Spruch:
Die für eine Unterbrechung der Verjährung erforderliche Gerichtshängigkeit tritt erst ein, wenn die Klage in der Einlaufstelle eingelangt ist
OGH 24. 10. 1972, 8 Ob 196/72 (OLG Wien 10 R 60/72, LGZ Wien 26 Cg 356/71)
Text
Am 21. 12. 1968 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem die bei der Klägerin sozialversicherte Hertha A als Insassin des PKW W ... schwere Verletzungen erlitt. Der Lenker und Halter dieses PKW, Leopold A, war im Unfallszeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichert.
Die Klägerin begehrte als Legalzessionar nach § 332 ASVG den Ersatz ihrer Pflichtaufwendungen für Hertha A im Betrage von S 4013.58 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle weiteren Pflichtaufwendungen im Rahmen des Deckungsfonds, beschränkt auf den gegenständlichen Haftpflichtversicherungsvertrag.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und erhob die Einwendung der Verjährung.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und folgende Feststellungen getroffen: Die Klägerin wendete für die bei dem eingangs erwähnten Verkehrsunfall verletzte Hertha A Spitalspflegekosten, Krankengeld und Krankenbehandlungskosten auf.
Der am 20. 12. 1971 aufgegebene eingeschriebene Eilbrief, der die vorliegende Klage enthielt, mit der die Klägerin die auf sie übergegangenen Ersatzansprüche geltend macht, wurde am 21. 12. 1971 ab 10 Uhr in dem Postfach des Erstgerichtes vom Postamt zur Abholung bereit gehalten. Der Eilbrief wurde am darauffolgenden Tag, am 22. 12. 1971, vom Postabholer des Erstgerichtes um 8 Uhr abgeholt und am gleichen Tag in der Einlaufstelle desselben mit dem Eingangsvermerk versehen. Hieraus folgerte das Erstgericht die Verjährung des Klagsanspruches. Die 3jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB habe am 21. 12. 1971 geendet. Die Klage hätte vor Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingelangt sein müssen. Dazu wäre jedoch das Einlangen in der Einlaufstelle des Gerichtes erforderlich gewesen. Die Bereitstellung zur Abholung in einem Postfach des Gerichtes genüge hiefür nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Es zog zur Beurteilung der streitentscheidenden Frage, ob als Tag des Einlangens der Klage bei Gericht der innerhalb der Verjährungsfrist liegende 21. 12. 1971 oder aber der außerhalb der Verjährungsfrist liegende 22. 12. 1971 zu gelten habe, die Bestimmungen der Postordnung heran: Im Falle des Abholvorbehaltes erfolgte die Abgabe des Poststückes und damit die Empfangnahme durch den Empfänger erst mit der Abholung vom Postfach (§§ 185, 189 Postordnung). Daraus ergebe sich zwingend, daß die vorliegende Klage ungeachtet ihres Einlanges beim Postamt und des Zeitpunktes, in dem sie in das Postfach des Erstgerichtes gelegt wurde, infolge eines Abholvorbehaltes erst am Tage der Abholung, nämlich am 22. 12. 1971, als beim Erstgericht eingelangt anzusehen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung dadurch unterbrochen, daß derjenige, der sich auf die Verjährung berufen will, von dem Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Der Revision ist zuzugeben, daß unter dem Begriff der "Belangung" mit einer Klage nicht die erst mit der Klagszustellung an den Prozeßgegner eintretende Streitanhängigkeit, sondern bereits die Gerichtshängigkeit verstanden wird. Gerichtshängig aber ist die Sache erst dann, wenn der verfahrenseinleitende Antrag in der Einlaufstelle des Gerichtes eingelangt ist (AmtlSlg 1456, JBl 1956, 367; Fasching III 86), Demgegenüber vertritt die Revision die Auffassung, daß Gerichtshängigkeit schon in dem Zeitpunkt eingetreten sei, in dem der verfahrenseinleitende Schriftsatz dergestalt in die "Sphäre des Gerichts" gelangt sei, daß dieses darüber verfügen könne. Sie vermag jedoch keine stichhältige Begründung für diese Ansicht vorzubringen. Auf die von der Revision herangezogene Bestimmung des § 192 PostO über die Schließfächer ist hier schon deshalb nicht einzugehen, weil solche nur für nicht bescheinigte Briefsendungen zur Verfügung gestellt werden; die gegenständliche Klage ist jedoch nach den vorinstanzlichen Feststellungen als bescheinigte Postsendung iS des § 31 2. Satz PG zu werten. Da zur Zustellung einer bescheinigten Sendung auch die Bestätigung ihrer Empfangnahme durch das Abholorgan (§ 197 Geo) gehört, zeigt sich, daß das Einlegen in das Postfach nicht dem Zustellvorgang gleichgehalten werden kann (7 Ob 120/71). Aber auch aus der Heranziehung der Verfahrensvorschriften und der Bestimmungen der Geo läßt sich die von der Revision verfochtene "Sphärentheorie" nicht ableiten. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß ein in den Einlaufkasten des Gerichtes eingeworfenes Gerichtsstück der Verfügung des Gerichtes unterliegt; dennoch gilt die Eingabe nach der ausdrücklichen Anordnung des § 38 Abs 2 Geo erst nach ihrer Aushebung als bei Gericht eingelangt. Gegen den Standpunkt der Revision spricht auch die Bestimmung des § 102 Geo, wonach der Eingangsvermerk auch bei Geschäftsstücken, die bei der Post abgeholt werden, die Zeit des Einlangens in der Einlaufstelle zu beurkunden hat. Schließlich zeigt die Regelung jener Fälle, in denen von der Einlaufstelle mit dem Eingangsvermerk nicht nur das Datum, sondern auch die Uhrzeit des Einlangens (§ 449 Geo) zu beurkunden ist, besonders deutlich, daß der maßgebliche Zeitpunkt nicht die Einordnung in ein Postfach, sondern jener des Einlangens in die Einlaufstelle ist: Gemäß der ausdrücklichen Anordnung des § 94 GV gelten Eingaben, die von der Post abgeholt werden, als eingelangt, sobald sie in die Einlaufstelle gebracht wurden.
Die Revisionsausführungen sind somit nicht geeignet, von dem schon in der Entscheidung AmtlSlg 1456 ausgesprochenen Grundsatz abzugehen, wonach die zur Unterbrechung der Verjährung erforderliche Gerichtshängigkeit erst eintritt, wenn die Klage in der Einlaufstelle eingelangt ist. Da dies vorliegend erst am 22. 12. 1971 der Fall war, die Verjährungsfrist aber am 21. 12. 1971 abgelaufen war, haben die Vorinstanzen die Klage mit Recht abgewiesen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
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