OGH 10ObS17/99v

OGH10ObS17/99v16.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Georg B*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Edeltraud Bernhart-Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 1998, GZ 8 Rs 301/98p-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30. Juni 1998, GZ 7 Cg 333/97t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 7. 5. 1952 geborene Kläger hat den Beruf eines Kraffahrzeugmechanikers erlernt, jedoch in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nicht ausgeübt. Tatsächlich war er in diesem Zeitraum überwiegend als Monteur im Installationsbereich auf Großbaustellen (Errichtung von Gasleitungen und Fernwärmeleitungen, Verlegen von Heizungsleitungen und Austausch von Kesseln) tätig; dadurch erwarb er Kenntnisse und Fähigkeiten, die denen eines gelernten Rohrleitungsmonteurs entsprechen (von den Vorinstanzen auch mit "Rohrleitungsinstallateur" bezeichnet). Diese Tätigkeit kann der Kläger unter Berücksichtigung seines körperlichen Leidenszustandes nicht mehr ausüben. Ihm sind nämlich nur noch leichte und halbzeitig mittelschwere Arbeiten - nicht an exponierten und höher gelegenen Stellen - zumutbar.

Der Kläger bezog von der beklagten Partei im Zeitraum 1. 2. 1994 bis 31. 8. 1997 eine befristete Invaliditätspension. Mit Bescheid vom 16. 10. 1997 wurde sein Antrag auf Weitergewährung der Pension über den 31. 8. 1997 hinaus abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren (im Spruch irrtümlich "über den 31. 12. 1997 hinaus") ab. Der Kläger könne weder die Tätigkeit eines Rohrleitungsmonteurs noch verwandte Berufe wie Gas- und Wasserleitungsinstallateur oder Zentralheizungsbauer ausüben. Eine Verweisung auf den erlernten Beruf eines Kfz-Mechanikers komme nicht in Betracht, weil dieser Beruf nie ausgeübt worden sei. Der Kläger sei aber auf Teiltätigkeiten des Schlosserberufes verweisbar, weil er unter Berücksichtigung seines Leistungskalküls als Maschineneinsteller oder Fertigungsprüfer tätig sein könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Da die Lehrzeit als Kfz-Mechaniker voll auf den Schlosserberuf angerechnet werde und der Schlosserberuf viele Elemente auch des Rohrleitungsmonteurs enthalte, wiesen von der Ausbildung her die Berufe Schlosser und Kfz-Mechaniker Ähnlichkeiten auf. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, der Kläger könne in Teilberufen des Schlossergewerbes verwendet werden, sei daher zutreffend. Diese Teiltätigkeiten würden seinen Berufsschutz erhalten, weshalb er nicht invalid sei.

Mit der inhaltlich allein auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision beantragt der Kläger die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des hilfweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Wurde - wie hier - eine Invaliditätspension befristet gewährt, so hängt der Anspruch auf Weitergewährung davon ab, ob der Versicherte nach Ablauf der Frist, für die sie zuerkannt wurde (noch, erstmals oder wieder) invalid im Sinne des § 255 ASVG ist; dabei ist ein Vergleich mit den Verhältnissen zur Zeit der Zuerkennung der befristeten Pension nicht anzustellen (SSV-NF 6/17, 8/46). Ein fristgerechter Antrag auf Weitergewährung löst im Falle des lückenlosen Weiterbestehens von Invalidität keinen neuen Versicherungsfall der Invalidität und keinen neuen Stichtag im Sinne des § 223 Abs 2 ASVG aus (SSV-NF 8/46, 10/98 ua); dieser ist daher weiterhin der 1. 2. 1994.

Auszugehen ist davon, daß der Kläger Berufsschutz als Rohrleitungsmonteur im Sinne des § 255 Abs 1 und 2 ASVG genießt. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß er im Hinblick auf das medizinische Leistungskalkül diesen Beruf nicht mehr ausüben kann. Strittig ist lediglich, ob er bei Aufrechterhaltung seines Berufsschutzes (vgl SSV-NF 3/119, 4/140, 6/67 ua) auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann.

Ob ein Versicherter, der Berufsschutz als Schlosser genießt, auf die Tätigkeit eines Industriekontrollors oder Fertigungsprüfers verwiesen werden kann, wurde in der bisherigen Rechtsprechung bereits mehrfach untersucht (SSV-NF 3/119, 4/140, 6/67, zuletzt 11/21). Der Kläger führt dazu in seiner Revision an sich zutreffend aus, er könnte nur dann auf die Tätigkeit oder eine Teiltätigkeit des Schlosserberufes verwiesen werden, wenn er etwa in seinem erlernten Beruf als Kraftfahrzeugmechaniker oder sonst in einem Schlosserberuf gearbeitet hätte. Diesen Ausführungen ist aber entgegenzuhalten, daß es im vorliegenden Fall gar nicht um die Verweisung eines Schlossers geht, sondern um die eines (angelernten) Rohrleitungsmonteurs. Zu prüfen ist also der Verweisungsrahmen dieses tatsächlich ausgeübten Berufes. Die Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger als Rohrleitungsmonteur auf qualifizierte Teiltätigkeiten dieses Berufes in Form des Industriekontrollors oder Fertigungsprüfers verwiesen werden kann. Daß ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, auch auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden darf, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 3/119, 3/122, 5/40, 7/6 ua). Ob es sich allerdings bei der Verweisungstätigkeit um eine Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes (hier also des Rohrleitungsmonteurs) handelt, ist - sofern nicht offenkundig - in jedem Einzelfall besonders zu prüfen. Daher werden - anknüpfend an das in der Entscheidung 10 ObS 36/97z (SSV-NF 11/21). Ausgeführte zur Qualifikationsabgrenzung der in der Praxis vorkommenden unterschiedlichen Berufsarten von Industriekontrolloren und Fertigungsprüfern - genaue Feststellungen dazu zu treffen sein, welche Anforderungen an solche Berufe gestellt werden, inwieweit diese sich nur auf Hilfsarbeiten (-verrichtungen) beschränken und inwieweit in ihnen das berufliche Wissen eines Rohrleitungsmonteurs verwertet werden kann, wobei auch auf die nach den Feststellungen des Erstgerichtes beim Kläger vorhandenen bzw durch zumutbare Nachschulung erlernbaren Kenntnisse in diesem Verweisungsfeld einzugehen sein wird (ebenso 10 ObS 422/97z).

Schließlich wurde auch die - keineswegs offenkundige - Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätze für derartige Verweisungstätigkeiten nicht festgestellt. Dies ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung für eine Verweisung unabdingbare Voraussetzung, wobei als Mindestzahl grundsätzlich österreichweit 100 derartige Arbeitsplätze in einem Verweisungsberuf zur Verfügung stehen müssen (SSV-NF 7/37).

Da diese für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Fragen ungeklärt blieben, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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