OGH 10ObS140/99g

OGH10ObS140/99g29.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dipl. Ing. Gustav Poinstingl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Annemarie R*****, Werksarbeiterin, derzeit ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. März 1999, GZ 7 Rs 38/99h-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Oktober 1998, GZ 22 Cgs 62/98t-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 ua). Die Frage, ob ein weiteres berufskundliches Sachverständigengutachten einzuholen gewesen wäre, gehört zur irrevisiblen Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Das Erstgericht stellte fest, daß auf dem österreichischen Arbeitsmarkt mehr als 100 Arbeitsplätze für die Verweisungstätigkeit Bürobotin existieren, das Berufungsgericht übernahm diese Feststellung ausdrücklich. Die Revisionsausführungen, wonach es derzeit keinen Arbeitsmarkt für Büroboten gebe, stellen den unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen zu bekämpfen.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die am 25. 5. 1948 geborene Klägerin, die keinen Berufsschutz genießt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist ergänzend entgegenzuhalten, daß das Verweisungsfeld für Versicherte, die - wie die Klägerin - nicht überwiegend in einem erlernten (angelernten) Beruf tätig waren, mit dem Arbeitsmarkt identisch ist (§ 255 Abs 3 ASVG; SSV-NF 2/34, 6/12 ua). Es kommen daher als Verweisungsberufe alle Tätigkeiten in Betracht, für die es einen Arbeitsmarkt gibt. Richtig weist die Revisionswerberin auf die in § 255 Abs 3 ASVG enthaltene Zumutbarkeitsformel hin ("durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann ....."), meint aber zu Unrecht, daß ihr die Ausübung der Tätigkeit einer Bürobotin nicht mehr zugemutet werden könne. Die vom Berufungsgericht erwogene Frage nach einem allfälligen sozialen Abstieg stellt sich hier nicht. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, steht die zitierte Zumutbarkeitsformel einer Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten unähnlich sind, nicht entgegen, sondern soll nur in den Ausnahmefällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeiten als unbillig bezeichnet werden müßte (SSV-NF 2/34, 6/12 ua, zuletzt 10 ObS 3/99k). Die Klägerin war nach den Feststellungen überwiegend als Rotorenwuchterin, also Hilfsarbeiterin in einem Industriebetrieb tätig. Aufgrund ihres medizinischen Leistungskalküls könnte sie noch als Bürobotin arbeiten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ihr diese Tätigkeit unter billiger Berücksichtigung der früher von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könnte. Nach einem in der Lehre (Grillberger, Österreichisches Sozialrecht4 84; vgl auch 10 ObS 3/99k) vertretenen Standpunkt soll durch die Zumutbarkeitsformel vor allem verhindert werden, daß sich der Versicherte höher qualifizierte Berufe oder gar selbständige Erwerbstätigkeiten entgegenhalten lassen muß, die er bei seinem Gesundheitszustand noch ausüben könnte, obwohl hiefür eine grundlegende Umschulung nötig wäre, die er oft gar nicht absolvieren könnte. Ein derartiges Problem liegt hier nicht vor.

Soweit die Revisionswerberin ausführt, sie sei auf Grund zu erwartender Krankenstände von einer Verweisbarkeit ausgeschlossen, ist ihr entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Senates ein Versicherter dann vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, wenn bei ihm mit großer Wahrscheinlichkeit jährlich Krankenstände von 7 oder mehr Wochen zu erwarten sind (SSV-NF 6/70, 6/82, 7/76, 10/14). Von derartigen Krankenständen ist im Fall der Klägerin jedoch keine Rede.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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