OGH 1Ob137/99z

OGH1Ob137/99z25.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm K*****, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Manfred K*****, vertreten durch Böhmdorfer-Gheneff OEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herstellung eines Lehmschlags (Streitwert S 30.000,- -) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 1999, GZ 37 R 891/98y-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 8. Juni 1998, GZ 5 C 372/96w-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen erkannten den Beklagten schuldig, im Wege der Naturalrestitution auf einer ihm gehörigen Liegenschaft stark lehmiges Aushubmaterial in bestimmtem Ausmaß in den Bereich einer früher vorhanden gewesenen Baugrube einzubringen und schichtweise zu verdichten, um das Abfließen von Wasser aus einem Brunnen, der sich auf einem im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück befindet, zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

In seiner vom Berufungsgericht für zulässig erklärten Revision macht der Beklagte folgendes geltend:

1.) Die Anwendung des § 364b ABGB komme nicht in Frage:

Hiezu ist lediglich festzuhalten, daß die Vorinstanzen § 364b ABGB ohnehin nicht angewendet haben, sie haben vielmehr dem Kläger in analoger Anwendung des § 364a ABGB einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gewährt.

2.) Die vom Grundstück des Beklagten ausgehende Einwirkung überschreite das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht, es werde die ortsübliche Benutzung des Grundstücks (des Klägers) nicht wesentlich beeinträchtigt:

Wird im Zuge eines Bauvorhabens der Wasserspiegel im Brunnen der Nachbarliegenschaft enorm abgesenkt (von 3 m Wassersäule auf 30 bis 40 cm), so ist nicht daran zu zweifeln, daß durch diese Einwirkung "das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß" im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB überschritten wurde. Es geht nämlich nicht darum, ob in der Gegend, in der sich die Liegenschaften der Streitteile befinden, die Entnahme von Brunnenwasser üblich ist, sondern ob die vom Beklagten durch die Herstellung einer Baugrube veranlaßte Immission das gewöhnliche Maß überschritten hat. Geht man davon aus, daß der Kläger den Brunnen immer benutzte, mit dem Brunnenwasser den Rasen sprengte und die Gemüseecke bewässerte und daß ihm dies wegen des starken Absinkens des Wasserstands im Brunnen seit Beginn der Bauführung auf der Liegenschaft des Beklagten nicht mehr möglich war (siehe S 13 des Ersturteils), so kann auch nicht bezweifelt werden, daß die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks eine wesentliche Beeinträchtigung erfahren hat.

3.) § 364a ABGB sei nicht anzuwenden:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Absenkung des Grundwasserspiegels - dem die Absenkung des Wasserspiegels in einem Schachtbrunnen wohl gleichkommt - einer Immission im Sinne der §§ 364 f ABGB gleichzuhalten ist. Ist diese Absenkung typische Folge einer bewilligten und daher faktisch nur schwer untersagbaren Bauführung, dann gebührt dem rechtmäßig wassernutzenden Nachbarn ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 364a ABGB (SZ 69/220; vgl JBl 1992, 641; ecolex 1991, 454; SZ 61/7). § 364a ABGB ist auch im Falle von Immissionen, die eine behördliche Bewilligung zur vorübergehenden Grundstücksvertiefung zur Voraussetzung hatten, analog anzuwenden (MietSlg 37.022; Spielbüchler in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 364a). Die nachbarrechtliche Haftung besteht auch dafür, daß durch ein behördlich genehmigtes Bauprojekt die natürlichen Ablaufverhältnisse von Gewässern - welcher Art auch immer - verändert wurden (SZ 54/137).

4.) Es handle sich bei der Absenkung des Wasserspiegels nicht um eine typische Folgewirkung der Bauführung auf dem Grundstück des Beklagten, dieser habe den Wasserabfluß nicht vorausahnen können:

Was das "Vorausahnen" der nachteiligen Folgen betrifft, ist der Beklagte darauf zu verweisen, daß § 364a ABGB einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch regelt (Spielbüchler aaO Rz 1 und 3 zu § 364a). Gewiß müssen die vom Nachbargrund ausgehenden Einwirkungen "für den Betrieb der Anlage" typisch sein. Der Ausgleichsanspruch umfaßt jedenfalls auch solche Schäden, die typischerweise mit dem Ausheben einer Baugrube zwecks Errichtung eines Hauses verbunden sind. Mußte auf der Liegenschaft des Beklagten zum Zwecke der Bauführung so tief gegraben werden, daß die Aushubtiefe wesentlich unter der Sohle des klägerischen Brunnens lag (S 6 des Ersturteils), dann war, zumal das Wasser aus dem Brunnen in die Baugrube abfloß und dort immer wieder abgepumpt werden mußte (S 6 des Ersturteils), das Absinken des Wasserspiegels eine typische Schadensfolge der Errichtung des Hauses (vgl SZ 69/220). Jedenfalls kann aber die Frage, ob eine bestimmte Emmission für den Betrieb einer bestimmen Anlage typisch ist, nur einzelfallbezogen beantwortet werden.

5.) Der Kläger habe seine Ansprüche auf den Titel des Schadenersatzes gestützt und damit die Möglichkeit verwirkt, "andere Rechtsfragenlösungen zuzulassen":

Der Kläger macht ohnehin einen Schadenersatzanspruch geltend, denn schon nach dem Wortlaut des § 364a ABGB kann der Beeinträchtigte den Ersatz des zugefügten Schadens verlangen. An die Stelle des Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB tritt eben ein auf Vergütung des Schadens gerichteter (verschuldensunabhängiger) nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (Spielbüchler aaO). Ob dem Beklagten bei den in Analogie zu § 364a ABGB (allenfalls zu § 364b ABGB) gewährten Ausgleichsansprüchen Naturalrestitution - wie hier begehrt - aufgetragen werden kann, ist mangels Relevierung in der Revision nicht weiter zu prüfen.

6.) Es mangle dem Kläger an einer wasserrechtlichen Genehmigung für den Schachtbrunnen. Das Gericht habe nicht geprüft, ob und warum der derzeitige Wasserstand für den gemäß § 10 Abs 1 WRG vorgesehenen notwendigen Haushalts- und Wirtschaftsbedarf nicht ausreiche:

Die Wasserentnahme aus einem Hausbrunnen zwecks Bewässerung des Hausgartens steht - zumal es vor der Absenkung des Wasserspiegels an ausreichendem Wasser nicht mangelte - "in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde", sodaß die Wasserentnahme gemäß § 10 Abs 1 WRG keiner Bewilligung bedurfte (vgl SZ 69/220). Warum das "tägliche Gießen des Gartens" nicht zum "notwendigen Haushalts- und Wirtschaftsbedarf" gehören sollte, vermag der Beklagte nicht aufzuzeigen. Steht aber das Wasser im Schachtbrunnen nunmehr lediglich etwa einen halben Meter hoch (siehe S 13 des Ersturteils), dann kann kein Zweifel an der Richtigkeit der Schlußfolgerung der Vorinstanzen bestehen, daß die Menge des jetzt nur mehr eingeschränkt vorhandenen Wassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf nicht mehr ausreicht.

Die Revison ist mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig und damit zurückzuweisen. An den die Zulässigkeit der Revision bejahenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht nicht gebunden (§ 508a ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Kostenberechnung war allerdings ein Streitwert von S 30.000,-- zugrundezulegen.

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