OGH 1Ob66/99h

OGH1Ob66/99h23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas H*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Eduard W*****, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in Salzburg, und die Nebenintervenientin A***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 602.489,82 S sA infolge ordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgerichts vom 10. November 1998, GZ 6 R 196/98f-15, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom 21. September 1998, GZ 3 Cg 137/98y-9, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 602.489,82 S sA als den auf ihn entfallenden Anteil des Entgelts für Architektenleistungen im Auftrag einer Gesellschaft.

Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe nach den Vereinbarungen zumindest derzeit keinen Zahlungsanspruch, im übrigen verkündete er der Auftraggeberin der Architektenleistungen bereits in der Klagebeantwortung den Streit und forderte sie zur Nebenintervention auf seiner Seite auf.

Die Gesellschaft trat dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 auf seiten des Beklagten als Nebenintervenientin bei und begründete ihr rechtliches Interesse am Obsiegen des Beklagten damit, letzterer behaupte für den Fall seiner Sachfälligkeit deren Schadenersatzpflicht wegen schuldhafter Verzögerung des Eintritts der Fälligkeitsbedingung für das Architektenhonorar.

Der Beitrittsschriftsatz wurde dem Kläger am 26. Juni 1998 zugestellt. Im vorbereitenden Schriftsatz vom 3. Juli 1998 (Einlangen bei Gericht am 9. Juli 1998), in dessen Rubrum bereits die Gesellschaft als Nebenintervenientin angeführt wurde, erstattete der Kläger weiteres Sachvorbringen. Unerwähnt blieb dort dagegen der Beitritt der Gesellschaft als Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten. Auch in der Verhandlungstagsatzung am 1. September 1998, an der sich die Nebenintervenientin beteiligte, erstatteten die Parteien nur Sachvorbringen. Die Zurückweisung der Nebenintervenientin wurde vom Kläger dort nicht beantragt. Erst im Schriftsatz vom 2. September 1998 (der bei Gericht am 8. September 1998 einlangte) begehrte der Kläger die Zurückweisung der Nebenintervenientin mit der Begründung, ihr fehle ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Beklagten.

Das Erstgericht wies den Antrag "als verspätet" zurück, weil ein Zurückweisungsantrag nur gestellt werden könne, "bevor sich die Partei in Kenntnis des Zurückweisungsgrundes in die Verhandlung der Hauptsache mit dem Nebenintervenienten" eingelassen habe. Der Kläger habe sich aber in der Verhandlungstagsatzung vom 1. September 1998 in die Verhandlung zur Hauptsache ohne vorherigen Zurückweisungsantrag eingelassen.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Klägers als unzulässig zurück, sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, und erwog in rechtlicher Hinsicht, über den Antrag einer Prozeßpartei auf Zurückweisung des Nebenintervenienten sei gemäß § 18 Abs 2 ZPO nach mündlicher Verhandlung zwischen dem Bestreitenden und dem Nebenintervenienten zu entscheiden. Nach § 18 Abs 4 ZPO sei die Zulassung als Nebenintervenient durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht anfechtbar. Das Erstgericht habe den angefochtenen Beschluß "auf einen der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Lehre entsprechenden Grund" gestützt und damit eine "prozessuale Situation" geschaffen, die derjenigen einer Zulassung der Nebenintervention entspreche, sodaß die Anfechtungsbeschränkung des § 18 Abs 4 ZPO eingreife.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird, unzulässig.

Der Beitritt als Nebenintervenient ist gemäß § 18 Abs 1 ZPO gegenüber dem Gericht zu erklären. Er wird mit Zustellung des Beitrittsschriftsatzes an beide Parteien wirksam (6 Ob 598/94; 2 Ob 584/92; Fasching, Kommentar II 216 ff; ders, LB2 Rz 401; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 219). Das Gericht hat allerdings, noch ehe es die Zustellung eines solchen Schriftsatzes anordnet, von Amts wegen die formellen Beitrittsvoraussetzungen zu prüfen (6 Ob 598/94; Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozeß 113; Fasching aaO; Fucik in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 1 zu § 18; Rechberger/Simotta aaO) und die Nebenintervention bei deren Verneinung zurückzuweisen (Fasching aaO; Fucik aaO; Rechberger/Simotta aaO). Zu den formellen Beitrittsvoraussetzungen gehört nach der herrschenden Lehre auch ein schlüssig behauptetes Interventionsinteresse (Deixler-Hübner aaO 111 ff; Fasching aaO; Fucik aaO Rz 2; König, JBl 1973, 424 [Glosse]; Rechberger/Simotta aaO).

Der erkennende Senat war ursprünglich - ausführlich begründet - anderer Ansicht (1 Ob 264/72 = SZ 45/141 = JBl 1973, 421 [König]), hielt jedoch daran später (1 Ob 543/91 = EFSlg 66.923) selbst nicht mehr fest (anders noch 1 Ob 2/90). Der Oberste Gerichtshof war überdies schon vorher (8 Ob 504/83 = JBl 1984, 265) von dem in 1 Ob 264/72 postulierten Grundsatz ohne nähere Begründung abgegangen. Er tendierte in der Folge auch in einer anderen Entscheidung (9 Ob 901/90 = ZAS 1990, 191 [Fink]) dahin, daß ein schlüssig behauptetes Interventionsinteresse als formelle Beitrittsvoraussetzung zu behandeln sei, hätte doch sonst nicht hervorgehoben werden dürfen, daß das Gericht nach Abgabe der Beitrittserklärung auch zu prüfen habe, ob das Interventionsinteresse schlüssig behauptet worden sei. Der in 8 Ob 504/83 (= JBl 1984, 265) beurteilte Sachverhalt verdeutlicht überdies ein prozeßpraktisches Bedürfnis, die Schlüssigkeitskontrolle zur Prüfung des Vorliegens der formellen Beitrittsvoraussetzungen zu zählen, hatte der Beitretende doch dort ausdrücklich vorgebracht, gar kein Interventionsinteresse zu haben und den Beitritt nur zu erklären, weil ihm der Streit verkündet worden sei. Eine weitere Unterscheidung zwischen einem Interventionsbedürfnis und dem eigentlichen Interventionsinteresse (siehe dazu Deixler-Hübner aaO 115) ist im Rahmen der Prüfung formeller Beitrittsvoraussetzungen jedoch nicht erforderlich.

Läßt sich aus dem Beitrittsschriftsatz kein schlüssig behauptetes Interventionsinteresse ableiten und wird dieser Umstand vom Gericht übersehen, so kann dieser Mangel nach Zustellung des Schriftsatzes an die Parteien - entgegen der Ansicht des Klägers - von Amts wegen nicht mehr aufgegriffen werden (6 Ob 598/94; ZAS 1990, 191 [Fink]; Deixler-Hübner aaO 112; Fasching aaO).

Bejaht das Gericht die Beitrittsvoraussetzungen als Ergebnis der amtswegigen Zulässigkeitsprüfung, hat es keinen Beschluß über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu fassen (6 Ob 598/94; 1 Ob 2/90; Deixler-Hübner aaO 116). Nach § 18 Abs 2 ZPO kann aber jede der Prozeßparteien die Zurückweisung der Nebenintervention (auch) wegen des Mangels eines Interventionsinteresses beantragen. Ein solcher Antrag ist weder form- noch fristgebunden, muß aber nach einhelliger Ansicht gestellt werden, bevor sich die Partei in Kenntnis des Zurückweisungsgrunds mit dem Nebenintervenienten in die Verhandlung zur Hauptsache einläßt (6 Ob 598/94; 2 Ob 584/92; ZAS 1990, 191; Deixler-Hübner aaO 118; Fasching, LB2 Rz 402; Fucik aaO Rz 3), weil durch ein solche Einlassung auf das Bestreitungsrecht verzichtet wird (6 Ob 598/94; Deixler-Hübner aaO 118 f). Nach einem derartigen prozessualen Verzicht ist aber das Recht einer Prozeßpartei, sich der Nebenintervention zu widersetzen, erloschen (Deixler-Hübner aaO 118).

Danach sind in Ansehung des Interventionsinteresses drei prozessuale Entscheidungsvarianten zu unterscheiden: die Zurückweisungsentscheidung im gerichtlichen Vorprüfungsverfahren mangels Schlüssigkeit, die Beschlußfassung über den Zurückweisungsantrag einer Prozeßpartei vor deren Einlassung in der Sache und die Erledigung eines Zurückweisungsantrags nach vorherigem Erlöschen des Rechts, einer erklärten Nebenintervention widersprechen zu dürfen.

Nimmt das Gericht im Rahmen seiner Vorprüfung ein unschlüssig behauptetes Interventionsinteresse als formelles Beitrittshindernis wahr, so führt das zur sofortigen, also noch vor Zustellung des Beitrittsschriftsatzes auszusprechenden Zurückweisung der erklärten Nebenintervention, wobei die allfällige Notwendigkeit eines vorherigen erfolglosen Sanierungsversuchs hier mangels Relevanz keiner Erörterung bedarf.

Hat dagegen das Gericht über einen auf mangelndes Interventionsinteresse gestützten Zurückweisungsantrag einer Prozeßpartei zu entscheiden, der noch vor Erlöschen des Rechts, sich einer Nebenintervention widersetzen zu dürfen, gestellt wurde, ist entweder der Nebenintervenient in Stattgebung eines solchen Begehrens zurückzuweisen oder es ist der Zurückweisungsantrag abzuweisen und die Zulassung des Nebenintervenienten - mit der Wirkung einer weiteren Aufrechterhaltung dieser Rechtsstellung - ausdrücklich auszusprechen (Deixler-Hübner aaO 124).

Macht schließlich der Zurückweisungswerber der (angeblichen) Mangel eines Interventionsinteresses erst nach Erlöschen des Rechts, sich gegen die Nebenintervention zu wenden, geltend, ist nur mehr der Zurückweisungsantrag abzuweisen, ohne daß noch ein Ausspruch über die Zulassung des Nebenintervenienten geboten wäre, weil einerseits die amtswegige Zurückweisung des Nebenintervenienten mangels Interventionsinteresses nach dem Vorprüfungsverfahren - wie einleitend dargelegt - ohnehin ausscheidet und andererseits auch das auf ein schon erloschenes Recht gestütztes Begehren eine Zurückweisungsentscheidung nicht mehr zu tragen vermag. Ein Zulassungsausspruch hätte daher bloß deklarative Bedeutung, weil die Aufrechterhaltung einer wirksam erklärten Nebenintervention in einem solchen Fall bereits unabänderlich ist.

Im Anlaßfall ist der Zurückweisungsantrag der letzten der erörterten Varianten zuzuordnen, weil ihn der Kläger erst nach dem Erlöschen seines Rechts, sich gegen die Nebenintervention zu wenden, stellte, hatte er sich doch zuvor mit dem Nebenintervenienten in eine Verhandlung zur Hauptsache eingelassen, ohne den ihm seit Zustellung des Interventionsschriftsatzes bekannten Zurückweisungsgrund eines angeblich fehlenden Interventionsinteresses geltend zu machen. Das wurde von den Vorinstanzen - zum Unterschied vom Kläger - auch zutreffend erkannt. Allerdings ist ein solcher Antrag nicht "als verspätet" zurückzuweisen, sondern als Folge der bisherigen Rechtsausführungen abzuweisen. Auf eine solche Entscheidung ist § 18 Abs 4 ZPO nicht anwendbar, weil sie sich, wie gezeigt wurde, gar nicht mehr mit einem konstitutiven Zulassungsausspruch zwecks Beibehaltung der Stellung als Nebenintervenient verbinden läßt. Wird daher ein solcher erstrichterlicher Abweisungsbeschluß vom Rekursgericht zur Gänze bestätigt, ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Obgleich das Erstgericht den Antrag des Klägers "als verspätet" zurückwies und sich dabei in der Entscheidungsform vergriff, begründete es inhaltlich - nach der allein bedeutsamen Rechtslage - zutreffend dessen Abweisung. Das Gericht zweiter Instanz, das den Rekurs des Klägers zufolge § 18 Abs 4 ZPO als (derzeit) unzulässig zurückwies, bestätigte nach seinen Gründen den aufgrund inhaltlicher Kriterien als Antragsabweisung zu wertenden erstrichterlichen Beschluß zur Gänze, weil es der Ansicht des Erstgerichts über die "Verspätung" des Zurückweisungsantrags folgte. Es bedarf deshalb nicht der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Klägers, weil der Bestätigungswille des Gerichts zweiter Instanz schon aus seiner Zurückweisungsentscheidung ableitbar ist und die Revisionsrekursbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO auch auf Rechtsmittel gegen Formalbeschlüsse des Rekursgerichts anwendbar sind (JBl 1994, 264), was gerade auch dann gelten muß, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluß inhaltlich - wenn auch im Gewand einer reinen Formalentscheidung - gänzlich bestätigt wurde.

Somit erweist sich der bekämpfte Beschluß gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO als absolut unanfechtbar, was gemäß § 526 Abs 2 ZPO zur Zurückweisung des Revisionsrekurses führen muß.

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