OGH 1Ob364/98f

OGH1Ob364/98f23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Roman S*****, geboren am 26. Oktober 1981, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. September 1998, GZ 45 R 664/98z-102, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Döbling vom 19. August 1998, GZ 1 P 1545/95w-96, mit einer Maßgabe bestätigt (tatsächlich: abgeändert) wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Bundes unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag des durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien vertretenen Bundes auf Einstellung der dem Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse ab, weil durchaus davon ausgegangen werden könne, daß dem unterhaltspflichtigen Vater die Aufnahme einer entsprechenden Beschäftigung zumutbar sei, die es ihm ermögliche, zumindest den Unterhaltsbeitrag - welcher nicht einmal dem Durchschnittsbedarf eines Kindes der Altersgruppe zwischen sechs bis zehn Jahren entspreche - zu leisten. Jedenfalls hätte der Vater mittlerweile mehr als ein Jahr nach seiner Haftentlassung die entsprechenden Maßnahme zur Ausstellung der erforderlichen Bescheinigungsmittel zur Erlangung einer entsprechenden Anstellung setzen können.

Das Rekursgericht „bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Vorschußeinstellungsantrag des Bundes ... zurück- statt abgewiesen wird“. Angesichts seines im Vorschußverfahren eingeschränkten Parteien- bzw Beteiligtenstellung komme dem Bund kein Antragsrecht auf Einstellung der Vorschüsse zu, weil ein solches in § 20 UVG nicht vorgesehen sei und das Gericht ohnehin von Amts wegen iSd § 7 Abs 1 UVG zu prüfen habe, ob die Vorschüsse (zur Gänze) zu versagen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs des Bundes ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, daß der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) im Unterhaltsvorschußverfahren nicht Formalpartei ist, sondern Vertreter des Bundes (Knoll, UVG, § 15 Rz 3).

Gemäß § 20 Abs 1 UVG sind die Vorschüsse auf Antrag des Kindes (Z 1), des Unterhaltsschuldners oder eines sonst Unterhaltspflichtigen unter sonst näher genannten Voraussetzungen (Z 2 und Z 3) sowie auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen (Z 4), wenn a) eine der Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2, wegfällt oder b) nach § 7 Abs 1 die Vorschüsse zur Gänze zu versagen sind. Die Bestimmung der Z 4 schafft die Ergänzung zu § 19 Abs 1 Z 1 UVG für den Fall, daß die Vorschußgewährung iSd § 7 Abs 1 UVG zur Gänze unberechtigt ist, sei es, daß es von vornherein an der Zulässigkeit fehlte, sei es, daß die Voraussetzungen nachträglich wegen einer Änderung der Verhältnisse (nach der beschlußmäßigen Vorschußgewährung) weggefallen sind (vgl dazu den Fallkatalog bei Neumayr in Schwimann2, § 20 UVG Rz 11 ff). In § 20 Abs 1 Z 4 UVG ist zum Unterschied von den vorgenannten Fällen nicht näher ausgeführt, wer zum Antrag berechtigt ist. Daß dies auch der durch den (jeweils örtlich zuständigen) Präsidenten des Oberlandesgerichts vertretene Bund ist, ergibt sich bereits aus der Entscheidung 6 Ob 573/92 = EvBl 1993/34, in der dargelegt wurde, es bleibe Sache des Präsidenten des Oberlandesgerichts, unter Anführung entsprechender konkreter Tatumstände Herabsetzungs- oder Einstellungsanträge iSd § 19 oder § 20 UVG zu stellen. Dieser im Schrifttum (Haselberger, Unterhaltsvorschußgesetz § 20 Anm 5; Knoll aaO § 15 Rz 4) gebilligten Auffassung ist beizutreten.

Nach § 14 UVG ist der Beschluß, mit dem die Vorschüsse bewilligt werden, außer dem Kind, dem Jugendwohlfahrtsträger, dem Unterhaltsschuldner und dem Zahlungsempfänger auch dem Präsidenten des OLG zuzustellen. Gemäß § 15 Abs 1 UVG idFd UVG-Novelle 1980, BGBl 1980/278, können Beschlüsse im Verfahren über die Gewährung von Vorschüssen von den Beteiligten nur mit Rekurs angefochten werden. Der Bund übt sein Rekursrecht durch den Präsidenten des OLG aus. Nach den EB zu dieser Novelle (RV, 276 BlgNR 15.GP, 13) soll durch die Zuerkennung der Beteiligtenstellung an den Bund und seinen Vertreter die Zweiseitigkeit des Verfahrens und damit die Wahrung der finanziellen Interessen des Bundes gewährleistet sein werden. Das Rekursrecht des Präsidenten des OLG führe die Zweiseitigkeit des Unterhaltsvorschußverfahrens herbei, zumal sich der Unterhaltsschuldner oft nicht am Verfahren beteilige. So habe nicht selten auf Grund eines solchen Rekurses eine unrechtmäßige Gewährung von Vorschüssen hintangehalten werden können. Wenn dem Präsidenten des OLG eine generelle Aufsichtsfunktion auch nicht zukommt und er daher nicht jeden Fehler des Vorschußverfahrens zum Gegenstand eines Rekurses machen kann, hat er jedenfalls im Rahmen der ihm zugewiesenen Rechtsposition die unrechtmäßige Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, die den Bund beschweren, hintanzuhalten (EFSlg XVIII/1; 2 Ob 508/94 = EvBl 1995/58 = ÖA 1995, 62 = EFSlg 75.748, womit dem Präsidenten des OLG ein Rekursrecht gegen die rückwirkende Einstellung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG zugebilligt wurde; Neumayr in Schwimann 2, § 15 UVG Rz 17; Knoll aaO § 15 Rz 4). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind Interessen des Bundes auch verletzt, wenn er weiter zu Zahlungen verpflichtet ist, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einstellung des Unterhaltsvorschußverfahrens vorliegen. Die Auffassung der zweiten Instanz, ein Antragsrecht des Bundes sei in § 20 Abs 1 Z 4 UVG nicht vorgesehen, wird somit angesichts des Regelungszwecks und der vom Gesetzgeber erwünschten Zweiseitigkeit des Unterhaltsvorschußverfahrens nicht geteilt. Daß eine angemessene Verfahrensbeteiligung in Fällen der Beeinträchtigung der Interessen des Bundes neben dem Rekursrecht auch ein entsprechendes Antragsrecht - etwa zur Einstellung der Vorschüsse - erfordert, liegt auf der Hand. Insoweit kann die in der Entscheidung 2 Ob 508/94 vertretene Auffassung, der Präsident des OLG habe im Verfahren auf Einstellung von Unterhaltsvorschüssen kein Antragsrecht, weil er in Wahrung der Interessen des Bundes die über solche Anträge ergehenden Entscheidungen gemäß § 15 UVG bekämpfen könne, wenn sie sich auf die im UVG erfaßte Rechtssphäre des Bundes auswirken, nicht beigetreten werden. Denn es sind Fälle denkbar, in denen weder andere Verfahrensbeteiligte einen Einstellungsantrag nach § 20 Abs 1 Z 4 UVG stellen noch das Gericht von sich aus welchen Gründen immer von Amts wegen tätig wird und es so gar nicht zu einem anfechtbaren Beschluß kommt. Demnach ist dem durch den Präsidenten des OLG vertretenen Bund ein Recht zum Antrag auf Einstellung von Unterhaltsvorschüssen nach § 20 Abs 1 Z 4 UVG zuzubilligen.

Es muß daher der zweiten Instanz eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Bundes ON 98 unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen werden. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.

Stichworte