OGH 2Ob151/99s

OGH2Ob151/99s27.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. Erich B*****, und 2. B***** GmbH, ***** beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Pfeifer, Dr. Keckeis und Dr. Fiel OEG in Feldkirch, wegen S 152.000 sA, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Februar 1999, GZ 2 R 23/99w-11, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Teil-Zwischenurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20. Oktober 1998, GZ 5 Cg 124/98g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 12. 2. 1998 fuhr der Kläger mit einem LKW-Zug auf das Betriebsgelände der zweitbeklagten Partei, um dort eine Fuhre Betonrohre zu übernehmen. Die Beladearbeiten wurden vom Erstbeklagten mit einem von der zweitbeklagten Partei gehaltenen Diesel-Gabelstapler, der eine Bauartgeschwindigkeit von 25 km/h aufweist, durchgeführt. Beim Abladen eines Rohraufsatzes mit dem Gabelstapler stürzte dieser vom Anhänger des LKW-Zuges. Der Kläger wurde dadurch schwer verletzt.

Das Erstgericht wies mit Teil- und Zwischenurteil das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, daß das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Begehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es verneinte ein Verschulden des Erstbeklagten und bejahte die Haftung der zweitbeklagten Partei nach dem EKHG. Da der Gabelstapler eine Bauartgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h aufgewiesen habe, seien die Bestimmungen des EKHG anzuwenden; der Unfall habe sich beim Betrieb des Kraftfahrzeuges ereignet. Der Entlastungsbeweis des § 9 EKHG sei der zweitbeklagten Partei nicht gelungen.

Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Berufung der zweitbeklagten Partei gab das Berufungsgericht nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es sei auf den von der zweitbeklagten Partei gehaltenen Hubstapler das EKHG anzuwenden, an. Die Unterscheidung zwischen Straßen mit öffentlichem Verkehr und solchen ohne öffentlichen Verkehr sei nur für die Anwendung des KFG entscheidend, nicht aber für die Anwendung des EKHG. Der von der zweitbeklagten Partei gehaltene Hubstapler erreiche eine Höchstgeschwindigket von 25 km/h und falle daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 2 Satz 2 EKHG. Daß das Werksgelände der zweitbeklagten Partei, auf dem sich der Unfall ereignete, sowohl Fußgänger- als auch Fahrzeugverkehr ermögliche und dafür auch bestimmt sei, sei offensichtlich.

Es treffe nicht zu, daß dem Kläger ein erhebliches Mitverschulden anzulasten sei, weil es für ihn keinen Grund und keine Notwendigkeit dafür gegeben habe, sich im Gefahrenbereich aufzuhalten und sich am abzusetzenden Rohr festzuhalten. Eine nachträglich sich als unrichtig herausstellende Reaktion in einer plötzlich auftretenden Gefahrensituation könne kein ins Gewicht fallendes Mitverschulden begründen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erachtet, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein Hubstapler ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 Abs 2 EKHG sei, fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der zweitbeklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der zweitbeklagten Partei zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der zweitbeklagten Partei ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend (§ 508a Abs 1 ZPO) - unzulässig.

Gemäß § 1 Abs 1 EKHG ist dieses Gesetz auf Unfälle beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs anzuwenden. Der Begriff des Kraftfahrzeugs ist im Sinne des KFG auszulegen (§ 2 Abs 2 EKHG). Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 KFG gilt als Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird. Gemäß § 1 Abs 1 KFG sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden.

Der Oberste Gerichtshof hat nun bereits mehrfach ausgesprochen (ZVR 1975/170; ZVR 1985/51), daß das EKHG das KFG nur zur Auslegung des Begriffes des KFZ heranzieht, nicht aber zur Beurteilung des Umfanges der Haftung für den Schaden beim Betrieb von KFZ. Dieser wird durch das EKHG geregelt und setzt keineswegs voraus, daß der haftungsbegründende Betrieb des KFZ auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr erfolgt. Diese Rechtsansicht entspricht auch der herrschenden Lehre, wonach das EKHG auch auf Unfälle anwendbar ist, die sich nicht auf öffentlichen Verkehrsflächen ereignen (Schauer in Schwimann**2, ABGB, Rz 9 zu § 1 EKHG mwN; Apathy, KommzEKHG, Rz 22 zu § 1; Koziol, Haftpflichtrecht**2 II 513 jeweils mwN). Daß das Fahrzeug, mit dem sich der Unfall ereignete, nicht für Straßen mit öffentlichem Verkehr bestimmt sein muß, ergibt sich aus der Entscheidung ZVR 1985/51, in der ein Unfall mit einem Radlader auf einem Werksgelände zu beurteilen war; der Sachverhalt der dieser Entscheidung zugrunde liegt, ist dem gegenständlichen durchaus vergleichbar.

Da die übrigen Voraussetzungen des § 2 Z 1 KFG (Antrieb durch technisch freigemachte Energie und fehlende Bindung an Gleise) nicht strittig sind und auch eine Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h erreichbar ist (§ 2 Abs 2 EKHG), entspricht die Ansicht der Vorinstanzen, es sei auf den Hubstapler das EKHG anzuwenden, der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Die in der Revision zitierten Entscheidungen ZVR 1975/77 und ZVR 1977/290 sind solche des VwGH die zum KFG und nicht zum EKHG ergangen sind. Im Fall der Entscheidung ZVR 1978/39 wurde eine Straßenbaumaschine tatsächlich auf öffentlichen Straßen verwendet, weshalb der hier relevanten Frage keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukam.

Die weiters in der Revision relevierte Frage, ob den Kläger ein erhebliches Mitverschulden trifft, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Die Revision der zweitbeklagten Partei war deshalb zurückzuweisen.

Die klagende Partei, die nicht auf die Unzulässigkeit der Revision der zweitbeklagten Partei hingewiesen hat, hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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