt, sodaß eine Verbindung mit Gerichtsterminen unmöglich sei. Das Obsorgeverfahren sei durch Vergleichsabschluß bereits erledigt. Die Klägerin verfüge in Person ihrer Eltern über eine ausreichende Beaufsichtigungsmöglichkeit für die Kinder, weshalb ihr eine Anreise nach Wien keinesfalls unmöglich sei, ja sogar leichter zu bewerkstelligen sei, als für den Kläger eine Anreise von Jena nach Klagenfurt. Der Kläger könne dabei bei seiner in Baden bei Wien lebenden Mutter wohnen.

Im Verfahren wurde bisher ausschließlich die Vernehmung von Zeugen beantragt, die ihren Wohnsitz in der BRD haben.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien befürwortete eine Delegierung an das Bezirksgericht Klagenfurt im wesentlichen mit der Begründung, daß keiner der Streitteile seinen Wohnsitz im Sprengel des zuständigen Gerichtes habe, die Zeugen ohnedies im Rechtshilfeweg zu vernehmen seien oder eine längere Anreise zu welchem Gericht auch immer in Kauf zu nehmen hätten, die Beklagte hingegen ihren Wohnsitz in Klagenfurt habe.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Ganz grundsätzlich setzt eine Delegierung aus Gründen der Zweckmäßigkeit voraus, daß die Übertragung der Sache vom zuständigen an ein anderes Gericht im Interesse aller am Verfahren Beteiligten liegt (4 Nd 511/97, 4 Nd 502/98 uva).

Widerspricht eine Partei der Delegierung und kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten beider Parteien bejaht werden, ist der Antrag abzuweisen (EvBl 1966, 380; 6 Nd 502/86; 2 Nd 8/87; 2 Nd 507/87 uva). Schon im Zweifel hat es bei Widerspruch einer Partei bei der gesetzlich begründeten Zuständigkeit zu bleiben (2 Ob 589/98 ua), weil ganz allgemein schwerwiegende Gründe vorliegen müssen, um eine Rechtssache gegen den Willen einer Partei dem zuständigen Gericht abzunehmen (2 Nd 503/83 ua).

Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Sachverhalt an, ist dem Standpunkt des Klägers Recht zu geben, daß ausschließlich die Beklagte Vorteile aus der beantragten Delegierung ziehen würde. Dieser Vorzug wird zwar ganz allgemein einem Beklagten durch § 65 JN eingeräumt, wonach sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Wohnort des Beklagten richtet. Für den hier zum Tragen kommenden besonderen Gerichtsstand des § 76 JN war dieser schon vom Gesetz dem Beklagten eingeräumte Vorteil im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht gegeben.

War das angerufene Gericht im Zeitpunkt der Klagseinbringung rechtmäßig zuständig, ändert die nachträgliche Veränderung der Zuständigkeitsvoraussetzungen nichts an der begründeten Zuständigkeit (§ 29 JN).

Durch eine Delegierung würde sogar eine gewisse Erschwernis herbeigeführt. Für den aus der BRD anreisenden Kläger ist eine Anreise nach Klagenfurt zweifellos ungleich aufwendiger als die Erreichung des Gerichtsorts Wien. Dasselbe trifft auf die von der Beklagten beantragten, in der BRD wohnhaften Zeugen zu. Auf derzeit noch nicht beantragte Beweismittel kann im Rahmen der Entscheidung über die Delegierung nicht Bedacht genommen werden.

Mit den dargelegten von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist daher eine Übertragung der Zuständigkeit zur Erledigung der gegenständlichen Rechtssache an das Bezirksgericht des Wohnortes der Beklagten nicht in Einklang zu bringen.

Ihr Antrag mußte daher abgewiesen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte