OGH 7Ob270/98a

OGH7Ob270/98a30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilma W*****, vertreten durch Dr. Renate Sandner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei E***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. November 1996, GZ 1 R 440/96v-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 25. September 1995, GZ 12 C 2386/93g-16, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist schon seit Jahren grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften in ***** W*****, H*****straße Nr. ***** (vormals W***** Nr. *****, im folgenden Erstliegenschaft) und seit Herbst 1989 auch der Liegenschaft H*****straße Nr. ***** (vormals W***** Nr. ***** = U*****gasse *****). Die früher landwirtschaftlich genutzte erste Liegenschaft der Klägerin war stets bei der beklagten Partei "versichert". Nach Erwerb der zweiten Liegenschaft, auf der sich ebenfalls ein Wohngebäude befindet, setzte sich die Klägerin (das Begehren des Gatten der Klägerin, des ursprünglichen Zweitklägers, wurde bereits rechtskräftig abgewiesen) mit ihrem "langjährigen Betreuer" bei der beklagten Partei Hans T***** in Verbindung, um auch dafür eine Versicherung abzuschließen. Da sich die Verbücherung des Eigentums der Klägerin an dieser Liegenschaft jedoch verzögerte, und daher die bestehende Feuerversicherung hinsichtlich dieser Liegenschaft noch nicht aufkündbar war, konnte ein entsprechender Versicherungsvertrag zunächst nicht abgeschlossen werden. Im April 1990 suchte schließlich Hannes T***** die Klägerin in W***** auf und wurde darüber gesprochen, daß die Versicherungspolizze hinsichtlich der Erstliegenschaft als landwirtschaftliche Bündelversicherung umgestaltet werden sollte. Hinsichtlich der zweiten Liegenschaft erklärte die Klägerin, daß sie eine Versicherung so wie bei der anderen Liegenschaft wünschen würde. Darüberhinaus hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Umbau des Wohnhauses begonnen, was auch für T***** erkennbar war und erklärte der Gatte der Klägerin, daß er und die Klägerin das Wohnhaus teilweise auch in Eigenregie umbauen würden und auch dieses Risiko im Versicherungsvertrag abgedeckt wissen möchten. Die genaue Höhe der zu erwartenden Baukosten konnten die Klägerin und ihr Gatte dabei nicht nennen, sondern überließen sie diesbezüglich die Festsetzung T*****. Auch erwähnten beide, daß auf dem rückwärtigen Teil dieser Liegenschaft eine Halle errichtet werden würde, wobei zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch nicht bekannt war, daß auch Teile der Arbeiten an dieser Halle vom Gatten der Klägerin in Eigenregie durchgeführt werden würden. T***** erklärte, daß auch dies grundsätzlich von der Versicherung umfaßt sei. Die Klägerin unterfertigte schließlich hinsichtlich der zweiten Liegenschaft einen Versicherungsantrag, welcher allerdings nicht ausgefüllt war. Die Kläger planten zu diesem Zeitpunkt keinerlei Umbauarbeiten auf der ersten Liegenschaft. In der Folge füllte T***** einen entsprechenden Versicherungsantrag hinsichtlich der ersten Liegenschaft aus, wobei er irrtümlicherweise hinsichtlich der Haftpflichtversicherung für Haus- und Grundbesitz eine Erhöhung des Bauherrnrisikos für Bauarbeiten bis S 3 Mio als Zusatzdeckung in diesem Versicherungsvertrag dort aufnahm, die Aufnahme dieser Klausel, jedoch bei Ausfüllung des Versicherungsantrages für die zweite Liegenschaft vergaß. Bei der Bauverhandlung am 11. 6. 1990 stellte sich heraus, daß der für den Hallenneubau vorgesehene Baumeister Ing. Karl F***** grundsätzlich dafür keine Zeit hat. Er und die Klägerin sowie deren Gatte kamen überein, daß der Gatte der Zweitklägerin die Baumeisterarbeiten in Eigenregie durchführen werde. Dies deshalb, weil dieser ein konzessioniertes Elektrikergewerbe betreibt und einen gelernten Maurer beschäftigte, mit dem er zusammen in weiterer Folge dann die Halle in Eigenregie errichtete. Diese Halle wurde von der Klägerin und deren Gatten zum Einstellen von drei Traktoren, die bis dahin auf der ersten Liegenschaft im Freien standen, gedacht. Die Baukosten für diese Halle beliefen sich inklusive Eigenleistungen des Gatten der Klägerin auf mehr als S 100.000,--. Die beklagte Partei stellte aufgrund der beiden Versicherungsanträge hinsichtlich der ersten Liegenschaft eine neue Versicherungspolizze aus, die unter anderem eine Haftpflichtversicherung enthielt, die die gesetzliche Schadenersatzpflicht aus den Risken der Innehabung des unter der Risikobeschreibung bezeichneten Gebäudes (Haus- und Grundbesitz) mit einer Versicherungssumme für Personen und Sachschäden von zusammen S 10 Mio begrenzte. Ferner war hinsichtlich der Eigenheimhaftpflichtzusatzdeckung die besondere Bedingung 0322 angeführt, deren Ziffer 3 lautet "Durchführung von Bauarbeiten aller Art an der versicherten Liegenschaft: Der Versicherungsschutz bezieht sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen - einschließlich Ausgleichsverpflichtungen gemäß § 364b ABGB - des Versicherungsnehmers als Bauherr von Bauarbeiten, einschließlich der Durchführung von Bauarbeit in Eigenregie, jedoch nur insoweit, als die Baukosten für das gesamte Bauvorhaben (Kosten aller Aufträge zusammen einschließlich Kosten für Eigenleistungen) im Einzelfall S 3 Mio nicht überschreiten." Hinsichtlich der zweiten Liegenschaft stellte die beklagte Partei am 4. 5. 1990 eine als "Eigenheimsicherheitspaket" bezeichnete Polizze aus, die als versichertes Risiko mit einer Versicherungssumme von S 3 Mio ein "Wohnhaus zum Neubauwert samt Grund- und Kellermauern" ausweist. Hinsichtlich der Haftpflichtversicherung wurde die gesetzliche Schadenersatzpflicht aus den Risken der Inhabung des unter der Risikobeschreibung bezeichneten Gebäudes (Haus- und Grundbesitz) mit einer Versicherungssumme für Personen und Sachschäden von zusammen S 10 Mio angeführt. Hinsichtlich der Versicherungsbedingungen verwies die Polizze auf die allgemeinen und ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung - AHVB 1986 und EHVB 1986. Gemäß Z5 lit 1.2 der EHVB erstreckt sich die Versicherung nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB auf Schadenersatzverpflichtungen aus der Durchführung von Abbruch, Bau, Reparatur- und Grabarbeiten an der versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung etwaiger Eigenleistungen S 100.000,-- nicht überschreiten. Abschnitt B, Z 2.2 EHVB findet Anwendung. Für solche Bauvorhaben sind Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Bauherr mitversichert. Nachdem die Klägerin und ihr Gatte beide Polizzen erhalten hatten, fiel ihnen auf, daß in der Polizze für die zweite Liegenschaft die Klausel über die Erweiterung der Bauherrnhaftung hinsichtlich Baukosten bis zu S 3 Mio nicht enthalten war. Die Klägerin setzte sich daher sofort mit T***** in Verbindung, der erklärte, daß der entsprechende Versicherungsschutz gegeben sei, wobei er sich diesbezüglich auf die "Freizügigkeitsklausel" berief, ebenso erklärte er über Befragen der Klägerin, daß die Traktoren, die auf der zweiten Liegenschaft abgestellt würden, ebenfalls mitversichert seien. Die Kläger verstanden zwar grundsätzlich die Erklärungen T***** nicht, vertrauten ihm aber, da er bis dato für sie immer die günstigsten Versicherungsvarianten gewählt hatte. In der Folge verständigten sie auch T***** davon, daß sie die Lagerhalle teilweise in Eigenregie bauen würden, ohne daß sie dieser darauf hinwies, daß allenfalls der Abschluß einer sogenannten Bauherrnhaftpflichtversicherung notwendig werden würde bzw Bedenken hinsichtlich des bestehenden Versicherungsvertrages äußerte. Am 26. 7. 1990 stürzte der Spenglermeister Karl S***** bei der Montage eines Dachrinnenhakens ab und verletzte sich schwer, nachdem er auf einen Eisenträger gestiegen war und das Gleichgewicht verloren hatte. Die Klägerin vertrat dazu die Ansicht, daß Karl S***** aus eigenem Verschulden in die Tiefe gestürzt wäre. S***** klagte zu ***** des LG für ZRS Wien die Klägerin und ihren Gatten auf Schmerzengeld und Leistung monatlicher Renten. Dieses Verfahren ist noch nicht rechtskräftig beendet.

Auf die Schadensmeldung der Klägerin hin bestritt die beklagte Partei die Haftung für alle Schäden aus dem Unfall vom 26. 7. 1990 mit Schreiben vom 21. 6. 1993.

T***** ist Angestellter der beklagten Partei und im Rahmen des Betriebes der beklagten Partei mit der Anbahnung von Versicherungsverträgen befaßt.

Die Klausel (Besondere Bedingung) Nr. 334 wurde nicht vereinbart.

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß diese ihr für alle Schäden, die ihr aus dem Unfall vom 26. 7. 1990 entstanden oder künftig entstehen werden, bis zu einem Betrag von 10 Mio S zu haften habe. Sie habe das aus dem zitierten Unfall entstandene Risiko bei der beklagten Partei versichert. Der Versicherungsfall sei eingetreten. Da zwischen den Streitteilen Vergleichsverhandlungen geführt worden seien, sei die Verjährung gehemmt worden. In der Verhandlung vom 7. 12. 1993 brachte die Klägerin vor, daß die beklagte Partei bei Annahme, daß es zwischen den Streitteilen zu keinem rechtswirksamen Versicherungsvertrag unter Einschluß des Bauherrnrisikos auch bei einer S 100.000,-- übersteigenden Baukostensumme gekommen sei, ihr gegenüber zufolge culpa in contrahendo hafte. Es sei ihr vordringlicher Zweck gewesen, auch das mit den beabsichtigten Bauarbeiten verbundene Risiko versichern zu lassen. T***** habe entweder unter Außerachtlassung der ihn treffenden Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin den Antrag nicht an die Beklagte weitergeleitet oder habe die versicherten Objekte einfach vertauscht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete vorerst Verjährung des geltend gemachten Anspruches ein. Darüberhinaus habe die Klägerin mit dem "Eigenheimsicherheitspaket" eine Haftpflichtversicherung nur im Rahmen einer Haushaltsversicherung abgeschlossen. Das Bauherrnrisiko sei in diesem Rahmen nur bis zu einer Bausumme von S 100.000,-- mitversichert worden. Darüberhinaus habe der Bau, bei dem es zum Unfall kam, nicht im Rahmen der Errichtung eines Eigenheimes stattgefunden. Darüberhinaus könne bei einem Bauunfall überhaupt nur dann Deckung begehrt werden, wenn dieser von konzessionierten Baumeistern ausgeübt werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der (Erst-)Klägerin statt und wies unbekämpft das von ihrem Ehegatten als Zweitkläger erhobene inhaltsgleiche Feststellungsbegehren ab. Der bei der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag (Eigenheimsicherheitspaket) für die zweite Liegenschaft decke im Zusammenhang mit den EHVB 1986 nur Schadenersatzverpflichtungen aus der Durchführung von Bauarbeiten an der versicherten Liegenschaft, wenn die Gesamtkosten des Bauvorhabens unter Einrechnung etwaiger Eigenleistungen S 100.000,-- nicht überschreiten. Eine Haftung der Beklagten aus diesem Versicherungsvertrag sei zu verneinen, weil die Baukosten jedenfalls S 100.000,-- überschritten hätten. Die Beklagte hafte jedoch aus dem Titel des Schadenersatzes, da der für sie tätige Angestellte T***** beim Ausfüllen und Weiterleiten der beiden Versicherungsanträge der Erstklägerin auftragswidrig die beiden Liegenschaften verwechselt habe und so der erhöhte Haftpflicht-Versicherungsschutz (Baukosten bis S 3 Mio) in die falsche Versicherung einbezogen worden sei. T***** habe auch über Urgenz der Kläger offensichtlich eine falsche Rechtsauskunft erteilt. Die Beklagte habe sich das Verhalten ihres Mitarbeiters T***** gemäß § 1313a ABGB zurechnen zu lassen. Da die Verjährungsfrist erst mit Kenntnis von Schädiger und Schaden zu laufen beginne und die Klägerin erst in der Tagsatzung vom 7. 12. 1993, als die Beklagte ihre Haftung mit Hinweis auf den Inhalt der Versicherungspolizze ihre Deckung bestritten habe, Kenntnis davon erlangt habe, daß die Angaben des Zeugen T***** zum Versicherungsschutz nicht den Tatsachen entsprachen, sei der Klagsanspruch nicht verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Hinsichtlich der zweiten Liegenschaft sei es zu keinem Abschluß eines Versicherungsvertrages gekommen. Die gegenüber dem Versicherungsagenten T***** abgegebene Erklärung, für die zweite Liegenschaft ebenso wie für die erste eine Versicherungsdeckung haben zu wollen, insbesondere wegen des geplanten Hallenneubaues auch unter Einschluß der Klausel 332 (gemeint ist wohl 322), die offenbar T***** ins Gespräch gebracht hatte, gelte als der Beklagten zugegangen, auch wenn T***** in der Folge die Willenserklärung der Klägerin der Beklagten insoweit unvollständig zukommen ließ, weil er den - von ihr unterfertigten - Versicherungsantrag betreffend die zweite Liegenschaft ohne Berücksichtigung der gewünschten Zusatzdeckung ausgefüllt habe. Habe sich nun die Beklagte durch Übersendung der Polizze zwar mit dem (unvollständigen) Inhalt des Versicherungsantrages einverstanden erklärt, nicht jedoch mit dem (davon abweichenden) Vertragsoffert der Klägerin, so liege Dissens und nicht etwa ein Fall des § 5 VersVG vor, sodaß ein Vertrag nicht zustandegekommen sei. Die beklagte Partei hafte aber der Klägerin wegen Verletzung vorvertraglicher Sorgfalts- und Aufklärungspflichten. Die Klägerin habe bewiesen, daß diese Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten kausal für den ihr erwachsenen Schaden sei. An diesen Nachweis seien nämlich keine strengen Anforderungen zu stellen, da in der Regel dafür schon der Anscheinsbeweis ausreiche. Da die Beklagte ohneweiteres bei der ersten Liegenschaft das Bauherrnrisiko bis zu einem Bauvolumen von 3 Mio S versichert habe, sei davon auszugehen, daß sie dies bei der zweiten Liegenschaft ebenso getan hätte bzw sei nichts hervorgekommen, was dagegen spreche. Es stehe nicht fest, daß das Bauvorhaben der Klägerin bei der zweiten Liegenschaft einen höheren Aufwand als 3 Mio S erfordert hätte. Es sei davon auszugehen, daß ein von der Klägerin gewünschter Versicherungsvertrag zustandegekommen wäre, wenn nicht T***** der festgestellte Übermittlungsfehler unterlaufen wäre. Der der Klägerin gegen die Beklagte zustehende Schadenersatzanspruch sei kein versicherungsrechtlicher Anspruch und sei deshalb auch noch nicht verjährt, weil der Klägerin erst durch die Ablehnung der Beklagten ein sie treffender Schaden bekannt geworden sei. Da die Klägerin sich nach Erhalt der Polizze bei T***** erkundigt habe, ob die auch ihrem Versicherungsbegehren entspräche, treffe sie kein Mitverschulden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Dissens liegt vor, wenn weder der Wille noch die Willenserklärungen der Kontrahenten übereinstimmen, also die Annahme nicht mit dem Angebot korrespondiert. Glauben die Parteien zunächst, sich geeinigt zu haben, so liegt versteckter Dissens vor. Es kommt kein Vertrag zustande. Davon zu unterscheiden sind die Fälle normativen Konsenses, in denen die Willenserklärungen korrespondieren, etwa bei glatter Annahme mit "ja", sodaß die davon abweichende subjektive Vorstellung nur unter den Voraussetzungen der §§ 870 ff ABGB zur Anfechtung oder Anpassung des Vertrages führt. Bei Dissens über einen Nebenpunkt tritt Teilnichtigkeit ein, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht (vgl Apathy in Schwimann ABGB2 § 869 Rz 9, 13 f). Bei T***** handelte es sich nicht um einen selbständigen Vermittlungsagenten, sondern um einen Angestellten der beklagten Partei, dessen Handlungsvollmacht nach § 54 HGB sichtlich nur soweit beschränkt war, daß er nicht zum Abschluß des Versicherungsvertrages bevollmächtigt war.

Bezüglich der Fragestellung nach dem Umfang der Vollmacht des § 43 Z 1 VersVG hat sich der Oberste Gerichtshof schon sehr früh festgelegt:

Die Vollmacht bestünde nicht nur in bezug auf Schriftanträge, sondern gleichermaßen hinsichtlich mündlicher Anträge oder mündlicher Ergänzungen zu einem Schriftantrag (SZ 16/61). Von dieser Spruchpraxis ist er bisher nicht abgewichen (vgl zuletzt SZ 57/94 = JBl 1986, 177 = RdW 1984, 370). Eine § 47 VersVG gemäße allenthalben wirksame Vollmachtsbeschränkung könne nur herbeigeführt werden, indem sie der Versicherer "durch einen auffallenden Aufdruck etwa in roter Farbe" auf dem Antragschein kenntlich mache (vgl SZ 48/52, SZ 32/37). Vor dem Hintergrund des § 5 VersVG, nämlich daß die Übermittlung der Polizze zugleich Annahmeerklärung des Versicherers ist, hat der Oberste Gerichtshof die Empfangsvollmacht als Wissenszurechnungstatbestand weitgehend modifiziert. Weiche der Versicherungsschein vom Inhalt des Antrages ab, weil ihn der Agent nur unzureichend weitergegeben habe, so gelte der Vertrag in Anbetracht von § 869 ABGB überhaupt nicht als abgeschlossen, zumindest nicht, soweit sich Antrag und Annahme widersprächen (Teildissens, zuletzt SZ 48/52 = JBl 1975, 592 = ZVR 1976, 81 = VersR 1976, 1195). Zugunsten des Versicherers sei diesfalls zwar die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs 1 VersVG ausgeschlossen, wonach Abweichungen des Versicherungsscheines vom Antrag als genehmigt gelten, "wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfang des Versicherungsscheins schriftlich widerspricht". Denn den Bedingungen des § 5 Abs 2 VersVG sei zu entsprechen, gleichviel, ob der Versicherer den Antrag insgesamt kenne oder nicht. Aber § 5 Abs 3 VersVG, dessentwegen der Vertrag antragsgemäß zustandekäme, falls der Versicherer auf Unterschiede zwischen Polizze und Antrag nicht hinweise, und zwar so wie es § 5 Abs 2 VersVG determiniert, wurde bisher nicht zur Anwendung gebracht, wobei die Begründung zuletzt mit Hilfe des § 44 VersVG dargeboten wurde: Diese Bestimmung schließe die Wissenszurechnung in Betreff des Vermittlungsagenten aus, selbst wenn er mündliche Antragsbestandteile bevollmächtigtermaßen entgegengenommen habe. Wenn der Versicherer vom mündlichen Antrag nichts wisse, könne er auf Abweichungen nicht aufmerksam machen (vgl SZ 32/37 = EvBl 1959/185 sowie VersR 1980, 471). Solcherart betrachtet schuf der Antrag, wie vom Agenten verstanden, eine Bindung nur in Hinsicht auf den Versicherungsnehmer, sodaß er immerhin zu nichts anderem verpflichtet werden kann. Die Annahme des Versicherers begründet indessen ihrerseits Bindung nur angesichts des Antrages, der ihm letztlich bekannt geworden ist. Deshalb bilde Dissens das regelmäßige Resultat, dort, wo der Antrag während seiner Übermittlung vom Agenten an den Versicherer tatsächlich eine "Abfälschung" erfährt. Die Beweislast für die fehlende interne Weiterleitung erwiesenermaßen geäußerter mündlicher Zusatzanträge wurde dem Versicherer auferlegt (vgl RdW 1987, 53 = VersR 1988, 199).

In einer Urteilsanmerkung vertrat Wahle dasselbe Ergebnis wie der Oberste Gerichtshof allerdings im Wege einer teleologischen Interpretation des § 5 VersVG. Mit der ratio des Gesetzes sei es unvereinbar, § 5 Abs 3 VersVG dort anzuwenden, wo der Versicherer über den vollen Umfang des Versicherungsantrages gar nicht informiert sei, sodaß dieser keine Möglichkeit gehabt habe, auf Abweichungen der Annahmeerklärungen aufmerksam zu machen. Zu verhindern, daß der Versicherer die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs 1 VersVG mißbrauche, sei Sinn und Zweck der Gesetzesbestimmung; nämlich, indem er vom Versicherungsnehmer ungewollte Klauseln in den Versicherungsschein einbaue, geleitet von der Hoffnung, der Versicherungsnehmer würde die Polizze nicht auf allfällige Widersprüche zu seiner Offerte überprüfen. § 5 Abs 3 VersVG müsse daher in diesem Sinne einschränkend interpretiert werden (JBl 1959, 501). Ähnlich äußerte sich Lorenz-Liburnau. Für ihn ist § 5 VersVG auf die Fälle wie vorliegend schlechthin unanwendbar. Obwohl er an sich die Meinung Ehrenzweigs, die Empfangsvollmacht des Vermittlungsagenten, sei auf die Entgegennahme schriftlicher Anträge beschränkt, wenn solche Anträge anhand vorgedruckter Formulare des Versicherers eingeholt würden, für richtig hält, befürwortet er, als gewissermaßen zweitbeste Lösung, die herkömmliche Dissenskonzeption (NR 1976, 37 ff). Demgegenüber hat Wilhelm (JBl 1986, 179 ff) die Auffassung vertreten, daß der Oberste Gerichtshof solche Fälle sehr wohl mit Hilfe von § 5 Abs 3 VersVG lösen müßte. Seine Anwendung dürfe nicht davon abhängen, ob der Versicherer den vollständigen Antragsinhalt kenne, sondern, ob eine vollständige Kenntnisnahme seinem Risikobereich zuzurechnen sei. Denn sei der Antrag einmal dem Agenten zugegangen, so gelte er vermöge dessen Empfangsbotenschaft auch dem Versicherer als zugegangen: Das Risiko falscher oder unvollständiger Übermittlung trage von da an der Versicherer als Erklärungsempfänger. Warum man im Hinblick auf § 5 VersVG von dieser Risikoverteilung abweichen wolle, sei nicht einzusehen, zumal der Versicherer durch die Einschaltung eines Empfangsboten das Risiko selbst geschaffen habe. Zugang bedeute, daß der Empfänger es verantworte, wenn er den Erklärungsinhalt nicht kenne. Soweit es um die Kenntnis von Erklärungen im Sinne des § 43 VersVG gehe, verdränge dieser den § 44 VersVG "weil andernfalls § 43 sinnlos wäre". Auch Lorenz (Die Haftung des Versicherers für Auskünfte und Wissen seiner Agenten, 196 f) vertritt diese Auffassung. Dem Agenten einmal Empfangsvollmacht für die Entgegennahme von Versicherungsanträgen zuzubilligen, aber im Hinblick auf § 5 Abs 3 VersVG deren empfangsrelevante Zugangsfunktion außer Kraft zu setzen, indem der Erklärungszugang von keiner Wissenszurechnung begleitet sein soll, sei eine Haltung, wodurch Empfangsvollmacht als Institution erschüttert werde. § 5 VersVG sei insoweit von keinen besonderen Perspektiven getragen, zumal die Bestimmung, wie der Oberste Gerichtshof selbst ausspreche, dem Vertrauen des Versicherungsnehmers auf unveränderte Antragsannahme Rechnung tragen solle - Vertrauen, das entstand, eben weil der Versicherer den Hinweis auf Abweichungen unterlassen hat. Insoweit sei vom Ansatz her kein Unterschied zur allgemeinen rechtsgeschäftlichen Position ersichtlich, um deretwillen eine neutrale Annahme den Vertrag im Sinne des falsch erklärten, aber richtig erkannten Willens des Antragstellers entstehen lasse. Denn solcherart werde das Vertrauen geschaffen, der gewollte Antrag sei angenommen worden. Angesichts dieser Ähnlichkeit müsse für Vermittlerwissen im Rahmen von § 5 VersVG gleichermaßen einzustehen sein wie bei Anwendung allgemeiner Rechtsgeschäftsregeln.

Diesen Argumenten schließt sich der erkennende Senat unter Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung an. Der beim, bei der beklagten Versicherung angestellten T***** von der Klägerin unterfertigte Versicherungsantrag ist ja bei ersterer nicht "eingelangt", sondern wurde damit direkt bei ihr gestellt. Die Grundstücksverwechslung unterlief der beklagten Versicherung in ihrem Risikobereich, auf den die Klägeirn keinen Einfluß hatte. Einen Unterschied zwischen einer derartigen Fehlleistung, wäre sie bei der internen Weiterleitung des Antrages nach Weitergabe durch T***** passiert, mit der Fehlleistung T***** zu machen, erschiene durch nichts gerechtfertigt.

Im vorliegenden Fall darf auch nicht übersehen werden, daß sich die Klägerin nach Überprüfung der Polizze sofort an T***** wandte, um Auskunft über den ihrer Ansicht nach gegebenen Widerspruch ihres Versicherungsantrages und dem Polizzeninhalt zu erhalten und dann die Auskunft bekam, daß volle Deckung wie beantragt gegeben sei. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 45/80 = SZ 53/130 ausgesprochen hat, ist gerade in Fällen von Deckungszusagen auf die besondere Verpflichtung des Versicherers hinzuweisen, nach dem das Versicherungsgeschäft beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Anfragen des Versicherungsnehmers fürsorglich zu behandeln, um Irrtümer, die einem Angestellten der Versicherung im Rahmen der faktisch eingeräumten Vertretungsmacht unterliefen, gegenüber dem gutgläubigen Versicherungspartner für nicht relevant zu erklären.

Folgt man der oben dargestellten Kritik der Lehre an der Rechtsprechung, so kam entgegen den in 7 Ob 23/84 (= JBl 1986, 177 = SZ 57/94) dargelegten Erwägungen zwischen den Streitteilen hinsichtlich der zweiten Liegenschaft ein Versicherungsvertrag gleich wie beantragt zustande. Die Klausel 322 wurde daher zum Gegenstand des Versicherungsvertrages für die zweite Liegenschaft. Die Deckungsverpflichtung der Beklagten für den Unfall vom 20. 7. 1990 ist grundsätzlich zu bejahen. Die dafür beweispflichtige Beklagte hat nicht unter Beweis gestellt, daß ein Risikoausschluß vorliegt.

Der Revision der beklagten Versicherung war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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