OGH 11Os67/99

OGH11Os67/9924.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Giuseppe R***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 9 Vr 595/99 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 22. April 1999, AZ 11 Bs 82, 88/99 (= ON 71), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Giuseppe R***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen den italienischen Staatsangehörigen Giuseppe R***** wurde beim Landesgericht Klagenfurt Voruntersuchung wegen verschiedener, vom Untersuchungsrichter zunächst nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und § 156 Abs 1 und 2 StGB (S 3 iVm 1/I), sodann auch nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB qualifizierter (ON 72) strafbarer Handlungen geführt, der zufolge die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 15. Juni 1999 Anklage wegen §§ 159 Abs 1 Z 1 und Z 2; 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall und 15; 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB erhob.

Danach soll der Beschuldigte in Klagenfurt als Geschäftsführer der Firma K***** Metallprodukte GmbH von 6. März 1987 bis 30. April 1990 fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit mitherbeigeführt, sodann bis 30. August 1991 in Kenntnis derselben die Befriedigung von Unternehmensgläubigern durch Eingehen neuer und Bezahlung einzelner Schulden sowie nicht rechtzeitige Anmeldung eines Insolvenzverfahrens zumindest geschmälert haben, von 2. Jänner 1989 bis 30. August 1991 Verantwortlichen der Kärntner L*****bank AG fortlaufend Geldbeträge in der Höhe von insgesamt rund 2,2 Millionen S betrügerisch herausgelockt und im Frühjahr 1990 weitere 10 Millionen S herauszulocken versucht haben, schließlich von Anfang 1990 bis 30. August 1991 unter wissentlichem Befugnismißbrauch über eine ihm zur Verfügung gestellte Kreditkarte ("D*****-Card") dem angeführten Bankunternehmen einen Vermögensschaden von 338.648 S zugefügt haben.

Über den - zuvor bereits seit 28. April 1993 mit Haftbefehl gesuchten

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Grundrechtsbeschwerde (ON 71), der Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sie mit zahlreichen punktuellen, jedoch keine entscheidenden Tatsachen betreffenden Argumenten die Dringlichkeit des Tatverdachts in Frage zu stellen versucht, vermag sie weder Begründungsmängel des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen, noch erhebliche Bedenken gegen die dazu ausführlich dargelegten Annahmen des Oberlandesgerichts (Beschlußseite 4 ff) zu erzeugen (§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO). Vielmehr übersieht sie, im wesentlichen unter Vernachlässigung sämtlicher gegen den Beschuldigten vorliegender Beweise und unter bloßer Wiederholung dessen Verantwortung, daß bei Prüfung der Haftfrage kein Schuldbeweis zu führen ist, sondern eine qualifizierte Verdachtslage genügt.

Ohne Bedeutung für die Beurteilung der - das Schwergewicht der Vorwürfe darstellenden - zum Nachteil der Kärntner L*****bank begangenen strafbaren Handlungen ist es somit, ob und wann der Beschuldigte eine formale Funktion in der Fa. K***** innehatte oder aber nur faktisch deren Geschäfte führte, wie die anzeigende Polizeidienststelle den Sachverhalt rechtlich qualifizierte, aus welchen Gründen der Kreditreferent unbesicherte Kontoüberziehungen genehmigte, ob ein Gewerbekredit oder eine Kontoüberziehung vorlag, ob der Beschuldigte direkt oder über Gerhard W***** an Josef P***** - um ihn als Gründungsgesellschafter zu gewinnen - herantrat, für welche Zwecke der Beschuldigte die einzelnen Geldbeträge verwendet hat, ob er Zeichnungsbefugnis am Fremdwährungskonto hatte, welche Funktion er bei der Fa. J***** innehatte, sowie wann genau die Zahlungsunfähigkeit der Fa. K***** eintrat. Nunmehrige Behauptungen von Gegenforderungen des Beschuldigten oder der von ihm geleiteten Gesellschaft werden im Zuge des weiteren Verfahrens zu überprüfen sein, vermögen aber nichts an der vom Oberlandesgericht bejahten Dringlichkeit des Tatverdachts hinsichtlich der zum Nachteil der Kärntner L*****bank gesetzten Transaktionen in Richtung schweren Betrugs wie auch (punkto D*****-Card) Untreue zu ändern.

Bei dieser Sachlage ist es aber für die Prüfung der Haftfrage ohne Relevanz, ob der Tatverdacht auch in Richtung betrügerischer Krida als dringend anzusehen - siehe dazu das Gutachten des Sachverständigen Mag. Peter L***** (S 441 ff/II) - oder aber das Beiseiteschaffen von Bestandteilen des Firmenvermögens vor Konkurseröffnung nur § 159 Abs 1 Z 2 StGB zu unterstellen war.

Die Annahme des Haftgrunds der Fluchtgefahr wird von der Beschwerde nicht bekämpft, sondern lediglich behauptet, das Oberlandesgericht habe sich (trotz Angebots einer Kaution von 25.000 S) mit der Frage der Substituierung der Haft durch das gelindere Mittel einer Sicherheitsleistung (§ 180 Abs 5 Z 7 StPO) nicht auseinandergesetzt. Dem zuwider enthält der angefochtene Beschluß auch dazu eine denkfehlerfreie Begründung (Beschlußseite 12), der die Beschwerde inhaltlich nichts entgegenzusetzen vermag.

Soweit sie die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft unter Hinweis auf die Unbescholtenheit und das fortgeschrittene Lebensalter des Beschuldigten behauptet, vernachlässigt sie die - vom Oberlandesgericht aufgezeigte - hohe Strafdrohung (von einem bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe) und die somit im Fall einer Verurteilung zu erwartende Sanktion, sowie die demgegenüber noch nicht einmal vierwöchige Dauer der Haft bei Fassung des angefochtenen Beschlusses.

Der Anregung der Grundrechtsbeschwerde, nach Art 89 Abs 2 zweiter Satz B-VG vorzugehen, ist zu erwidern, daß mangels Anwendung des § 179 Abs 6 StPO durch den Obersten Gerichtshof keine Kompetenz desselben zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof gegeben ist. Mit der Behauptung eines Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot durch die im Beschluß des Oberlandesgerichts aufscheinende Haftfrist bemängelt der Beschwerdeführer nämlich nicht eine strafgerichtliche Entscheidung, sondern das Gesetz selbst, weil die dort normierte Haftfrist nicht Gegenstand des Beschlusses auf Fortsetzung der Untersuchungshaft ist, sondern durch diesen nur ausgelöst wird. Aus dem in § 179 Abs 4 Z 5 StPO verwendeten Ausdruck "Mitteilung" folgt, daß der Anführung des Ablauftages im Haftbeschluß (§ 181 Abs 1 StPO) nur deklarative Bedeutung zukommt, sodaß selbst eine unrichtige Bezeichnung des Endes der Haftfrist keine Veränderung der gesetzlichen Dauer der Wirksamkeit des Haftbeschlusses herbeiführen kann (vgl 14 Os 42/98).

Giuseppe R***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Stichworte