OGH 10ObS422/97z

OGH10ObS422/97z16.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Anton Wladar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helmut B*****, Schlosser, ***** vertreten durch Dr.Walter Pfliegler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Juli 1997, GZ 8 Rs 171/97v-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.März 1997, GZ 11 Cgs 134/96t-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 27.9.1941 geborene Kläger war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.1.1996) überwiegend im erlernten Beruf als Schlosser tätig. Aufgrund des medizinischen Leistungskalküls ist er in der Lage, leichte und halbzeitig mittelschwere Arbeiten zu verrichten, ausgenommen Arbeiten in ständiger Nässe und Kälte und solche mit besonderem Zeitdruck. Ausgeschlossen sind auch Hebe- und Trageleistungen von mehr als 15 kg und Bücken unter Tischhöhe öfter als 5 mal in der Stunde. Ein Hörbereich von 6 bis 7 m muß ausreichend sein. Der Zustand besteht seit Antragstellung ohne gegenseitige Leidesbeeinflussung. Aus berufskundlicher Sicht kann der Kläger seine bisher als Schlosser verrichteten Tätigkeiten nicht mehr ausüben, er könnte aber noch als End- oder Zwischenkontrollor oder als Fertigungsprüfer arbeiten.

Mit Bescheid vom 15.6.1996 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels Invalidität ab.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger ab 1.1.1996 die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß dem Kläger Berufsschutz als Schlosser nach § 255 Abs 1 ASVG zukomme, eine Tätigkeit als Endkontrollor, Zwischenkontrollor oder Fertigungsprüfer nicht vom Berufsbild des Schlossers "abgedeckt" sei und hierfür auch kein ausreichender Arbeitsmarkt bestehe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Durch die genannten Verweisungstätigkeiten, für die auch ein ausreichender Arbeitsmarkt vorhanden sei, gehe der Berufsschutz nicht verloren.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat zwar zunächst - in den Entscheidungen SSV-NF 3/119 und 4/140 - bei einem Stahlbauschlosser bzw einem auch als Schlosser ausgebildeten Drahtzieher ausgesprochen, daß die Verweisung auf Tätigkeiten als einfacher Kontrollschlosser (sog Zwischen- und Endkontrollor sowie Fertigungsprüfer) zur Erhaltung des Berufsschutzes zulässig sei, die dort vorgenommene Gleichstellung von Zwischen- und Endkontrolloren jedoch in der späteren Entscheidung SSV-NF 6/67 nicht mehr aufrechterhalten. In der letztgenannten Entscheidung wurde hervorgehoben, daß sich die Tätigkeiten eines Zwischenkontrollors - im Gegensatz zur Tätigkeit des Endkontrollors oder Fertigungsprüfers - qualitativ nicht wesentlich von Hilfsarbeiten hervorhebe und bloß untergeordnet sei, wodurch aber der Berufsschutz des Bauschlossers verlorenginge. Daß ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, auch auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden darf, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 3/119, 3/122, 5/40, 7/6, ARD 4440/15/93 u.a.m.; vgl hierzu auch SSV-NF 8/59 zur Zulässigkeit der Verweisung eines bisher vorwiegend im Freien tätigen Bauspenglers auf in Werkstätten - also im Innendienst - zu verrichtende Spenglertätigkeiten). Ob es sich allerdings bei der Verweisungstätigkeit um eine Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes handelt, ist - sofern nicht offenkundig - in jedem Einzelfall besonders zu prüfen.

Die Feststellungen der Tatsacheninstanzen reichen dazu nicht aus. Anknüpfend an die Qualifikationsabgrenzung der in der Praxis vorkommenden unterschiedlichen Berufsarten von Industriekontrolloren werden daher genaue Feststellungen dazu zu treffen sein, welche exakten Anforderungsprofile an die Verweisungsberufe eines Zwischenund/oder Endkontrollors sowie eines Fertigungsprüfers zu stellen sind, inwieweit diese sich nur auf Hilfsarbeiten (Hilfsverrichtungen) beschränken und inwieweit ein berufliches Wiesen als Bau- oder Industrieschlosser verwertet werden kann, wobei auch auf die beim Kläger bereits vorhandenen bzw durch zumutbare Nachschulung erlernbaren Kenntnisse in diesem Verweisungsfeld einzugehen sein wird (ebenso 6.3.1997, 10 ObS 36/97k).

Zutreffend verweist der Revisionswerber aber auch darauf, daß die Vorinstanzen die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätze für derartige Verweisungsberufe nicht festgestellt haben. Mangels Offenkundigkeit steht diese Zahl auch nicht annäherungsweise fest. Dies ist jedoch für eine Verweisung unabdingbare Voraussetzung, wobei als Mindestzahl grundsätzlich österreichweit 100 derartige (freie und besetzte) Arbeitsplätze in einem Verweisungsberuf zu Verfügung stehen müssen (SSV-NF 7/37).

Da diese für die abschließende Beurteilung wesentlichen Fragen ungeklärt blieben, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht aufzuheben (ebenso 10 ObS 36/97k).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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