OGH 4Ob83/99f

OGH4Ob83/99f13.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. Jänner 1999, GZ 4 R 7/99y-12, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 10. Dezember 1998, GZ 6 Cg 216/98s-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt (ua) Metallgußtische, darunter den Modelltisch "M*****". Sie stand mit der T***** GmbH in O***** in Geschäftsbeziehung.

Die T***** GmbH beantragte zu 24 Cg 142/98k des Handelsgerichtes Wien, der Klägerin mit einstweiliger Verfügung die Behauptung zu untersagen, daß die T***** GmbH Modelle der Klägerin, insbesondere das Modell "M*****" in einem Abguß minderer Gußqualität, in allen Einzelheiten nachahmt. Das Handelsgericht Wien erließ am 13. 10. 1998 die einstweilige Verfügung, ohne eine Äußerung der Klägerin eingeholt zu haben.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Möbeln - insbesondere durch die T***** GmbH - nachgeahmte Metallgußtische nach Modellen der Klägerin, insbesondere dem Modell "M*****", in Verkehr zu bringen. Die Klägerin habe am 6. 10. 1998 im Möbelhaus der Beklagten in W*****, K*****straße *****, einen Metallgußtisch "M*****" gekauft, der nicht aus ihrer Produktion gestammt habe. Die Beklagte habe den Tisch von der T***** GmbH bezogen. Die Aluminiumgußfüße dieses Tisches unterschieden sich in mehreren Punkten von den Produkten der Klägerin; sie seien insbesondere aus einer weniger gut geeigneten Legierung hergestellt. Die Klagevertreter habe die Beklagte am 13. 10. 1998 aufgefordert, den Vertrieb nachgeahmter Tische zu unterlassen. Die Beklagte habe darauf nicht reagiert, sondern - zumindest - am 7. 11. 1998 in ihrem Möbelhaus in W***** , B*****straße *****, einen weiteren nachgeahmten Tisch verkauft. Die Beklagte habe auch als Händlerin für die sklavische Nachahmung einzustehen. Sie handle jedenfalls von dem Zeitpunkt an sittenwidrig, in dem ihr die Nachahmung bekannt wurde.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie habe die Tische gutgläubig von der T***** GmbH bezogen und vertreibe sie nach wie vor gutgläubig. Die T***** GmbH habe auf ihre Anfrage erklärt, die Tischfüße von der Klägerin bezogen zu haben. Durch die vom Handelsgericht Wien gegen die Klägerin erlassene einstweilige Verfügung seien deren Behauptungen widerlegt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Durch die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien sei bescheinigt, daß die T***** GmbH berechtigt sei, die Tische zu vertreiben. Es stehe nicht fest, daß bei der Produktion der von der Klägerin beanstandeten Tische rechtswidrig vorgegangen worden wäre.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Klägerin stelle in der Klage genau jene Behauptung auf, die ihr durch die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien verboten worden sei. Habe ein Gericht einer Partei mit einstweiliger Verfügung eine Behauptung verboten, so dürfe ein anderes Gericht diese Entscheidung nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehren, daß es das verbotene Vorbringen zulasse und darüber Bescheinigungen aufnehme. Die Rechtssicherheit und die Entscheidungsharmonie ließen keine einander widersprechenden Entscheidungen zu. Das Erstgericht habe der Klägerin zu Recht die Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens über die von dieser verbotswidrig aufgestellte Prozeßbehauptung verweigert. Zumindest habe die Beklagte aufgrund der einstweiligen Verfügung gutgläubig sein können.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, daß gerichtliche Entscheidungen (nur) die Prozeßparteien, deren Rechtsnachfolger und bestimmte andere Personen binden, auf die ein Gesetz die Entscheidungswirkungen erstreckt (Rechberger in Rechberger, ZPO, vor § 390 Rz 26f mwN). Mit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ

70/60 = ARD 4849/33/97 = ecolex 1997, 422 (Oberhammer) = immolex

1997, 208 = JBl 1997, 368 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen,

daß sich die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, erstrecken, als diese Personen als Parteien eines als Regreßprozeß geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen.

Die Beklagte war an dem Verfahren zwischen der T***** GmbH und der Klägerin nicht beteiligt; die in jenem Verfahren ergangene einstweilige Verfügung regelt nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen, sondern jene zwischen der T***** GmbH und der Klägerin. Die Klägerin ist demnach nur der T***** GmbH gegenüber verpflichtet, die Behauptung zu unterlassen, daß die T***** GmbH Modelle der Klägerin nachahme. Sie ist durch die einstweilige Verfügung nicht gehindert, wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen Dritte darauf zu stützen, daß von ihnen vertriebene Tische Nachahmungen seien, welche die T***** GmbH von Modellen der Klägerin angefertigt habe.

Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist berechtigt, wenn die T***** GmbH mit der Erzeugung der Tische gegen § 1 UWG verstoßen und die Beklagte für das wettbewerbswidrige Verhalten der T***** GmbH einzustehen hat. Das ist nach neuerer Rechtsprechung nicht nur dann der Fall, wenn der Händler im Zeitpunkt des Warenbezuges schlechtgläubig war, sondern auch dann, wenn er nachträglich erfahren hat, daß es sich bei der ihm gelieferten Ware um in sittenwidriger Weise nachgeahmte Erzeugnisse handelt. Er verhält sich unlauter, wenn er die sittenwidrig nachgeahmte Ware veräußert, nachdem er von der Nachahmung Kenntnis erlangt hat (ecolex 1997, 586 = MR 1997, 111 = ÖBl 1997, 167 = RdW 1997, 321 [Schaschl] = WBl 1997, 308 - Astoria).

Die Klägerin behauptet, daß die T***** GmbH ihren Metallgußtisch "M*****" sklavisch nachgeahmt und der Beklagten anstelle des Originals Nachahmungsstücke geliefert habe. Darin liegt dem Sinne nach der Vorwurf vermeidbarer Herkunftstäuschung, die sittenwidriges Handeln (§ 1 UWG) begründet. Die Klägerin hat weiters behauptet, die Beklagte über die Nachahmung aufgeklärt und damit schlechtgläubig gemacht zu haben. Die Klägerin hat damit alle Tatumstände behauptet, die verwirklicht sein müssen, damit ihr Unterlassungsanspruch begründet ist.

Der Vorwurf der Schlechtgläubigkeit ist entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht schon dadurch widerlegt, daß die T***** GmbH der Beklagten gegenüber die Nachahmung bestritten und ihr eine Kopie der gegen die Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung übermittelt hat. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob die Beklagte auf die Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung vertrauen durfte und darf, sondern maßgebend ist, ob die Klägerin bescheinigen kann, daß es sich bei den der Beklagten gelieferten Tische um Nachahmungen handelt. Gelingt ihr die Bescheinigung, so handelt die Beklagte unlauter, wenn sie die Tische weiterhin vertreibt.

Das Erstgericht wird daher die von der Klägerin angebotenen Bescheinigungen aufzunehmen und neuerlich zu entscheiden haben.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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