OGH 10ObS53/99p

OGH10ObS53/99p30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Meisterhofer und Dr. Elmar Peterlunger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Fatiha K*****, Versehrtenrentnerin, ***** vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1220 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 1998, GZ 25 Rs 139/98x-53, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. September 1998, GZ 46 Cgs 64/96z-45, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluß

gefaßt:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen;

2.) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird im übrigen nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Trotz ihrer Bezeichnung als "außerordentliche Revision" handelt es sich bei dem Rechtsmittel der Klägerin um eine ordentliche Revision, weil es sich um ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen handelt (§ 46 Abs 3 Z 3 ASGG).

Die geltend gemachte Nichtigkeit (§ 503 Z 1 ZPO) liegt nicht vor. Die Klägerin rügte bereits in der Berufung, daß sie nicht als Partei einvernommen wurde, dort allerdings als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Berufungsgericht hat diesen Mangel verneint. Nunmehr erblickt sie in der Unterlassung ihrer Parteieneinvernahme einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und gegen das rechtliche Gehör. In Wahrheit handelt es sich bei der Frage, welche Beweise zu einem bestimmten Beweisthema aufzunehmen sind und ob es insbesondere der Parteienvernehmung bedarf, um eine solche der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann. Ein Verstoß gegen § 412 Abs 1 ZPO liegt daher ebensowenig vor wie der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Aber auch davon, daß der - stets qualifiziert vertretenen - Klägerin die Möglichkeit entzogen worden wäre, vor Gericht zu verhandeln (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO) kann keine Rede sein. Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht neuerlich mit Erfolg geltend gemacht werden (SSV-NF 7/74 mwN ua). Soweit die Revision Nichtigkeit geltend macht war sie zurückzuweisen.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Die Frage, wie weit die Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht gemindert ist, gehört dem Tatsachenbereich an (SSV-NF 3/128, 6/15 mwN ua). Die Aussagen der medizinischen Sachverständigen über bestehende Funktionseinschränkungen und Behinderungen bilden die Begründung für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen eines Unfalles oder einer Berufskrankheit gemindert ist; sie sollen diese Beurteilung für das Gericht nachvollziehbar machen, um ihm eine entsprechende Würdigung des Sachverständigengutachtens zu ermöglichen. Die Feststellung, daß bei der Klägerin aus medizinischer Sicht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH besteht, ist im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar (10 ObS 62/97h; 10 ObS 15/98y).

Die sogenannte medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit bildet im allgemeinen auch die Grundlage für deren rechtliche Einschätzung, wenn Abweichungen hiervon nicht unter besonderen Umständen geboten sind. Der Umstand, daß ein Versicherter von bestimmten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Tätigkeiten ausgeschlossen ist, ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht bereits berücksichtigt. Ein Abweichen von der medizinischen Minderung der Erwerbsfähigkeit kommt nur bei Vorliegen eines Härtefalles in Frage. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn den Versicherten infolge der Aufgabe oder erheblichen Einschränkungen der bisherigen Tätigkeit beträchtliche Nachteile in finanziell-wirtschaftlicher Hinsicht treffen und eine Umstellung auf andere Tätigkeiten unmöglich ist oder ganz erheblich schwerfällt, wobei im Interesse der Vermeidung einer zu starken Annäherung an eine konkrete Schadensberechnung ein strenger Maßstab anzulegen ist (SSV-NF 6/45; 9/26 ua). Allein der Umstand, daß eine unfallbedingte Einschränkung einen Versicherten bei Ausübung seines konkreten Berufes in größerem Ausmaß behindert, rechtfertigt nicht die Annahme einer über der medizinischen Einschätzung liegenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (SSV-NF 6/130, 9/81 ua).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte