OGH 10ObS43/99t

OGH10ObS43/99t30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Meisterhofer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edith T*****, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser und Dr. Helmut Weiser, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 1998, GZ 7 Rs 245/98w-64, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. März 1998, GZ 27 Cgs 173/95v-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig, so daß hierauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen folgendes entgegenzuhalten:

Wie ein Krankheitsbild zu beurteilen ist und wie das Leistungskalkül zu ermitteln ist, ist eine durch ärztliche Sachverständige zu beantwortende Frage. Sowohl mit der Depression wie auch der Sehleistung der Klägerin haben sich die Sachverständigen als auch die Tatsacheninstanzen auseinandergesetzt und Feststellungen, wenn auch nicht in dem von der Klägerin gewünschten Sinn, getroffen. Auch die von der Klägerin behauptete Regenbogenhautentzündung war dem Sachverständigen für Augenheilkunde bekannt, hat jedoch, weil offenbar kein akutes Stadium bestand, zu keiner Berücksichtigung im Kalkül geführt. Die als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügte angeblich unrichtige Tatsachenfindung der Vorinstanzen ist inhaltlich in Wahrheit eine Beweisrüge, die aber im Revisionsverfahren unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat die Tatsachenrüge in der Berufung geprüft und sich mit den Argumenten der Berufung auseinandergesetzt, so daß keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vorliegt. Ob eine richtige oder fehlerhafte Beweiswürdigung vorliegt, ist genauso wie der Umstand, ob sich das Berufungsgericht mit allen Beweisergebnissen und jedem Argument auseinandergesetzt hat, nur eine Frage der irrevisiblen Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043131; RS0043371).

Da es ausreicht, daß die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch die Klägerin im städtischen Bereich ohne Einschränkung möglich ist, die Klägerin in Schwechat wohnt und überdies kein Ausschluß des Übersiedelns vorliegt, ist die Frage, was unter günstigen ländlichen Bedingungen zu verstehen ist, ohne Bedeutung.

Schon aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Zustand der Klägerin sich während des Verfahrens verschlimmert hat. Darauf wurde bei Erstellung des Leistungskalküls ohnehin Bedacht genommen. Da der neue mit der Berufung vorgelegte Befund Dris S***** sich auf einen Zeitpunkt nach Schluß der Verhandlung erster Instanz bezog, die früheren Privatbefunde dieses Arztes vom gerichtlichen Sachverständigen berücksichtigt wurden, kann von einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens keine Rede sein, wenn dieser Befund das Berufungsgericht bei seiner in der Revision nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung nicht beeinflußte. Ob nach Schluß der Verhandlung erster Instanz ein weiterer Bescheid des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich, Burgenland über den Grad der Behinderung der Klägerin im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes erging, hat schon wegen der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen in einem anderen Versorgungssystem ungeachtet der Neuerungseigenschaft dieser Urkunde außer Betracht zu bleiben (SSV-NF 6/33).

Ob die Klägerin Angestelltentätigkeiten in einem Kleinbetrieb oder in einem größeren Betrieb verrichtet hat, ist bei dem hier vorliegenden Fehlen eines Tätigkeitsschutzes hinsichtlich der konkreten zuletzt ausgeübten Tätigkeit ohne Belang. Bei Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach § 273 Abs 1 ASVG wird das Verweisungsfeld durch den Beruf bestimmt, den die Versicherte zuletzt ausgeübt hat (SSV-NF 2/73). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Versicherter als Arbeiter oder Angestellter eingeordnet war, sondern ob er Angestellten- oder Arbeitertätigkeiten verrichtet hat (SSV-NF 2/71; 4/10; 5/40; 6/20; 10 ObS 205/98i). Die Tatsacheninstanzen stellten fest, daß die Klägerin zuletzt als Verkäuferin in einem Spielwarengeschäft tätig war und gelangten ausgehend von dieser kaufmännischen Berufstätigkeit zu den zum zuletzt ausgeübten Beruf adäquaten Verweisungstätigkeiten wie die telefonische Entgegennahme und Bearbeitung von Warenbestellungen, kundenberaterischen Tätigkeiten, kaufmännischen Lagerhaltungstätigkeiten und Abrechnungen von Warenbestellungen. Diese zieht die Revisionswerberin nicht in Zweifel. Sie rügt aber, daß nicht berücksichtigt worden sei, daß sie lediglich angelernte Verkäuferin in einem Kleinbetrieb gewesen sei und sohin keine regelrechte Ausbildung hatte. Die festgestellten kaufmännischen Verweisungstätigkeiten bewegen sich im Rahmen ihres Leistungskalküls, auf das der Sachverständige für Berufskunde Bedacht genommen hat, so daß kein Zweifel besteht, daß sie von der Klägerin auch im Rahmen ihres Leistungskalküls ausgeführt werden können. Ob die Klägerin als Verkäuferin nur angelernt wurde und in Wahrheit nicht kaufmännische Dienste im Sinne des § 1 Abs 1 AngG verrichtete, darauf kommt es im Ergebnis nicht an. Bei kaufmännischen Diensten gelten die von den Vorinstanzen herangezogenen Verweisungstätigkeiten. Hätte die Klägerin keine kaufmännischen Dienste verrichtet, dann wäre sie als bloße Verkäuferin einer Ladnerin gleichgestellt, deren Angestellteneigenschaft die Judikatur verneint (1 ObS 205/98i). Damit ist für die Klägerin aber nichts gewonnen, weil dann der Eintritt ihres Versicherungsfalles nicht nach § 273 Abs 1 ASVG, sondern nach § 255 ASVG zu prüfen wäre (SSV-NF 6/20; 10 ObS 205/98i). Im Bereich von Arbeitertätigkeiten könnte jedoch die 1947 geborene Klägerin jedoch auf alle leichten Frauenarbeiten im Sitzen verwiesen werden (10 ObS 342/89).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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