OGH 15Os137/94

OGH15Os137/9413.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz Johann H* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz Johann H* gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21. Juli 1994, GZ 20e Vr 3011/94‑47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Panzer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00137.9400000.1013.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Franz Johann H* der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1) sowie des verbrecherischen Komplottes nach § 277 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu 1) am 28. Dezember 1993 in H* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) gegenüber der Schalterbeamtin des dortigen Postamtes Gerlinde H*, indem er eine 8 mm‑Gaspistole der Marke Umarex Napoleon gegen sie richtete, sohin unter Verwendung einer Waffe, der Genannten eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld im Betrag von 68.978 S, mit dem Vorsatz abgenötigt, durch diese Sachzueignung sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, sowie

(zu 2) in der ersten Dezemberwoche des Jahres 1993 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Christian G* und Hermine L* als Mittäter die gemeinsame Ausführung eines Raubes (§ 142 StGB), nämlich eines bewaffneten Raubüberfalles auf die Filiale der Bank * in * verabredet.

Die Geschworenen haben die beiden Hauptfragen (lautend nach den Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und des verbrecherischen Komplottes nach § 277 Abs 1 StGB) jeweils stimmeneinhellig bejaht; weitere Fragen waren ihnen nicht gestellt worden.

Beide Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe des § 345 Abs 1 Z 6, 10 a, 11 lit a, 12 und 13 StPO gestützt wird.

Einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß weder eine Hauptfrage in Richtung (bloß) des Grundtatbestandes des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, noch (wenigstens) eine Eventualfrage (zur Hauptfrage 1) nach diesem Delikt gestellt wurde, weil die Verwendung einer Gaspistole beim Raub nicht die Qualifikation des zweiten Falles des § 143 StGB erfülle.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, daß gemäß § 312 Abs 1 StPO die Hauptfrage stets darauf zu richten ist, ob der Angeklagte schuldig sei, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Nach Lage des Falles lag dem Beschwerdeführer gemäß der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 16. Mai 1994 (ON 32) zum Faktum I die Verübung eines Raubes unter Verwendung einer Gaspistole zur Last. Demgemäß entsprach die Stellung der Hauptfrage in Bezug auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB der Sach‑ und Rechtslage. Lediglich eine ‑ ebenfalls dem Anklagevorwurf entsprechende ‑ Aufspaltung in eine auf das Grunddelikt gerichtete Hauptfrage und eine die Qualifikation betreffende "uneigentliche" Zusatzfrage wäre in Betracht gekommen, nicht aber eine auf das Grunddelikt gerichtete Eventualfrage.

Darüber hinaus war die Beurteilung der erwähnten Tat als bloß einfacher Raub gemäß § 142 Abs 1 StGB - ohne Verwendung einer Waffe ‑ nicht indiziert, weil die Verwendung der Gaspistole bei der Tatbegehung nie in Zweifel stand. Bei der Wertung des Einsatzes dieser Gaspistole als Waffe stand den Geschworenen offen, gemäß § 330 Abs 2 StPO (worüber sie gemäß Punkt 3 b der "Allgemeinen Rechtsbelehrung für die Geschworenen" informiert wurden) die Hauptfrage 1 unter Beifügung der Beschränkung: "Ja, aber ohne Verwendung einer Waffe" zu bejahen.

Es versagt aber auch der rechtliche Einwand, die verwendete Gaspistole sei keine Waffe im Sinn des § 143 StGB. Gaspistolen, die sich von anderen Schußwaffen nur dadurch unterscheiden, daß anstelle eines festen Körpers Gas verschossen oder versprüht wird, sind ‑ als Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs‑ oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen (§ 1 Z 1 WaffG) ‑ Waffen im technischen Sinn (Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht § 1 WaffG E 3); daß die Verwendung einer solchen Waffe beim Raub die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB erfüllt, entspricht übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre (vgl ‑ jeweils zu § 143 StGB - Leukauf/Steininger Komm3 RN 8; Kienapfel BT II3 Rz 14, 21, 25; Bertel/Schwaighofer BT I3 Rz 2; Foregger/Serini StGB5 Erl IV; Mayerhofer/Rieder StGB3 E 7).

Demnach scheitert auch die Subsumtionsrüge (Z 12), mit der der Beschwerdeführer erneut diese Qualifikation bestreitet.

Auch die Unterlassung der Stellung einer Zusatzfrage zum Verbrechen nach § 277 Abs 1 StGB wegen Vorliegens des Strafaufhebungsgrundes nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle verstieß nicht gegen die Vorschrift des § 313 StPO. Eine solche Zusatzfrage wäre darnach nur dann zu stellen gewesen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden wären, die im Falle ihrer Erweislichkeit die Strafbarkeit aus dem erwähnten Grund aufgehoben hätten. Das Verfahren vor dem Geschworenengericht hat jedoch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß der Angeklagte die Begehung des beabsichtigten Raubes freiwillig verhindert (§ 277 Abs 2 erster Satz StGB) oder in Unkenntnis des Unterbleibens dieser Tat ohne sein Zutun sich freiwillig und ernstlich um deren Verhinderung bemüht hat (zweiter Satz dieser Gesetzesstelle). Freiwilligkeit der Verhinderung (oder eines darauf abzielenden ernstlichen Bemühens) ist nämlich so lange gegeben, als der Komplottant die Vorstellung hat, eine dem Tatplan entsprechende Vollendung des Vorhabens wäre nach wie vor möglich. Wähnt er sich hingegen auf Grund der gegebenen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Situation außer Stande, sein Ziel tatplangemäß zu erreichen, beruht die Abstandnahme von der Tat sohin auf psychischem Unvermögen, dann kann von Freiwilligkeit im Sinn des § 277 Abs 2 StGB keine Rede sein (SSt 52/40, Steininger im WK § 277 Rz 16). Weder die Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung (S 33/II), derzufolge er von der Begehung des Bankraubes auf Grund der Einsicht Abstand nahm, "daß da eine Kamera ist, wo man alles sehen konnte" (S 109, 111/I), noch die Zeugenaussage des abgesondert verfolgten Christian G*, wonach sie für die Tatausführung "zu feige" gewesen seien, weil "einfach zu viele Leute im Kundenraum" waren (S 36/II, S 29 in ON 20) indizieren, daß zum Zeitpunkt der Abstandnahme von der Tat beim Angeklagten noch die Vorstellung bestand, für ihr Vorhaben bestehe an sich Aussicht auf tatplangemäße erfolgreiche Durchführung. Sohin war die Stellung der vom Angeklagten vermißten Zusatzfrage nicht geboten.

Sofern der Angeklagte unter Relevierung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO (erneut) die Nichtanwendung des Strafaufhebungsgrundes des § 277 Abs 2 StGB moniert, ist er auf diese Erwägungen zu verweisen.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) behauptet das Bestehen erheblicher Bedenken gegen die Beurteilung der beim Faktum 1 verwendeten Gaspistole als Waffe im Sinn des § 143 StGB sowie hinsichtlich des Faktums 2 gegen die Nichtannahme des Strafaufhebungsgrundes nach § 277 Abs 2 StGB. Dieser Nichtigkeitsgrund wird nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil damit nicht erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen aufgezeigt, sondern im Faktum 1 eine unrichtige rechtliche Beurteilung und im Faktum 2 ein Feststellungsmangel (und nicht Bedenken gegen eine im Wahrspruch der Geschworenen getroffene Annahme faktischer Natur) vorgebracht werden.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe beim Ausspruch über die Strafe für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt und in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen, indem es einzelne, in der Beschwerde angeführte Milderungsgründe nicht berücksichtigt und eine unvertretbar hohe Strafe ausgesprochen habe, wird weder eine Überschreitung der Strafbefugnis durch das Geschworenengericht, noch eine rechtsunrichtige Beurteilung von Strafzumessungstatsachen und auch kein Verstoß gegen Strafbemessungsvorschriften geltend gemacht, sondern es werden damit lediglich Berufungsgründe vorgebracht, über die gemäß §§ 290 Abs 1 letzter Satz, 344 StPO im Rahmen der Erledigung der Berufung zu entscheiden ist.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Franz Johann H* nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die drei einschlägigen Vorstrafen, den überaus raschen Rückfall sowie das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Entgegen dem Vorbringen in der Berufung ‑ gleichwie in den Ausführungen zu § 345 Abs 1 Z 13 StPO ‑ hat das Geschworenengericht die besonderen Strafbemessungsgründe vollständig ausgeführt; die weiteren reklamierten Milderungsumstände liegen nicht vor.

Die Behauptung des Berufungswerbers, er sei praktisch nahezu mittellos aus der Haft entlassen worden, steht mit seinem eigenen Vorbringen im Widerspruch, wonach er bei Entlassung aus der Haft über 11.000 S verfügte und überdies Sozialunterstützung in Höhe von 4.500 S erhielt (S 21/I).

Von (unverschuldeter) drückender Notlage des Täters kann schon deswegen nicht gesprochen werden, weil er seine Barmittel zum Teil dazu verwendet hat, die beim Raub verwendete Gaspistole zu kaufen und den bei der Vorbereitung und Ausführung des Raubüberfalls verwendeten PKW zu mieten.

Keinen Milderungsgrund stellt dar, daß der Angeklagte den Raub unter Verzicht auf die Anwendung brutaler Gewalt geplant und durchgeführt hat; hätte er diese Gewalt tatsächlich angewendet, wäre dies erschwerend gewesen.

Die 68.978 S ausmachende Raubbeute kann ‑ entgegen dem Berufungsvorbringen ‑ auch "relativ" gesehen keineswegs als gering angesehen werden.

Daß er in schlechte Gesellschaft geriet, wodurch er zum Komplott (Faktum 2) veranlaßt wurde, stellt einen strafmildernden Umstand nicht her.

Wie schon in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt hat der Berufungswerber keineswegs freiwillig von der geplanten Raubtat zum Nachteil der Bank* AG Abstand genommen.

Nicht aktengetreu ist die weitere Berufungsbehauptung, der Angeklagte sei über Drängen Dritter zu dieser Tat veranlaßt worden; nach seiner Verantwortung wurde dieser Raub gemeinsam besprochen und geplant (S 375/I); auch das Vorbringen, er habe Dritte von dieser Tatausführung abgehalten, steht mit seiner Verantwortung (S 377/I) in Widerspruch.

Da das verbrecherische Komplott seiner Natur nach eine (strafbare) Vorbereitungshandlung darstellt, kann der Umstand, daß durch die Tat im Faktum 2 kein Schaden entstanden ist, für die Strafbemessung nicht ins Gewicht fallen.

Grundlage für die Strafbemessung ist die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Diese bestimmt sich nach dem Gewicht des rechtsfehlerhaften Verhaltens (der personalen Täterschuld) und nach der Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung (dem Unwert der verschuldeten Tat).

Nach Lage des Falls wiegen beide Strafzumessungsfaktoren gewichtig.

Was die personale Täterschuld anlangt, so ergibt sich aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Urteil im Verfahren 10 Vr 3087/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, daß der Berufungswerber u.a. wegen der Begehung zweier bewaffneter Raubüberfälle, von denen er einen unter Verwendung eines Messers mit 20 cm langer Klinge, den anderen ‑ ein Raubüberfall auf ein Postamt - unter Verwendung eines Gasrevolvers verübt hat und deswegen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren verurteilt wurde. Auch der Vollzug dieser langjährigen Freiheitsstrafe konnte den Angeklagten nicht abhalten, bereits ca ein Vierteljahr nach der Entlassung aus dem Strafvollzug erneut einen bewaffneten Überfall auf ein Postamt zu begehen. Die völlige Wirkungslosigkeit des Vollzuges einer langen Freiheitsstrafe in Verbindung mit auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Vorstrafen zeichnet den Berufungswerber als eine Person aus, die dem Rechtsgut fremdes Vermögen nicht bloß gleichgültig, sondern bereits ablehnend gegenübersteht.

Der Begehung eines bewaffneten Raubüberfalls auf ein Postamt sowie der Verabredung eines weiteren Raubes unter Verwendung einer Waffe kommt auch aus Sicht des gesellschaftlichen Störwerts ganz beträchtliches Gewicht zu, handelt es sich doch bei beiden Straftaten um solche der Schwerkriminalität.

Eine Abwägung der ‑ wie schon ausgeführt ‑ vom Erstgericht erschöpfend angeführten Strafzumessungsgründe in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung ergibt, daß die von den Tatrichtern gefundene Freiheitsstrafe nicht überhöht ist.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

 

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