OGH 6Ob42/99s

OGH6Ob42/99s28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Harald G*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Ulrike Bauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Erich Kadlec und Mag. Christian Weimann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 29. September 1998, GZ 39 R 375/98f-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 27. März 1998, GZ 4 C 925/97x-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Aufkündigung vom 11. Juli 1997 über die Wohnung Nr 27, Hutweidengasse 22, 1190 Wien, wird als wirksam erkannt.

Die beklagte Partei hat die von Fahrnissen des Klägers geräumte Wohnung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu übernehmen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 19.847,20 S (darin 1.776,60 S Umsatzsteuer und 9.187,60 S Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei ferner die mit 5.985,60 S (darin 887,60 S Umsatzsteuer und 660 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.635,68 S (darin 609,28 S Umsatzsteuer und 1.980,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien schlossen einen auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag über eine 107,9 m2 große Wohnung in einem Haus, das nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet wurde. Das Mietverhältnis begann am 1. 10. 1993. Die Parteien vereinbarten, daß ungeachtet der Befristung eine Kündigung für beide Seiten unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Quartalsende aus wichtigem Grund möglich sei. Vier Monate nach Bezug der Wohnung durch den Kläger kam es dort zu einem Wasseraustritt (den die Beklagte zu vertreten hat). 10,74 m2 des Klebeparkettbodens im Wohnzimmer wurden beschädigt. Die Reparatur würde einen Aufwand von rund 26.000 S erfordern. Der Mieter meldete den Schaden und verlangte mehrmals vergeblich die Schadensbehebung.

Mit seiner am 11. 7. 1997 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung kündigte der Mieter das Mietverhältnis unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum letzten Tag des Oktober 1997 auf. Er berief sich dazu nicht nur auf das vertragliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wegen Nichtbeseitigung der Schäden am Klebeparkettboden durch die Vermieterin, sondern auch auf das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG. Sollte das Mietobjekt in einem nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichteten Haus gelegen sein (§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG), seien die Kündigungsgründe nach den lit b und c analog anzuwenden. In Anbetracht des vereinbarten Hauptmietzinses von 15.900 S monatlich sei die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses wegen der Weigerung der Vermieterin, die Schäden zu beheben, nicht zumutbar. Im übrigen sei die Vereinbarung eines auf zehn Jahre befristeten Mietverhältnisses ohne Möglichkeit einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB. Die Befristungsklausel sei eine sittenwidrige "Knebelung" und nach § 864a ABGB unwirksam. Deshalb sei mangels anderer vertraglicher Regelungen die Kündigung gemäß § 560 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig.

Die Beklagte erhob gegen die Aufkündigung Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung als unwirksam. Die Kündigungsmöglichkeiten des Mieters nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG seien auf die Fälle der lit a leg cit nicht anwendbar, andernfalls der frei finanzierte Wohnbau zum Erliegen käme. Die Errichter von Mietwohnungen gingen auf Jahrzehnte ein wirtschaftliches Risiko ein. Die längerdauernde Befristung von Mietverhältnissen sei deshalb gerechtfertigt. Der Mietgegenstand sei in einem Haus gelegen, das nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden sei. Eine vorzeitige Auflösungsmöglichkeit des Mietverhältnisses bestehe nicht. Die Beklagte habe nach dem angeblichen Wasserschaden die Kosten des Notinstallateurs bezahlt. Danach habe sich der Kläger nicht mehr gemeldet und die vorgeschriebenen Mieten jahrelang bezahlt. Er könne nicht dreieinhalb Jahre nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine einvernehmliche vorzeitige Vertragsauflösung eine Pflichtverletzung der Vermieterin geltend machen. Die vereinbarte Dauer des Mietverhältnisses von zehn Jahren sei schon deshalb nicht sittenwidrig, weil der Mietvertrag eine Bestimmung über Kündigungsmöglichkeiten enthalte. Eine Kündigung sei lediglich zum Quartalsende möglich.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung vom 11. 7. 1997 auf. Es stellte über den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, daß der Kläger die Schadensbehebung mehrmals telefonisch urgiert habe. Die Hausverwaltung der Beklagten habe lediglich um konkrete schriftliche Bekanntgabe "anderer Mängel oder Unannehmlichkeiten" ersucht. Anfang 1996 habe der Kläger beabsichtigt, wieder zu heiraten und aus der Mietwohnung auszuziehen. Er habe zwei Kündigungsschreiben an die Hausverwaltung gerichtet, die von dieser damit beantwortet worden seien, daß das Mietverhältnis nur aus wichtigem Grund vorzeitig kündbar sei. Ein solcher Grund läge nicht vor. Dem Kläger sei es nicht gelungen, einen Nachmieter zu finden. Er habe danach neuerlich die Behebung der Schäden am Parkettboden urgiert. Die Hausverwaltung der Beklagten habe nur mitgeteilt, daß sie eine Schadensmeldung an die Versicherung weitergeleitet habe. Die Schäden seien bis heute nicht behoben worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß befristete Mietverträge vor Ablauf der vereinbarten Zeit aus den Gründen des § 1117 ABGB vorzeitig aufgelöst werden könnten. Eine Kündigung sei nur bei entsprechender Vereinbarung möglich. Eine zehnjährige Befristung sei nicht sittenwidrig. Dies gehe aus der freien Befristungsvereinbarungsmöglichkeit des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG hervor. Die Befristung auf zehn Jahre sei keine Klausel ungewöhnlichen Inhalts. Bei Bejahung der Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung sei diese jedenfalls nur unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist und des Kündigungstermins möglich. Im Mietvertrag sei eine Kündigung zum Quartalsende bedungen, hier habe der Kläger zum letzten Tag des Oktober 1997 gekündigt. Auf das vorzeitige Auflösungsrecht nach § 1117 ABGB könne sich der Kläger nicht stützen, weil die Mängel am Parkettboden nicht die Untauglichkeit des Mietobjektes begründet hätten. Der Mieter habe (nur) Anspruch auf Zinsminderung nach § 1096 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes zum Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes nach § 1117 ABGB sowie zur fehlenden Sittenwidrigkeit der Bestanddauer von zehn Jahren. Eine analoge Anwendung des gesetzlichen Kündigungsrechtes des Mieters nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG auf Fälle der lit a leg cit lehnte das Berufungsgericht mit der Begründung ab, daß der Gesetzgeber bei frei finanzierten Neubauten eine vorzeitige Kündigung des Mieters nach einjähriger Dauer des Mietvertrages nicht zulasse. Der Gesetzgeber habe einem solchen Vermieter bei der Mietzinsbildung und bei der Befristung Rechte eingeräumt, die ihn vor nicht erwarteten Leerstehungen der Objekte schützen sollten. Die Differenzierung sei sachlich gerechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß die Aufkündigung vom 11. 7. 1997 für wirksam erklärt werde, hilfsweise wird die Aufhebung zur Verfahrensergänzung beantragt.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht erkannten Grund, vor allem aber deswegen zulässig, weil die Vorinstanzen zur Frage, ob auch nur geringfügige Mängel am Mietobjekt wegen Verweigerung der Mängelbehebung durch den Vermieter eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses rechtfertigen können, von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sind. Die Revision ist berechtigt.

Zur analogen Anwendbarkeit des gesetzlichen Kündigungsrechtes des Mieters nach § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG idgF auf Hauptmietverträge, die der lit a leg cit unterliegen, ist folgendes auszuführen:

§ 29 Abs 1 Z 3 lit b idF des 2. WÄG BGBl 1991/68 erhöhte für die befristeten Mietverträge über Wohnungseigentumsobjekte den zulässigen Befristungszeitraum von bisher fünf Jahren auf zehn Jahre und führte ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Mieters ab dem sechsten Jahr der Mietdauer ein. Im AB 1268 BlgNR 18. GP hieß es im hier wesentlichen Punkt (abgedruckt in Würth/Zingher, WohnR '91, 55): "Mit dieser Erweiterung der Befristungsmöglichkeit bei Vermietung von im Wohnungseigentum stehenden Mietgegenständen wird eine als nicht sachgerecht empfundene Differenzierung vom Anwendungsbereich des geltenden § 29 Abs 1 Z 3 lit b zwischen Wohnungen und Geschäftslokalen aufgehoben. Anliegen des Arbeitsübereinkommens zum Regelungsbereich 'Kündigungsschutz' ist es, die 'Befristungsmöglichkeiten sachgerechter zu fassen, so insbesondere für Geschäftslokale, Eigentumswohnungen (auch 10 Jahre in Form eines Kündigungsverzichtsvertrages)'. In Anlehnung an § 5 StartWG soll jedoch dem Mieter nach Ablauf einer fünfjährigen Nutzungsdauer - sei es aufgrund eines fünf Jahre übersteigenden Fristvertrages oder verlängerter Befristungen das einseitige Recht auf Kündigung eröffnet werden. Es ist dies eine modifizierte Form der sonst in der Vermietung von Geschäftslokalen vorkommenden Praxis, wonach der Vermieter für eine bestimmte Frist auf sein Kündigungsrecht verzichtet, dem Mieter aber die jederzeitige Kündigung laut Vertrag offensteht. Mit dieser Maßnahme soll mehr Anreiz zur Vermietung dort geboten werden, so später an die Wohnversorgung nach Ablauf des befristeten Mietverhältnisses von Familienangehörigen gedacht ist".

Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung bedeutete (und bedeutet nach wie vor: 1 Ob 72/98i uva) der Abschluß eines Mietvertrages auf bestimmte Zeit einen stillschweigenden Verzicht beider Teile auf die Kündigung während der vereinbarten Vertragsdauer (5 Ob 609/90 = WoBl 1991/83). Call kritisierte in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung (aaO) den Gesetzgeber. Unerfindlich sei es, warum der Gesetzgeber das vorzeitige Kündigungsrecht des Mieters nach Ablauf von fünf Jahren nur dem Mieter eines Wohnungseigentumsobjektes, nicht aber allen Mietern, also auch denjenigen nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG (ua Mieter von Wohnungen in frei finanzierten, nach dem 31. 12. 1967 errichteten Wohnhäusern) eingeräumt habe. Sachlich gerechtfertigt sei die unterschiedliche Behandlung angesichts der oft viel längeren Mietdauer nach der lit a leg cit jedenfalls nicht. Das Versäumnis liege wohl in der Hektik und Eile des Gesetzgebers des 2. WÄG. Dieser Ansicht Calls kann man sich aus rechtspolitischen Gründen anschließen oder auch nicht. Sie ist jedenfalls nach Auffassung des erkennenden Senates keine Belegstelle dafür, daß der Gesetzgeber im Jahr 1991 die Problematik nicht erkannt hätte, daß also (damals) eine planwidrige Gesetzeslücke vorgelegen sei, die mit der analogen Anwendung des Kündigungsrechtes des Mieters zu schließen gewesen wäre. Dagegen spricht schon der zitierte Ausschußbericht, in dem ausdrücklich nur von einer Gleichstellung der Vermietung von im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen mit der Vermietung von Geschäftslokalen die Rede ist und das vorzeitige Kündigungsrecht des Mieters mit der Praxis bei der Vermietung von Geschäftslokalen begründet wird.

Das 3. WÄG BGBl 1993/800 setzte den nächsten Schritt. Die lit a (mit Ausnahme des hier nicht interessierenden, neu eingeführten Wirtschaftsparks) und b des § 29 Abs 1 Z 3 MRG blieben unverändert. In lit c wurde mit Wirkung vom 1. 3. 1994 ein neuer allgemeiner Befristungstatbestand geschaffen, nämlich der "Dreijahresvertrag". Als Ausgleich für diese von Vermieterseite oft gewünschte Befristungsmöglichkeit, die dem Grundverständnis des MRG über den Mietvertrag auf unbestimmte Zeit als Regelfall widerspricht (dazu 1 Ob 286/98h) wurde ein Mietzinsabschlag von 20 % normiert (§ 16 Abs 7 MRG idF des 3. WÄG). Für den "Dreijahresvertrag" normierte der Gesetzgeber ein vorzeitiges gerichtliches Kündigungsrecht des Mieters nach Ablauf einer einjährigen Dauer des Mietverhältnisses zum Monatsletzten unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist.

Im AB (abgedruckt bei Würth/Zingher, WohnR '94, 88) heißt es dazu:

"Der in Z 3 lit c der bisherigen Fassung des MRG enthaltene Befristungstatbestand, der eine Vertragsdauer bis zu einem Jahr ermöglicht hat, wird durch einen befristeten Hauptmietvertrag auf die fixe Zeitdauer von drei Jahren ersetzt. Die Vermietung auf eine Zeitdauer von nicht mehr als einem Jahr hat sowohl für Mieter als auch für Vermieter erhebliche wirtschaftliche Nachteile, weil den Mieter öfter Kosten einer Übersiedlung und den Vermieter öfter Kosten für die Neuvermietung (Suche eines neuen Mieters, Verschönerungsarbeiten im Mietgegenstand) treffen. Mit dem neu geschaffenen Fristvertrag sollen diese Nachteile vermieden werden. Der Mieter soll aber über die Dauer eines Jahres hinaus nicht ohne Aufkündigungsmöglichkeit sein, weil dies im Einzelfall problematische Auswirkungen, etwa bei einem Arbeitsplatzwechsel, hätte."

Auch diesen Erläuterungen kann eine planwidrige Gesetzeslücke nicht entnommen werden. Es kann nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber hätte auch für die in lit a leg cit angeführten Wohnungen, über die ohne gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen beliebige Befristungsvereinbarungen geschlossen werden durften, ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Mieters einführen wollen. Wohl besteht auch hier für die Mieter solcher Wohnungen die im AB angeführte Interessenlage. Wenn der Gesetzgeber aber dieser hätte entsprechen wollen, hätte er dies ausdrücklich anordnen müssen, wobei noch zu unterstellen ist, daß ihm die in der Lehre geäußerte Kritik zum 2. WÄG nicht verborgen geblieben war. Eine analoge Anwendung verbietet sich aus der Erwägung, daß wohl nicht einseitig zugunsten der Mieter die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit des Mieters, nicht aber die Dreijahresbefristung analog anzuwenden wäre. Bei einer Gesamtanalogie wäre aber § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG (mit Ausnahme des Wirtschaftsparks) obsolet und im Wege der Analogie abgeschafft. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, rechtspolitische Entscheidungen, die dem Gesetzgeber vorbehalten sind, zu treffen und im sensiblen Bereich des Mietrechts Richterrecht zu schaffen, das den Interessenkonflikt löst, den die verschiedenen Interessengruppen auszutragen haben und die nur der Gesetzgeber entscheiden kann. Diese Erwägungen gelten auch für die nun zu behandelnde, bislang letzte Änderung des § 29 MRG durch die Wohnrechtsnovelle 1997 BGBl I 22:

§ 29 Abs 1 Z 3 lit a blieb wiederum unverändert.

Nach der lit b leg cit können Eigentumswohnungen im Neubau befristet auf beliebige Zeiträume abgeschlossen werden, der Mieter hat nach Ablauf eines Jahres das schon erwähnte gesetzliche Kündigungsrecht zum Monatsletzten unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Nach lit c leg cit gilt diese Kündigungsmöglichkeit für Mietverträge über sonstige Wohnungen (also alle nicht lit a und b zu unterstellenden Wohnungen) bei befristeten Mietverträgen, die ohne Kündigung erlöschen und deren Vertragsdauer mindestens drei und höchstens zehn Jahre beträgt. Daß das Kündigungsrecht des Mieters nicht für Mietverträge, die der lit a zu unterstellen sind, gilt, wird bei Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 29 zu § 29 vertreten. Der Revisionswerber bekämpft diese Ansicht unter Hinweis auf die schon zitierte Lehrmeinung von Call sowie diejenige von Tonkli, der sich der Meinung Calls über eine gesetzgeberische Fehlleistung auch für den Gesetzgeber des 3. WÄG angeschlossen hat (Tonkli in ecolex 1997, 11). Gegen eine analoge Ausdehnung des Kündigungsrechtes des Mieters sprechen aber die schon zur früheren Rechtslage dargelegten Gründe. Der Revisionswerber führt für seine gegenteilige Ansicht eine aus den Gesetzesmaterialien angeblich hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers ins Treffen und verweist auf den Passus aus der RV 555 BlgNR 20. GP zur Wohnrechtsnovelle 1997 (abgedruckt bei Würth/Zingher, Miet- und WohnR20 Anh B), rückt aber verkürzend aus dem Text der Hauptgesichtspunkte des Entwurfs nur die beiden Sätze heraus: "Künftig sollen generelle Befristungsmöglichkeiten in einem zeitlichen Rahmen von mindestens drei und höchstens zehn Jahren bestehen ... Dem Mieter bleibt in all diesen Fällen die Möglichkeit offen, den Mietvertrag durch gerichtliche Kündigung unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist vorzeitig aufzulösen; allerdings steht ihm dieses Recht erst nach Ablauf eines Jahres ab Beginn des Mietverhältnisses, bzw der verlängerten Mietzeit zu". Aus dem Gesamttext der Regierungsvorlage ist aber gerade nicht erschließbar, daß das in der RV geäußerte allgemeine Ziel "einer Flexibilisierung und Liberalisierung der Befristungsmöglichkeiten innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens" und die Verwendung der Worte "generelle Befristungsmöglichkeiten" tatsächlich bedeuten, der Gesetzgeber wolle das in den novellierten Bestimmungen der lit b und c normierten Kündigungsrecht des Mieters und den zeitlichen Befristungsrahmen auf alle Fälle (also auch diejenigen nach lit a leg cit) angewendet wissen. Eine "legislatorische Fehlleistung" ist keineswegs eindeutig erkennbar. Dagegen sprechen nicht nur der vom Berufungsgericht aufgezeigte allfällige Gesetzeszweck, den Vermietern von frei finanzierten Wohnraum ein Privileg erhalten zu wollen (als Anreiz für weiteren künftigen privaten Wohnbau), sondern auch die im Besonderen Teil der RV enthaltenen Ausführungen zum § 29 MRG, aus denen hervorgeht, daß die Novellierung nur die Gleichschaltung der Kündigungsmöglichkeiten und der Bindungsfristen in den in lit b und c leg cit angeführten Fällen betrifft. Die gesetzlichen Bestimmungen der lit a bis c leg cit regeln nach der Art des Mietobjekts unterschiedliche Auflösungsfälle. Daß in der lit c nur eine subsidiäre Bestimmung zu erblicken ist, die nur Wohnungen betrifft, die nicht unter die lit a und b fallen, hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen. Dazu kann auf die in der Entscheidung 7 Ob 374/97v gegebene Begründung verwiesen werden, der sich der erkennende Senat anschließt.

Aus den dargelegten Gründen haben die Vorinstanzen zutreffend ein gesetzliches Kündigungsrecht des klagenden Mieters nach § 29 MRG, also ein solches ohne Nachweis eines Kündigungsgrundes, verneint. Das am 1. 10. 1993 begonnene Mietverhältnis war bis 30. 9. 2003 befristet. Die Aufkündigung durch den Mieter erfolgte am 11. 7. 1997. Damit stellt sich die Frage, ob hier schon die jetzt geltende Fassung des § 29 MRG (auf die sich der Revisionswerber zur Begründung der von ihm angestrebten Analogie beruft) maßgeblich ist. Zufolge der Übergangsbestimmung des § 49b der Wohnrechtsnovelle 1997 gilt die Änderung der Bestimmungen der lit b und c leg cit ab 1. 3. 1997. Eine rückwirkende Anwendung auf befristete Altverträge, die vor dem 1. 3. 1997 abgeschlossen wurden, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach abgelehnt (4 Ob 307/98w; 9 Ob 331/98m). Für die hier maßgebliche Frage nach der Analogiefähigkeit der Bestimmungen über das vorzeitige Kündigungsrecht des Mieters ist die allfällige Rückwirkung aber nicht entscheidend, weil die Analogie - wie schon dargelegt - nach allen die Materie regelnden Vorgängerbestimmungen zu verneinen ist und der gegenteilige Standpunkt des Revisionswerbers auch nicht auf die Gesetzesmaterialien gestützt werden kann.

Die angestellten Erwägungen sind allerdings nur dann entscheidungswesentlich, wenn nicht ein wichtiger Auflösungsgrund im Sinne des § 1117 ABGB bejaht werden kann, weil die beklagte Vermieterin jahrelang eine ihr obliegende Instandsetzungspflicht verletzt hat. Diese Frage haben die Vorinstanzen abweichend von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden:

In der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 5 Ob 584/87 =

MietSlg 39.159/51 = SZ 60/230 ging es um die Verletzung der

Nebenleistungsverpflichtung des Vermieters, den Mieter mit Heizwärme aus der Zentralheizungsanlage zu versorgen. Der Oberste Gerichtshof bejahte das vorzeitige Auflösungsrecht des Mieters aus wichtigem Grund mit Wirkung ex nunc und wandte dabei die Grundsätze aus dem Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB an. Bei geringfügigen und leicht behebbaren Mängeln müsse der Mieter allerdings die Behebung verlangen und eine angemessene Nachfrist setzen. Dem Vermieter müsse der Auflösungswille des Mieters klar sein. In der Klageführung könne aber die Auflösungserklärung nach § 1117 ABGB liegen. Diese Entscheidung konnte sich schon auf Vorjudikatur stützen (MietSlg 33.191 uva). Sie steht auch nicht in Widerspruch zu der in MietSlg 36.179 veröffentlichten Entscheidung. Dort wurde zwar ausgesprochen, daß bloß unbedeutende Beeinträchtigungen des Mieters nicht als Rechtsgrund für eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages ausreichen. Daß aber auch die beharrliche Weigerung des Vermieters zur Mängelbehebung keinen Auflösungsgrund darstellte, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Die in SZ 60/230 vertretene Auffassung hat der Oberste Gerichtshof fortgeschrieben, zuletzt mit der eingehend begründeten Entscheidung 8 Ob 171/98z. Dort wurde hervorgehoben, daß nur gänzlich unbedeutende Mängel, deren Geltendmachung als Schikane betrachtet werden müßte, die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses nicht rechtfertigen könnten. § 1117 ABGB stelle inhaltlich die Anpassung der Gewährleistung in Form der Wandlung an die Besonderheiten des Bestandverhältnisses als Dauerschuldverhältnis dar. Von einem unerheblichen Mangel könne bei einem Fleck von 1,8 m Länge im rohen Verputz des Vorzimmers des Mietobjekts keine Rede sein. Wenn der Vermieter drei Aufforderungen des Mieters zur Schadensbehebung ignoriere und mit der Verbesserung nach erfolgter Auflösungserklärung mehr als ein Jahr zuwarte, so sei die Aufkündigung des Mieters berechtigt. Diese Grundsätze sind auch hier anzuwenden. Die festgestellten, bis zum Entscheidungszeitpunkt erster Instanz nicht behobenen Schäden am Parkettboden im Wohnzimmer des Mietobjektes sind nicht so unbedeutend, daß das Verlangen des Mieters als schikanös zu qualifizieren wäre. Die grundlose Weigerung der Vermieterin, den Schaden trotz mehrfacher Urgenzen des Mieters zu beheben, berechtigen diesen zur vorzeitigen Auflösung des befristeten Mietverhältnisses. Daß der klagende Mieter nicht eine sofortige Auflösung verlangte, sondern den Weg der Kündigung wählte, dabei allerdings nicht den im Mietvertrag normierten Kündigungstermin (Quartalsende), schadet nicht, weil ihm neben dem vertraglichen Kündigungsrecht das gesetzliche vorzeitige Auflösungsrecht nach § 1117 ABGB zusteht (MietSlg 36.179) und es dabei nur auf die Zumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses ankommt (MietSlg 39.160 uva). Diese Zumutbarkeit ist bei einer beharrlichen faktischen Weigerung des Vermieters zur Behebung der - wenn auch geringen - Schäden am Mietobjekt zu verneinen. Der Revision ist daher Folge zu geben, ohne daß es noch erforderlich wäre, darauf einzugehen, ob in der langen Bindungsdauer von zehn Jahren eine materielle Nichtigkeit (§§ 879, 864a ABGB) liegen könnte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Im Verfahren erster Instanz waren nur die tatsächlich getragenen Sachverständigengebühren zuzusprechen (Rücküberweisung ON 19 und ON 19a). Im Verfahren dritter Instanz ist § 23 Abs 9 RATG unanwendbar.

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