Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die implizierte Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen (auch in Rechtskraft erwachsene Frei- und Schuldsprüche enthaltenden) Urteil wurden Wilfried S***** und Karl P***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall und 15 StGB (AA I), Wilfried S***** darüber hinaus auch der Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (AA III A) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (AA III B) schuldig erkannt.
Danach haben (zusammengefaßt wiedergegeben) Wilfried S***** und Karl P***** zwischen Mai und 16. August 1997 in Wien, Nieder- und Oberösterreich in drei Fällen gemeinsam, Wilfried S***** in weiteren 18 Fällen teils allein, teils mit gesondert verfolgten Mittätern mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz gewerbsmäßig durch Einbruch im Urteil bezeichneten Personen und Firmen Bargeld und Waren im Gesamtwert von mehr als 500.000 S weggenommen (AA I A) bzw wegzunehmen versucht (AA I B). Wilfried S***** hat weiters vom 14. Oktober 1994 bis 13. August 1997 durch Unterlassung von Unterhaltszahlungen für seine am 2. August 1989 geborene Tochter Michelle W***** seine gesetzliche Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt dieser Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre (AA III A) sowie sich vom 25. Juni 1994 bis 11. Juli 1996 in sechs Angriffen insgesamt 30 angemietete Videokassetten zum Nachteil von namentlich angeführten Videotheken mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet (AA III B).
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpfen Wilfried S***** und Karl P***** mit Nichtigkeitsbeschwerden, jener aus Z 2, 3, 4 und 5, dieser aus Z 4, 5, 5a, 10 und 11, des § 281 Abs 1 StPO. Beide sind nicht im Recht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:
Undifferenziert unter den Nichtigkeitsgründen der Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, die Zeugen Harro V***** und Jurger Sm***** hätten sich in der Hauptverhandlung unberechtigt der Aussage entschlagen. Ohne vorhergehende Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen diese Zeugen, sohin zu Unrecht, seien deren Angaben im Vorverfahren bzw vor den Sicherheitsbehörden verlesen und dann im Urteil verwertet worden. Er sei dadurch in seinem Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen, beschnitten worden.
Nach § 252 Abs 1 Z 3 StPO dürfen (unter anderem) gerichtliche und sonstige amtliche Protokolle über Vernehmung von Zeugen verlesen werden, wenn diese, ohne dazu berechtigt zu sein, die Aussage verweigern. Das Erstgericht war nicht verpflichtet, die Zeugen vor Verlesung ihrer früheren Angaben mit den vom Gesetz vorgesehenen Beugemitteln zur Ablegung einer Aussage zu verhalten. Die Zulässigkeit der Verlesung eines amtlichen Protokolls nach der genannten Gesetzesstelle ist lediglich davon abhängig, daß ein Zeuge, ohne dazu berechtigt zu sein, (oder ein Mitbeschuldigter) die Aussage verweigert.
Soweit der Rechtsmittelwerber eine Verletzung des Art 6 Abs 3 lit d EMRK moniert, ist ihm zu erwidern, daß das Recht des Angeklagten, die Vernehmung von Zeugen zu erwirken, kein absolutes ist, sofern weitere, die - (auch) ohne Beisein des Angeklagten oder eines Verteidigers - in einem früheren Verfahrensstadium gemachten Angaben des Zeugen bestärkende Beweise vorliegen (11 Os 159,160/97; 15 Os 45/94 jeweils mwN auch mit Bezug auf EuGHMR und EuKommMR).
Das Schöffengericht hat die Schuldsprüche nicht nur auf verlesene Aussagen, sondern überdies auf das Teilgeständnis des Beschwerdeführers, die Angaben des mitverurteilten Andreas T*****, ein DNA-Gutachten, eine Expertise über Schuhabdruckspuren sowie auf die Tatsache der Sicherstellung von zahlreichen Beutestücken beim Angeklagten gestützt. Die Verlesung der früheren Angaben der aussageunwilligen Zeugen widerspricht damit keineswegs dem Gebot des "fair trial" ("hearing") im Sinne des § 6 Abs 1 EMRK.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Angeklagte durch Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.
Die Vernehmung der Zeugen Johann Z*****, Alexander St***** und Nikolaus Sp***** wurde zum Beweis dafür beantragt, "daß der V***** den Erstangeklagten falsch belastet" (S 211/IV).
Unmittelbar vor dieser Antragstellung hatte der Angeklagte S***** angegeben, er sei gemeinsam mit V***** in das Halbgesperre vorgeführt worden. Er habe ihn auf seine falsche Belastung angesprochen und gefragt, warum er das mache, wobei auch einige ihm unbekannte Personen im Raum gewesen seien. Vor diesen hätte V***** zugegeben, daß er ihn wissentlich falsch belastet hätte, um Mittäter, die er nicht nennen wolle, aus der Sache herauszuhalten und sich selbst eine bessere Stellung zu verschaffen. Diese (ihm unbekannten, s.o.) Personen seien bereit, als Zeugen in der Verhandlung auszusagen (S 210 f/IV).
Im Hinblick darauf, daß die das behauptete Gespräch mithörenden Personen dem Angeklagten unbekannt sind und Johann Z***** in der Justizanstalt Sonnberg angehalten wird, hätte es - neben der Angabe des Beweismittels und des Beweisthemas - insbesondere auch infolge des Teilgeständnisses des Angeklagten zu mit V***** gemeinsam verübten Fakten und der ihn sonst belastenden Umstände (US 31 ff) vor allem einer Begründung dafür bedurft, weswegen die beantragten Zeugen zu dem unter Beweis zu stellenden Umstand sachbezogene Angaben machen könnten und daher der beantragte Beweis das behauptete Ergebnis haben werde. Infolge Fehlens solcher Hinweise stellt das Begehren einen unzulässigen Erkundungsbeweis dar, welcher vom Schöffengericht zu Recht abgewiesen wurde.
Vom Rechtsmittelwerber wurde ferner die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, "daß die Angaben des Herrn T*****, was die Unterbrechung dieser Alarmanlage betrifft, technisch nicht möglich sind, zum Beweis dafür, daß das beim S***** beschlagnahmte Meßgerät nicht dafür geeignet ist, festzustellen, ob es sich um eine TUS-Anlage oder TWG-Anlage handle, da beide Anlagen die gleiche Grundspannung hätten" und eine weitere Expertise zum Beweis dafür, daß der bei S***** beschlagnahmte Schwalbenschwanzschlüssel nicht geeignet sei, einen Postverteilerkasten zu sperren (S 213/IV).
Der Mitangeklagte T***** wurde mehrmals von Polizeibeamten als Beschuldigter und letztlich in der Hauptverhandlung als Angeklagter befragt. Welche seiner Angaben über Alarmanlagen, die nur teilweise konkrete Umstände enthalten, überprüft werden sollten, führt der Antragsteller nicht an. Ebenso wird nicht dargetan, auf welche Type von Alarmanlagen bei welcher Firma das Gutachten Bezug nehmen sollte, zumal im konkreten Verfahren von mehreren derartigen Anlagen die Rede war.
Beim Angeklagten S***** wurden auch zahlreiche Geräte und Schlüssel sichergestellt (ON 52/II). Da der Antragsteller auch hier keine konkrete Bezeichnung angab, handelt es sich in allen Fällen um unbestimmte, für eine Überprüfung nicht geeignete Beweisanträge, die deshalb zu Recht der Ablehnung durch das Schöffengericht verfielen.
Das Erstgericht hat sich diesbezüglich zur Feststellung der Täterschaft des Beschwerdeführers im übrigen nicht auf die Verwendung von bei ihm sichergestellten Meßgeräten bzw eines "Schwalbenschwanzschlüssels", sondern vielmehr (formal mängelfrei) auf seine beruflichen Kenntnisse (Starkstrommonteur) sowie vor allem auf die Expertenfähigkeiten des Mitverurteilten T***** gestützt (US 36).
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet offenbar unzureichende Gründe, greift einzelne Beweismittel heraus und unterzieht sie einer eigenständigen Würdigung im Sinne des Angeklagten. Damit übergeht sie aber die auf eine Gesamtschau der Beweise aufgebaute Begründung des Schöffengerichtes. Dieses hat den Schuldspruch logisch einwandfrei und nachvollziehbar auf die belastenden Angaben von Mitangeklagten bzw abgesondert verfolgten Mittätern, die beim Angeklagten sichergestellten Gegenstände, ein DNA-Gutachten, eine vergleichende Untersuchung von Hundehaaren, eine Expertise über Schuhabdruckspuren und die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten gestützt. Wenn der Beschwerdeführer versucht, einzelne Beweismittel gesondert zu bewerten, so unternimmt er damit nur den im Nichtigkeitsverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten unzulässigen Versuch, die Beweis- würdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.
Im übrigen muß ein geltend gemachter formeller Begründungsmangel, um relevant zu sein, Umstände betreffen, welche für die Schuldfrage und den anzuwendenden Strafsatz von entscheidender Bedeutung sind. Dies trifft für die kritisierte Urteilspassage, wonach sich Jurger Sm***** offenbar der Zeugenaussage entschlagen hat, weil er vom Angeklagten bzw seinen Hintermännern Angst gehabt hätte, ebensowenig zu, wie auf den Umstand, daß der gesondert verurteilte Andreas Po***** den Einbruchsversuch bei der Firma Z***** auf ein Wochenende verlegt hat, während das Urteil eine Nacht während der Woche als Tatzeit annimmt. Handelt es sich doch bei ersterem angeführten Umstand lediglich um einen illustrativen Hinweis im Rahmen der Beweiswürdigung und ist der genaue Tatzeitpunkt für die allein entscheidungswesentliche so konkrete Individualisierung der Tat, daß eine neuerliche Bestrafung wegen desselben Deliktes ausgeschlossen ist, nicht erforderlich.
Ein formeller Begründungsmangel liegt demnach nicht vor.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl P*****:
Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet eine Verletzung von Verteidigungsrechten infolge Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens "zum Nachweis dafür, daß es auszuschließen ist, daß eine Alarmanlage auf Grund der Körpergröße des Herrn P***** nicht, jedoch auf Grund der Körpergröße des Erstangeklagten sehr wohl ausgelöst wird und diese wäre auf Grund der Behauptung des Herrn T***** in Stockerau 'Bau-Max'" (S 213/IV).
Ein Beweisantrag muß außer Beweisthema und Beweismittel noch angeben, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen erwartet werden kann, daß die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19).
Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller nicht nachgekommen: Der Antrag läßt nämlich nicht erkennen, welcher entscheidungswesentliche Umstand durch ihn überhaupt bewiesen werden sollte. Daher wurde er vom Erstgericht rechtsrichtig abgewiesen.
In seiner Mängelrüge (Z 5) macht der Rechtsmittelwerber zunächst unter Hinweis auf Abweichungen in den ihn belastenden Aussagen des Mitangeklagten T***** einen Begründungsmangel insoweit geltend, als sich das Erstgericht mit diesen Divergenzen nicht auseinandergesetzt habe. Er übersieht dabei aber, daß der Gerichtshof nur verpflichtet ist, in gedrängter Darstellung und mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen er diese als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Er muß sich aber nicht mit allen Details in den Aussagen eines jeden Angeklagten oder Zeugen auseinanderzusetzen. Vielmehr hat er die Beweise in ihrer Gesamtheit und in ihrem inneren Zusammenhang einer Würdigung zu unterziehen. Dieser Verpflichtung sind die Tatrichter nachgekommen und haben trotz (nicht wesentlicher) Abweichungen in seinen Aussagen insbesondere auf Grund des persönlichen Eindruckes in der Hauptverhandlung den Angaben des Mitangeklagten T***** Glauben geschenkt und sie zu seinen Angaben im Vorverfahren sowie zu den anderen Beweisergebnissen in Beziehung gesetzt (US 31, 34 f). Daß aus diesen auch andere für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse möglich wären, unterliegt als ein Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung nicht der Anfechtung durch eine Prozeßpartei.
Auch die gewerbsmäßige Begehung der Einbruchsdiebstähle hat das Erstgericht auf Grund der Einkommens-, Vermögens- und Schuldenlage des Rechtsmittelwerbers sowie seines Vorlebens denkmöglich begründet. Die dagegen gerichteten Einwände stellen neuerlich den Versuch dar, die diesbezügliche Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu bekämpfen.
Die Tatsachenrüge (Z 5a), welche wiederum nur die Beweiskraft der Aussage des Mitangeklagten T***** in Frage stellt, vermag weder schwerwiegende unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Der Angeklagte übersieht vielmehr, daß dieser unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihte Anfechtungstatbestand in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichkommt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 1 und 2).
In der Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet der Beschwerdeführer die vom Erstgericht angenommenen und zum Schluß auf die gewerbsmäßige Begehung führenden Prämissen und behauptet lediglich, daß diese nicht ausreichen, um die Qualifikation zu begründen. Zu allfälligen Begründungsmängel wurde bereits bei der Erledigung der Mängelrüge Stellung genommen. Im übrigen versäumt die Beschwerde die gesetzmäßige Darstellung, weil hiezu ein Festhalten an den gesamten Urteilsfeststellungen (US 3, 18 f) erforderlich wäre.
Auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) ist unbegründet. Ob nämlich zwar zurückliegende, jedoch noch nicht tilgbare Vorstrafen (S 57-59/II) als erschwerend zu werten sind oder nicht, stellt keine unrichtige Beurteilung einer für die Strafbemessung entscheidenden Tatsache im Sinne des zweiten Falles des § 281 Abs 1 Z 11 StPO, sondern vielmehr lediglich ein Berufungsvorbringen dar (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 2).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).
Daraus folgt, daß gemäß §§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO zur Entscheidung über die Berufungen und die implizierte Beschwerde das Oberlandesgericht Wien zuständig ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)