OGH 9ObA21/99z

OGH9ObA21/99z17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Erik M*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Ida M*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 613.534,95 sA und S 52.800 sA, infolge Rekurses beider Parteien und außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 1997, GZ 10 Ra 236/97t-139, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. Oktober 1996, GZ 9 Cga 325/93s-115, als Teilurteil bestätigt und im übrigen aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Rekurse beider Parteien werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.432,60 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 572,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß mit der Begründung zu, daß die Frage, ob ein Kommanditist durch faktische Ausübung sämtlicher Arbeitgeberfunktionen zum Arbeitgeber werde, von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG sei. Inkonsequenterweise sprach es hinsichtlich des Teilurteils allerdings aus, daß die Revision nicht zulässig sei, obwohl auch dort der Anerkennung der Beitragszahlung für die freiwillige Höherversicherung durch die Beklagte die vertragliche Verpflichtung der KG zugrundelag und die Beklagte lediglich über Frage erklärte, daß die Zahlung dieses Betrages in Ordnung gehe. Ihre rechtsverbindliche Anerkennung ließe sich daher durchaus mit der Frage, ob sie als Dienstgeberin gehandelt hat, in Zusammenhang bringen, zumal es sich um Ansprüche aus dem Dienstvertrag handelte. Soweit aber das Berufungsgericht daraus ein abstraktes rechtsverbindliches Anerkenntnis der Beklagten persönlich ableitete, kann darin keine krasse Verkennung der Rechtslage im Einzelfall erblickt werden. Es ist letzten Endes für den Anspruch des Klägers ohne Bedeutung, ob ein abstraktes Anerkenntnis vorliegt oder die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin die Zahlung anerkannt hat. Eine Rechtsfrage im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG liegt sohin nicht vor.

Zu den Rekursen gegen den Aufhebungsbeschluß:

Der Begriff des Arbeitgebers ist gesetzlich nicht determiniert und kann im Bereich des Arbeitsrechts nicht einheitlich beurteilt werden, sondern hängt von unterschiedlichen Kriterien ab, insbesondere, wer nach vertragsrechtlicher Beurteilung des gesamten Sachverhaltes als Arbeitgeber anzusehen ist (DRdA 1997/15 [Kürner]; Infas 1998 A 103). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers objektiv gesehen darauf vertrauen durfte, daß der Erklärende im eigenen Namen als Arbeitgeber oder als Vertreter für einen bestimmten Arbeitgeber aufgetreten ist (Arb 11.124 = DRdA 1994/37 [Kürner]; DRdA 1997/15 [Kürner]; DRdA 1997/30 [Löschnigg]; SZ 69/195; Infas 1998 A 103). Es ist nicht strittig, daß auch Personengesellschaften des Handelsrechtes Dienstgeber sein können (SZ 69/195). Ebenso ist nicht zweifelhaft, daß physische Personen allein oder auch neben einer solchen Gesellschaft Dienstgeber sein können. Nach der Entscheidung SZ 69/195 vermag an der Dienstgebereigenschaft einer Kommanditgesellschaft die tatsächliche Ausübung der Rechte des Dienstgebers durch den Komplementär nichts zu ändern, weil eine Differenzierung zwischen einem juristischen und einem funktionellen Arbeitgeber nicht zulässig ist. Der Unterschied zum vorliegenden Fall besteht darin, daß die Kommanditistin und Alleineigentümerin der KG (= Beklagte) nicht einem Komplementär gleichgesetzt werden kann, der kraft Gesetzes für die KG handelt, während die Kommanditistin nach § 164 HGB von der Führung der Geschäfte der KG ausgeschlossen ist. Sie ist daher nicht funktionell für die Kommanditgesellschaft tätig, so daß die Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch sie persönlich nicht mit ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktion im Widerspruch steht. Der Komplementär handelt aufgrund seiner gesetzlichen Vertretereigenschaft im Zweifel als Vertreter der KG. Die Annahme, daß eine nicht vertretungsbefugte Kommanditistin mangels Offenlegung des Gegenteils bei der Wahrnehmung von wesentlichen Arbeitgeberfunktionen aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers selbst Arbeitgeberin wird, steht mit den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung nicht im Widerspruch (9 ObA 147/95).

Mit Eingabe vom 20. 12. 1985 teilten alle Gesellschafter dem Handelsgericht mit, daß die einzige Komplementärin ausscheide, ohne eine neue Komplementärin namhaft zu machen. Bereits vorher hatte die Komplementärin und Konzessionärin ihre Erkrankung der MA 14 bekanntgegeben und um die Bestellung einer stellvertretenden Leiterin der Apotheke ersucht, die aber dann ihr Dienstverhältnis bereits mit

31. 12 1985 beendet hatte. Die Komplementärin hatte sich dann aufgrund eines Vergleiches vom 8. 4. 1987 zwar verpflichtet, wieder als Komplementärin einzutreten, hat aber tatsächlich nicht mehr in der Apotheke gearbeitet, so daß der Kläger ab 1. 1. 1986 die einzige pharmazeutische Fachkraft war. Soweit die Vorinstanzen unter diesen Voraussetzungen und dem Umstand, daß das Vermögen der Gesellschaft bis zum Juli 1987, mit Ausnahme der an den Kläger und seine Schwester übertragenen 5 %igen Kommanditanteile, der Beklagten gehörte, die Komplementärin nicht anwesend war und sohin nicht für die Gesellschaft handelte, die Beklagte selbst alle dienstrechtlichen Belange mit dem Kläger regelte und verhandelte, ihm Weisungen erteilte, ohne für die KG vertretungsbefugt zu sein, zum Ergebnis gelangten, daß sie die Dienstgeberfunktionen wahrnahm, ohne ihre Vertretungsmacht offenzulegen, und sohin eine Vertrauenslage für die Annahme des Klägers schuf, daß sie im eigenen Namen als Arbeitgeber auftrat, so liegt keine krasse Fehlbeurteilung vor. Die Beurteilung gründet sich auf die Umstände des Einzelfalles, so daß keine Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG begründet wird. Der bloße Indizwirkung zukommenden Anmeldung bei der Sozialversicherung (im Namen der KG) oder die mit Kenntnis der Beklagten vorgenommene Entnahme des Entgelts aus der Kasse der Apotheke schließen die Gutgläubigkeit des Klägers für die Annahme des Handelns der Beklagten im eigenen Namen bei den tatsächlichen Machtverhältnissen im Unternehmen nicht aus. Selbst bei Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen durch mehrere Personen ist aufgrund der Wahrnehmung von Einzelpflichten nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems auf die mögliche Arbeitgeberstellung im Sinne des Arbeitsvertragsrechts zu schließen (SZ 69/195). Hier im besonderen Fall liegt nicht einmal eine Wahrnehmung von aktiven Dienstgeberfunktionen durch die KG vor, weil ihr vertretungsbefugter Komplementär krank und abwesend war.

Was den Rekurs des Klägers betrifft, so bildet die Frage, ob die Beklagte auch aufgrund des Umstandes, daß nach Wegfall der beiden anderen Kommanditisten und der Komplementärin aus der KG ex lege eine Einzelfirma geworden ist und die Beklagte deshalb persönlich hafte, bei der nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen schon gegebenen vertragsrechtlichen persönlichen Haftung als Dienstgeberin keine Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG. Soweit die im Aufhebungsbeschluß zur Verbreiterung der Tatsachengrundlage erteilten Aufträge bekämpft werden, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (9 ObA 70/98d).

Da beide Rekurswerber in ihren Rekursbeantwortungen auf die Unzulässigkeit mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG hingewiesen haben, stehen ihnen die Kosten der Rekursbeantwortungen gemäß den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zu, wobei sich als Differenz zugunsten des Klägers der im Spruch genannte Kostenbetrag ergibt.

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