OGH 2Ob86/99g

OGH2Ob86/99g15.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Baumann, Dr. Zechner und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred H*****, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Christa H*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltsherabsetzung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Juni 1998 (idF seines Berichtigungsbeschlusses vom 28. Oktober 1998), GZ 45 R 361/98s-17, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 15. April 1998, GZ 3 C 27/98a-10, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs, dessen Kosten die Rechtsmittelwerberin selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger brachte am 25. 11. 1997 beim Bezirksgericht Hietzing gegen seine Ehefrau als Beklagte eine Unterhaltsherabsetzungsklage (rückwirkend ab 1. 8. 1997) ein. An diesem Tag behing beim selben Gericht bereits ein Ehescheidungsverfahren zwischen den genannten Eheleuten (Klage 21 C 55/96w und Widerklage 1 C 20/97b, welche zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden waren), in welchem am selben Tag (25. 11. 1997: laut Verhandlungsprotokoll um 10 Uhr) die Verhandlung geschlossen (und zwischenzeitlich auch die Ehe mit rechtskräftigem Urteil geschieden) wurde.

Das Bezirksgericht Hietzing wies hierauf mit Beschluß vom 2. 1. 1998 die Unterhaltsherabsetzungsklage a limine zurück, weil die Zuständigkeitsnorm des § 76a JN zufolge Schlusses der Verhandlung erster Instanz in der Ehescheidungssache nicht mehr anwendbar sei und die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Bezirksgerichtes Fünfhaus habe.

Nach fristgerechtem Überweisungsantrag des Klägers (§ 230a ZPO) hob das Bezirksgericht Hietzing den Zurückweisungsbeschluß auf und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Fünfhaus. Bei diesem erhob die beklagte Partei (zunächst mittels vorbereitenden Schriftsatzes, dann - vor Einlassung in die Sache - auch in der mündlichen Streitverhandlung) die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, worauf dieses Bezirksgericht die Klage seinerseits wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückwies und die klagende Partei zum Kostenersatz verfällte. Das Bezirksgericht Fünfhaus (im folgenden: Erstgericht) bejahte die ausschließliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Hietzing, weil die gegenständliche (Unterhalts-)Klage noch jedenfalls rechtzeitig bei diesem eingelangt war und vor Schluß der Verhandlung mit den beiden Verfahren auf Ehescheidung verbunden hätte werden können; zumindest wäre die Zustellung der gegenständlichen Klage durch Ausfolgung der Klageschrift an die beklagte Partei in der Verhandlung vom 25. 11. 1997 noch möglich gewesen. Da beim gerichtlichen Eingangsvermerk die Uhrzeit des tatsächlichen Einlangens nicht festgehalten werde, komme eine Beweisführung, ob zum Zeitpunkt des tatsächlichen Einlangens der Klage beim Bezirksgericht Hietzing bereits der Schluß der Verhandlung in den Ehescheidungssachen verkündet worden sei, nicht in Betracht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verwarf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf; die beklagte Partei wurde überdies (nach Berichtigungsbeschluß) zum Kostenersatz für den Zwischenstreit verpflichtet. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt.

Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen der Zuständigkeitsvoraussetzungen nach § 76a JN für das Bezirksgericht Hietzing; wenn an dem Tag, an dem eine derartige Klage bei diesem Bezirksgericht einlange, das anhängige Eheverfahren geschlossen werde, könne die vom Gesetz bezweckte Konzentration der Verfahren durch Einbeziehung des neu geltend gemachten Streitverfahrens nicht mehr erfolgen; abgesehen vom Fehlen des Uhrzeitvermerks einer derartigen Klage gelange eine solche in der Regel auch erst an dem dem Einlangen folgenden Werktag in die Hand des zuständigen Richters, sodaß davon ausgegangen werden müsse, daß der Tag, an dem der Schluß der Verhandlung erster Instanz erfolge, keine Zuständigkeit für neu eingeleitete Verfahren nach § 76a JN begründen könne.

Über Antrag der beklagten Parteien nach § 508 ZPO (richtig: § 528 Abs 2a iVm § 508 Abs 1 ZPO) änderte das Rekursgericht seinen Nichtzulassungsausspruch dahin ab, daß es den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig erklärte, weil zur vorliegenden Fallgestaltung eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Der klagenden Partei wurde überdies die Erstattung einer Rechtsmittelbeantwortung (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO) freigestellt, wovon diese jedoch nicht Gebrauch machte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß es der beklagten Partei nicht verwehrt war, nach Überweisung der Rechtssache gemäß § 230a ZPO einen Mangel der Zuständigkeit des überwiesenen Gerichtes rechtzeitig erneut geltend zu machen (§ 230a letzter Satz ZPO; OLG Wien in WR 177; Simotta, Der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO, JBl 1988, 359 [368]).

Nach § 76a JN ist das Gericht, bei dem eine in § 76 Abs 1 JN genannte Streitigkeit (ua wegen Ehescheidung) anhängig ist oder gleichzeitig anhängig gemacht wird, auch für die aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden sonstigen Streitigkeiten einschließlich jener über den gesetzlichen Unterhalt ausschließlich zuständig; dies gilt jedoch nicht, wenn die Verhandlung über die Scheidung der Ehe in erster Instanz bereits geschlossen ist. Diese Bestimmung wurde erst mit Wirkung vom 1. 1. 1987 durch Art I Z 5 BGBl 1985/70, mit welchem Bundesgesetz Bestimmungen über die Zuständigkeiten der Gerichte in Familienangelegenheiten geändert wurden, eingeführt. In den Materialien zur neuen Gesetzesstelle (Ausschußbericht 528 BlgNR 16. GP, 2) heißt es, daß dieser neue, als ausschließlicher statuierte Gerichtsstand der Verhandlungskonzentration dienen solle, wie dies durch die genannte Novelle in gerichtlichen Familienangelegenheiten generell angestrebt wurde. Auf dieses Motiv der Verfahrenskonzentration verweisen demgemäß auch Mayr in Rechberger (JN-ZPO, Rz 1 zu § 76a), Fasching (Lehrbuch2 Rz 312) und Rechberger/Simotta (Erkenntnisverfahren4 Rz 780). Diese zwingende (ausschließlicher Gerichtsstand) Konzentration solcher Verfahren bei ein und demselben Gericht kann jedoch diese beabsichtigte Wirkung nur entfalten, solange davon ein prozeßökonomischer Effekt, nämlich gemeinsame Verhandlung (und Entscheidung), zu erwarten ist, dessen Verwirklichung jedoch nach dem vom Gesetzgeber selbst im Schlußsatz der neuen Bestimmung genannten Fall des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im prioritären Scheidungsverfahren selbstredend nicht mehr möglich ist.

Genau dieser Fall liegt hier vor: Auch wenn die Gerichtshängigkeit der auf Unterhaltsherabsetzung gerichteten Klage bereits mit deren Einlangen in der Einlaufstelle (SZ 45/110; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 233; Fasching, aaO Rz 1173) begründet wurde, ab welchem Zeitpunkt auch die Wirkungen der perpetuatio fori nach § 29 JN einsetzen (Fasching, aaO Rz 228), so kann doch für den Rechtsstandpunkt der beklagten Partei selbst für den Fall, daß dieser Zeitpunkt uhrzeitmäßig vor dem tatsächlichen Schluß der Verhandlung in der Ehescheidungssache 21 C 55/96w gelegen sein sollte, im Hinblick darauf, daß die Klage jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt (§ 193 ZPO) nicht in die Hände des nach der Geschäftsverteilung zuständigen (Scheidungs-)Richters gelangte und damit auch nicht zur Verbindung nach § 187 ZPO führen konnte, nichts gewonnen werden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach § 102 Abs 1 Geo in der Einlaufstelle des Gerichtes alle Schriftstücke und sämtliche Gleich- und Halbschriften sogleich nach der Übernahme, und wenn es die Partei verlangt, in ihrer Gegenwart durch deutlichen Stampiglienaufdruck mit einem Eingangsvermerk zu versehen sind, welcher nur die Bezeichnung des Gerichtes sowie Tag, Monat und Jahr des Einlangens enthält; lediglich bei Grundbuchsstücken (und bei als dringlich bezeichneten sonstigen Eingaben) ist auf dem Gerichtsstück (dem nach § 102 Abs 2 Geo für den Gerichtsakt bestimmten Stück) vom Bediensteten der Einlaufstelle neben dem Eingangsvermerk die Stunde und die Minute des Einlangens zusätzlich ersichtlich zu machen (§ 103 Abs 3 Z 3 Geo). Ein derartiger Uhrzeitvermerk (wegen behaupteter besonderer Dringlichkeit des Einschreiters) wurde der hier maßgeblichen und überdies mit der Post eingelangten Unterhaltsklage nach der Aktenlage nicht beigesetzt. Zumal der Kläger bei seinem Unterhaltsherabsetzungsbegehren in der Klage auch nicht auf das beim selben Gericht bereits behängende Scheidungsverfahren hinwies (obwohl er in beiden Verfahren von Beginn an durch denselben Anwalt vertreten war) und auch keinen dringlichkeitsbegründeten Uhrzeitvermerk nach der zitierten Geo-Bestimmung (bei persönlicher Überreichung des Klageschriftsatzes) verlangte, mußte ihm klar sein, daß eine Einbeziehung nach der implizit (durch Anhängigmachung beim Scheidungsgericht) in Anspruch genommenen Zuständigkeitsnorm des § 76a JN jedenfalls nur solange möglich und zulässig war, als sich dieses Scheidungsverfahren dort auch tatsächlich noch im Status vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz befand. Da es sich hiebei auch um keine fristgebundene Sache im Sinne des § 89 GeoG handelte, kann es auch keine Rolle spielen, daß die Postaufgabe der Klage selbst nach deren Poststempel bereits am 20. 11. 1997 erfolgt war.

Auch wenn die registermäßige Erfassung jeder bei Gericht einlangenden Klage grundsätzlich noch am Tage ihres Einlangens bei Gericht zu erfolgen hat (Danzl, Geo Anm 23a zu § 110), so ist doch auch die vom Rekursgericht hiezu weiters angestellte Überlegung, wonach eine solche Klage in der Regel erst an dem dem Einlangen folgenden Werktag in die Hand des zuständigen Richters gelangt, nicht bloß aus der Erfahrung der gerichtlichen Praxis geschöpft, sondern schon im Hinblick auf die diesbezügliche normative Regelung des § 108 Abs 5 Geo als zutreffend zu qualifizieren. Selbst wenn dies für die gegenständliche Sache nicht zugetroffen haben sollte, ist doch im vorliegenden Fall nach der Aktenlage jedenfalls davon auszugehen, daß die (zeitlich spätere) Unterhaltsklage, welche beim Bezirksgericht Hietzing laut dortigem Eingangsvermerk (frühestens) am (Morgen des) 25. 11. 1997 einlangte, der Verhandlungsrichterin in der anhängigen Scheidungssache bis zum Beginn der maßgeblichen (letzten) Streitverhandlung um 9,30 Uhr dieses Tages nicht vorgelegt worden ist, wobei nach dem gemäß § 215 Abs 1 ZPO vollen Beweis liefernden Protokoll dieser Streitverhandlung der (dortige) Beklagten-(nunmehr: Klage-)vertreter auch im Rahmen seines weiteren Prozeßvorbringens keinerlei Hinweis auf die bereits zwei Tage zuvor von ihm verfaßte und zur Post gegebene Unterhalts(herabsetzungs)klage machte und so allenfalls Gelegenheit zur Einbeziehung (Verbindung) gegeben hatte.

Daraus ergibt sich folgende rechtliche Schlußfolgerung:

Die vom Regelfall des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Scheidungsverfahren am (gegenüber der späteren, zweiten Klage) zumindest nachfolgenden Werktag ausgehende Bestimmung des § 76a Schlußsatz JN ist dahingehend teleologisch (Fasching, aaO Rz 126) zu präzisieren, daß die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichtes gemäß § 76 Abs 1 JN für eine Klage nach § 76a JN sowohl dann nicht (mehr) gegeben ist, wenn am Tage des Einlangens dieser letzteren Klage die Verhandlung über die erstere bereits geschlossen (gewesen) ist (so der rein grammatikalische Wortlaut des maßgeblichen Schlußsatzes), als auch dann, wenn sie an diesem Tage - jedoch bevor die Klage dem Verhandlungsrichter von der Geschäftsabteilung vorgelegt wurde - erst für geschlossen erklärt wird, weil in beiden Fällen gleichermaßen der vom Gesetzgeber für wesentlich erachtete Zweck einer prozeßökonomischen Verfahrenskonzentration durch Verbindung und gemeinsame (weitere) Verhandlung und Entscheidung nicht mehr zu verwirklichen und damit möglich ist.

Mangels Vorliegens einer - zulässigen (AB aaO) - Vereinbarung eines anderen Gerichtsstands (nach § 104 JN) ist daher für die Zuständigkeit der gegenständlichen Klage auf Herabsetzung des Unterhaltes nicht das gemäß § 76a JN angerufene Bezirksgericht Hietzing, sondern das zufolge allgemeinen Gerichtsstandes der Beklagten überwiesene Erstgericht örtlich zuständig, weshalb das Rekursgericht zu Recht dessen Zurückweisungsbeschluß behoben und diesem die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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