OGH 14Os3/99

OGH14Os3/9920.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Leitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roman G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Roman G***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. November 1998, GZ 36 Vr 194/98-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2 und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman G***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1) und des verbrecherischen Komplottes nach § 277 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 9 lit a und b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise, nämlich in Ansehung des Schuldspruches 2 (verbrecherisches Komplott), berechtigt.

Nach § 277 Abs 2 StGB ist der Täter unter anderem dann nicht zu bestrafen, wenn die beabsichtigte Straftat ohne sein Zutun unterbleibt, er sich aber freiwillig und ernstlich um die Verhinderung derselben bemüht. Zwar bewirkt die bloße Aufgabe der Mitwirkungsbereitschaft nach Verabredung eines Komplotts ohne freiwillige Verhinderung der Tatausführung oder ohne Bemühen in diese Richtung keine Strafbefreiung; ebensowenig kann von Freiwilligkeit im Sinn des § 277 Abs 2 StGB bei bloßer Abstandnahme von der Tat aus psychischem Unvermögen gesprochen werden (15 Os 137/94). Das bloße Absentieren eines von mehreren Komplottanten vom Komplott für sich allein vermag den in Rede stehenden Strafaufhebungsgrund nur dann zu begründen, wenn durch eben dieses Ausscheiden fallspezifisch die gesamte in Aussicht genommene Tathandlung verhindert wird oder verhindert worden wäre (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 277 E 20).

Die Schaffung entsprechender Sachverhaltsgrundlagen durch das Erstgericht wäre zur verläßlichen Beurteilung der Voraussetzungen dieses reklamierten (Z 9 lit b) Strafaufhebungsgrundes unerläßlich gewesen:

Nach der Aktenlage hat sich der Angeklagte kurz nach der in Innsbruck erfolgten Verabredung der Komplottat, die ebenfalls dort hätte stattfinden sollen, entfernt und zum beabsichtigten Tatzeitpunkt in Telfs aufgehalten (S 115 ff/I). Für die Frage nach dem Vorliegen tätiger Reue ist von Bedeutung, an welchem Ort sich die beiden anderen Komplottanten zum geplanten Tatzeitpunkt befunden haben bzw aus welchem Grund die Verwirklichung des Komplottdeliktes tatsächlich unterblieben ist, ferner ob der Angeklagte die Vorstellung hatte, die Tatausführung sei noch möglich.

Auf Grund mangelhafter Feststellungen in dieser Hinsicht war das angefochtene Urteil - ohne daß es einer Erörterung der weiteren den Schuldspruch 2 betreffenden Beschwerdeausführungen bedurfte - teilweise aufzuheben.

Das Vorliegen der Erfordernisse allfälliger Straflosigkeit nach § 277 Abs 2 StGB wird das Schöffengericht unter den gegebenen Umständen, nämlich angesichts des tatsächlichen Unterbleibens der verabredeten Tatausführung und des zur geplanten Tatzeit vom Tatort entfernten Aufenthaltes des Angeklagten bei der Neudurchführung des Verfahrens - ungeachtet der die Feststellungen zur subjektiven Tatseite erschwerenden bisher leugnenden Einlassung des Angeklagten - überprüfen müssen.

Fehl geht die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch mit ihren übrigen Ausführungen:

Zu Unrecht wendet der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge nach der Z 2 ein, daß in der Hauptverhandlung die von Johann H***** vor der Polizei als Zeuge gemachten Angaben (S 71 ff, 89 ff) verlesen wurden, obwohl dieser durch die Polizei über sein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht informiert worden war und auf dieses auch nicht ausdrücklich verzichtet hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung scheiden - der Beschwerdemeinung zuwider - durch die Sicherheitsbehörde verfaßte Protokolle als nichtige Vorerhebungsakte nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO von vornherein aus (Foregger/Kodek StPO7 S 419; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 2 E 4 mwN).

Auch unter dem Gesichtspunkt der Z 3 muß das Vorbringen des Beschwerdeführers erfolglos bleiben. Dieser Nichtigkeitsgrund stellt ausschließlich auf die Verletzung taxativ aufgezählter Vorschriften in der Hauptverhandlung ab; im gegebenen Zusammenhang lagen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verlesung der Zeugenangaben vor der Polizei zufolge erfolglos gebliebener Ausforschungsversuche (ON 56, 70/I) nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO vor.

Die nichtigkeitsrelevante Anwendung der eng auszulegenden, allein gerichtliche Aussagen betreffenden Bestimmung des § 152 StPO (Mayerhofer StPO4 § 152 E 20) auf Zeugenvernehmungen vor der Polizei kann im übrigen dem Gesetz nicht entnommen werden, zumal sich auch der Abs 5 ausdrücklich (nur) an das Gericht wendet (Mayerhofer StPO4 § 152 E 44 f). Mangels Aufzählung verwaltungsbehördlicher Vorschriften im Katalog der Nichtigkeitsgründe sind das gerügte (siehe allerdings Mayerhofer StPO4 § 152 E 45) Unterbleiben einer Belehrung durch die Sicherheitsbehörde und eines ausdrücklichen Verzichtes des Zeugen auf sein Entschlagungsrecht der Geltendmachung durch Nichtigkeitsbeschwerde entzogen.

Für die erfolgreiche Relevierung unter der Z 4 fehlt es der Nichtigkeitsbeschwerde schon an der formellen Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung gestellten (auf Entscheidung durch das Schöffengericht gerichteten) Antrages oder eines (gegen den Widerspruch der Verteidigung ergangenen) Zwischenerkenntnisses des Schöffengerichtes; der bloße Widerspruch gegen die Verlesung der Angaben des Zeugen H***** vermag diesen Mangel nicht zu ersetzen. Die Beschwerdebehauptung, daß in der Hauptverhandlung entgegengesetzte Anträge vorgelegen seien, erweist sich als aktenwidrig.

Zufolge - im Sinne des § 258 Abs 1 zweiter Satz StPO - einwandfreier Verwertung der Aussage des Zeugen H***** vor der Polizei haftet - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - dem angefochtenen Urteil ein formeller Begründungsfehler des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen ebenfalls nicht an.

In weiteren Ausführungen bekämpft der Beschwerdeführer unter isolierter Wiedergabe einzelner Beweisdetails die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Rene K***** und damit der Sache nach bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zufolge Mitaufhebung des Strafausspruchs sind die beiderseitigen Berufungen gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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