OGH 10ObS85/99v

OGH10ObS85/99v4.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz S*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Kurt Waldhör, Rechtsanwalt in Bad Ischl, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Februar 1999, GZ 11 Rs 14/99d-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20. Oktober 1998, GZ 17 Cgs 127/97y-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei daher nur folgendes entgegengehalten:

Rechtliche Beurteilung

Die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen resultiert aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Die Frage, ob außer den bereits vorliegenden noch weitere Sachverständigengutachten zu demselben Beweisthema einzuholen oder diese Gutachten zu ergänzen bzw zu erörtern gewesen wären, gehört ebenso zur Beweiswürdigung wie die Frage, ob neben den vom Erstgericht aufgenommenen Beweisen auch die Parteienvernehmung des Klägers durchzuführen gewesen wäre, und kann im Revisionsverfahren nicht geprüft werden, auch nicht unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (SSV-NF 7/12 mwN). Das Berufungsgericht hat sich mit der diesbezüglichen Mängelrüge der klagenden Partei auseinandergesetzt, sodaß auch insoweit kein Mangel des Berufungsverfahrens gegeben ist (SSV-NF 7/74 mwN).

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Ausführungen des Klägers zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nach § 503 Z 4 ZPO ist folgendes zu entgegnen:

Zur Frage der vom Kläger auch unter diesem Revisionsgrund gerügten Verfahrensmängel erster Instanz wurde bereits Stellung genommen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates, daß ein Versicherter, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, die es ihm ermöglichten, an seinem konkreten Arbeitsplatz eine Tätigkeit in dem in der Beschäftigungsgruppe 4 des hier analog anwendbaren Kollektivvertrages der Handelsangestellten umschriebenen Umfang zu entfalten, der aber sonst über keinerlei Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Beschäftigungsgruppe verfügt, auch auf Tätigkeiten in der Beschäftigungsgruppe 2 dieses Kollektivvertrages verwiesen werden kann (vgl SSV-NF 10/85; 8/38; 5/34 ua; jüngst 10 ObS 58/99y). Der Kläger, der zwar eine Einzelhandelskaufmannslehre abgeschlossen hat, aber nie Büroarbeiten verrichtet hat und deshalb nicht über entsprechend qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, ist daher nicht aus Gründen, die im Herabsinken seiner Arbeitsfähigkeit (§ 273 Abs 1 ASVG) liegen, nicht imstande, andere Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 3 oder 4 des Kollektivvertrages der Handelsangestellten auszuüben, sondern die Verweisung auf solche Tätigkeiten scheidet schon deshalb aus, weil dem Kläger die hiefür erforderlichen Kenntnisse fehlen, die er im notwendigen Umfang auch nie besessen hat. Daraus folgt jedoch, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger könne aufgrund des festgestellten medizinischen Leistungskalküls auf einfache Angestelltentätigkeiten verwiesen werden, wie sie im Beschäftigungsgruppenschema des Kollektivvertrages der Handelsangestellten unter der Beschäftigungsgruppe 2 beispielsweise aufgezählt sind, zutreffend ist. Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch offenkundig, daß solche Arbeitsplätze am Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl vorhanden sind (vgl SSV-NF 3/156 ua).

Wenn der Kläger meint, es hätten Feststellungen zur Frage des Herabsinkens seiner Arbeitsfähigkeit iSd § 273 Abs 1 ASVG getroffen werden müssen, so ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung der Begriff der Arbeitsfähigkeit iSd § 273 ASVG die Fähigkeit bedeutet, durch Arbeit im Rahmen seiner Berufsgruppe einen bestimmten Verdienst zu erwerben. Es kommt daher bei der Prüfung der Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, darauf an, ob der Versicherte wegen seiner Leidenszustände im Vergleich zu geistig und körperlich Gesunden von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten weniger als die Lohnhälfte erzielen kann (vgl SSV-NF 9/46; 3/157 ua). "Gesund" iSd § 273 Abs 1 ASVG ist ein Versicherter, der zumindest noch über die Arbeitskraft verfügt, die erforderlich ist, um die jeweils in Betracht kommenden Berufe auszuüben. Ist ein Versicherter aber in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben - und dies steht hier fest - so ist davon auszugehen, daß er auch in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes oder Gehaltes zu erzielen, sodaß sich die Frage der Lohnhälfte nicht stellt (SSV-NF 9/46; 3/157 ua; RIS-Justiz RS0084408). Der Kläger ist daher nicht berufsunfähig iSd § 273 Abs 1 ASVG.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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